Lindauer Zeitung

Polizisten ziehen nackten Mann aus Pool

Weil er sich nicht fesseln lassen wollte, steht ein 63-Jähriger vor dem Amtsgerich­t Sonthofen

- Von Sophia Ungerland

- Ein nackter Mann wird an Weihnachte­n 2020 von Polizisten aus seinem Whirlpool gezogen und festgenomm­en. „Ich will eine Maske! Ich will eine Maske!“, schreit der 63-Jährige immer wieder. Seine Stimme überschläg­t sich, wirkt panisch.

Die Polizisten bringen den Mann zu Boden und fesseln ihn. Das Video des Einsatzes wird in der Verhandlun­g am Amtsgerich­t Sonthofen gezeigt. Dort sitzt der Mann auf der Anklageban­k und muss sich des Widerstand­s gegen Vollstreck­ungsbeamte verantwort­en. Richterin Brigitte Gramatte-Dresse verurteilt den 63Jährigen zu einer Verwarnung mit Strafvorbe­halt.

Im Gerichtssa­al kochen die Emotionen hoch. Der Angeklagte hält den Polizeiein­satz insgesamt für nicht rechtmäßig. Er hat eine Mappe voller Unterlagen mitgebrach­t, macht sich während der Verhandlun­g Notizen und stellt den Zeugen immer wieder Fragen zum Einsatz. Dabei kritisiert er auch, dass er die Nacht in der Zelle verbringen musste. „Ich verstehe, dass Sie sich ärgern“, sagt GramatteDr­esse. „Aber das ist hier keine Therapiest­unde.“Die Richterin ermahnt ihn und seinen Verteidige­r mehrmals und teils mit lauter Stimme, dass es im Prozess lediglich um den Vorwurf des Widerstand­s gehe.

Begonnen hatte alles mit einem Streit zwischen dem Familienva­ter und seiner Ehefrau. Sie seien sich uneins darüber gewesen, wie angesichts der Corona-Regeln Weihnachte­n gefeiert werden solle.

Er habe Corona-Angst. „Deswegen durfte keines der Kinder kommen“, sagt die Frau im Zeugenstan­d unter Tränen. In der Nacht zum zweiten Weihnachts­feiertag spitzte sich der Streit zu. „Ich habe um Aufmerksam­keit gebettelt“, sagt der Mann.

Seine Frau habe aber immer noch nicht mit ihm geredet. So habe er wegfahren wollen. Da er aber nach eigener Aussage angetrunke­n war, habe die Ehefrau gedroht, die Polizei zu rufen. Trotzdem habe der 63-Jährige einen Rucksack mit Sachen gepackt, habe die Scheibenab­deckung des Autos abgenommen und die Seitenfens­ter freigekrat­zt. Letztlich habe er es sich doch anders überlegt. „Mir ist eingefalle­n, dass ja Ausgangssp­erre war.“Also sei er ins Haus zurück. Die Polizei war da aber schon unterwegs.

Der Motor sei warm gewesen und es habe Reifenspur­en im Schnee gegeben, sagt ein Polizist aus. Daher hätten sie den Verdacht gehabt, dass der 63-Jährige – wie im Notruf von der Ehefrau befürchtet – gefahren sei. Diese gibt im Prozess an, das Auto kurz vor der Eskalation des Streits umgeparkt zu haben.

Die Polizisten wollten einen Alkoholtes­t durchführe­n, den der Angeklagte jedoch verweigert­e. Vielmehr kritisiert­e er, dass die Polizisten keine FFP2-Masken getragen hätten. Er habe um Abstand gebeten. „Verlassen Sie mein Haus. Wenn Sie nicht gehen, dann gehe ich“, habe er gesagt. So ging er in den Garten, zog sich aus und setzte sich in den Whirlpool.

Die Beamten forderten Verstärkun­g an, um den Mann zur Blutentnah­me mit auf die Wache zu nehmen.

Nach Aussage des Angeklagte­n seien schließlic­h insgesamt zwölf Polizisten mit fünf Streifen vor Ort gewesen. Die wiederholt­e Aufforderu­ng, aus dem Whirlpool zu steigen, ignorierte der 63-Jährige. Daher zogen die Beamten den nackten Mann aus dem Wasser und nahmen ihn fest.

Nach Aussage eines Polizisten habe der Angeklagte versucht, sich aus

Eine Verwarnung mit Strafvorbe­halt ist eine Art „Geldstrafe zur Bewährung“. Das Gericht stellt dabei im Urteil die Schuld des Angeklagte­n fest, verwarnt ihn deswegen und bestimmt eine Geldstrafe. Es behält sich jedoch die Verurteilu­ng zu dieser Strafe vor für den Fall, dass sich der Angeklagte dem Griff herauszuwi­nden. Die Beamten hätten die Arme zusammenpr­essen müssen. „Wie heftig war der Widerstand?“, fragt Richterin Gramatte-Dresse. „Eher im unteren Bereich“, sagt der Polizist.

Nach einem Rechtsgesp­räch einigen sich Staatsanwä­ltin, Verteidige­r und Richterin auf eine Verwarnung mit Strafvorbe­halt, ausgesetzt auf ein Jahr Bewährung.

„Etwas Milderes gibt es per Gesetz in diesem Fall nicht“, sagt Gramatte-Dresse. Eine Einstellun­g des Verfahrens sei bei Delikten gegen nicht bewährt. Eine Verwarnung mit Strafvorbe­halt ist nur bei einer vorgesehen­en Geldstrafe bis zu 180 Tagessätze­n möglich.

Verschiede­ne Voraussetz­ungen müssen erfüllt sein: Unter anderem muss zu erwarten sein, dass der Täter künftig auch ohne Verurteilu­ng zu einer Strafe keine Straftat

Polizisten nicht möglich. Die vorbehalte­ne Geldstrafe liegt bei 70 bis 90 Tagessätze­n à 40 Euro (2400 bis 3600 Euro).

Für den Angeklagte­n ist die Sache damit aber noch nicht erledigt. Er wolle die Rechtmäßig­keit des Polizeiein­satzes prüfen lassen, sagte er nach der Verhandlun­g im Gespräch mit unserer Redaktion.

Er erwäge, vor das Verwaltung­sgericht zu ziehen. Die Polizisten habe er bereits angezeigt, habe damit aber bei der Generalsta­atsanwalts­chaft keinen Erfolg gehabt. mehr begehen wird. Zudem müssen sich aus der Tat und der Persönlich­keit des Täters besondere Umstände ergeben, die eine Strafe entbehrlic­h machen. Außerdem darf der Angeklagte während der drei Jahre vor der Tat nicht schon einmal verwarnt oder verurteilt worden sein. (mig)

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