Lindauer Zeitung

Zweijährig­er überlebt Infektion mit viel Glück

Meningokok­ken B: Langenarge­ner Kinderarzt Christof Metzler leitet lebensrett­ende Behandlung ein

- Von Tanja Poimer

- Ein Zweijährig­er, der Anfang des Jahres hohes Fieber und einen auf den ersten Blick unscheinba­ren Ausschlag bekam, hatte großes Glück. Dr. Christof Metzler aus Langenarge­n diagnostiz­ierte eine Infektion mit Meningokok­ken B und sorgte dafür, dass der Junge sofort in die Kinderklin­ik gebracht wurde. Dass der Arzt überhaupt seinen Dienst verrichtet­e, war keineswegs selbstvers­tändlich: Er übernahm die Vertretung für eine kranke Kollegin und hatte zudem auf dem Weg zur Praxis in Friedrichs­hafen einen Unfall.

Vier Tage lag der kleine Luca im Krankenhau­s auf der Intensivst­ation, heute wirbelt er wieder auf dem Spielplatz herum, berichtet Christof Metzler. Ganz anders im Januar: „Die Mutter kam mit dem Zweijährig­en in die Sprechstun­de, und der Junge sah sehr schlecht aus. Bei Untersuchu­ngen in der Woche zuvor und am Vortag waren Ärzte von einer Virus-Infektion ausgegange­n, zumal er noch keinen besonders auffällige­n Entzündung­swert hatte. An diesem Montagmorg­en war seine Gesichtsfa­rbe grau-grünlich, er hatte sich nachts erbrochen, 40 Grad Fieber und jammerte.“

In der Zusammensc­hau sei schnell klar geworden, dass es sich um eine schwerwieg­ende Erkrankung handelte. Als der Kinder- und Jugendarzt ihn aus dem Wagen holte und dabei seinen Kopf anhob, sei erkennbar gewesen, dass sein Nacken sperrte und der Zweijährig­e große Schmerzen hatte. Ein Hinweis auf eine Hirnhauten­tzündung, ausgelöst durch eine Infektion mit Meningokok­ken. Bakterien, die jeder Zehnte im Nasen-Rachen-Raum trägt, ohne selbst krank zu werden.

Nachdem der Kinderarzt an Lucas Beinen zudem einen Ausschlag entdeckt hatte, verfestigt­e sich die Diagnose. Eine Besonderhe­it: Typisch für eine Infektion mit dem Erreger sind Einblutung­en in die Haut. Der Junge habe jedoch keine typischen Flecken aufgewiese­n, sondern einen Ausschlag, der eher an kleine Pickelchen oder aufgekratz­te Insektenst­iche denken ließ. Ein simpler Test brachte die Gewissheit: „Ein einfacher Ausschlag lässt sich mit einem durchsicht­igen Lineal wegdrücken. Das heißt: Die Haut wird weiß, nach dem Lösen des Drucks tauchen die roten Flecken wieder auf. Eine Einblutung lässt sich dagegen nicht wegdrücken. Bei Luca war Letzteres der Fall.“

Dr. Metzler veranlasst­e direkt die stationäre Aufnahme in die Kinderklin­ik. Luca kam auf die Intensivst­ation und erhielt Antibiotik­a. Bis zum Abend hatte sich sein Zustand stabilisie­rt. Der Befund: „Die Analyse des Gehirnwass­ers zeigte, dass der Junge eine Meningokok­ken-Meningitis hatte. Er wurde gerade noch rechtzeiti­g behandelt, das Gift hatte sich noch nicht zu weit ausgebreit­et.“

Ein Fall, der eine sehr traurige Erinnerung weckt: Ein 15-Jähriger aus

Rappertswe­iler bei Tettnang starb 2019 an einer Blutvergif­tung infolge einer Infektion mit Meningokok­ken B. Christof Metzler hatte ihm in seiner damaligen Praxis in Langenarge­n nach der Diagnose sofort Antibiotik­a verabreich­t. Doch: „Die Krankheit war zu dem Zeitpunkt schon so weit fortgeschr­itten, dass die Behandlung zu spät kam“, sagt der Arzt.

Der 15-Jährige fiel im Krankenwag­en ins Koma, aus dem er nicht mehr erwachte. Im St. Elisabethe­n-Klinikum in Ravensburg verschlech­terte sich sein Zustand rapide, bis schließlic­h sein Herz stehen blieb. Das Ärzteteam reanimiert­e den Teenager mehr als zwei Stunden lang – in der Hoffnung, dass die Medikament­e anschlagen und das Blutgerinn­ungssystem, das die Bakterien lahmgelegt hatten, wieder in Gang bringen würden. Christof Metzler: „Ich vermute aber, die Einblutung­en waren nicht nur in der Haut, sondern auch im Kopf und vor allem im Herzmuskel, weshalb das Herz nicht mehr schlagen konnte.“Der Sprecher der Kinderund Jugendärzt­e am Bodensee ist überzeugt: Eine Impfung gegen Meningokok­ken B hätte den Jungen bewahrt, krank zu werden.

Auch der kleine Luca war nicht geimpft, hat die Infektion aber überlebt. Vermutlich waren an dem Montag im Januar gleich mehrere Schutzenge­l für den Zweijährig­en im Einsatz. Denn Dr. Metzler hatte den Dienst notfallmäß­ig für eine an Corona erkrankte Kollegin übernommen, sonst wäre die Praxis geschlosse­n geblieben.

Dazukommt, dass der Arzt auf dem Weg mit seinem Roller nach Friedrichs­hafen im Kreisverke­hr in Eriskirch-Schlatt von einem Auto angefahren wurde: „Ich bin über die Straße geflogen und habe mir Hüfte und Schulter geprellt. Glückliche­rweise bin ich aber auf meinen Rucksack gefallen, und es ist nichts Schlimmere­s passiert. Meine Stieftocht­er hat mich abgeholt und in die Praxis gefahren“, erzählt der Doktor. Hätte er sich gröber verletzt, wäre aus Lucas Termin am Vormittag nichts geworden. Christof Metzler betont: „Dann hätte es für den Jungen zu spät sein können.“

Auf seinem Youtube-Kanal „Der Kinderarzt vom Bodensee“zeigt Christof Metzler unter anderem, warum er sich grundsätzl­ich für Impfungen ausspricht.

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FOTO: PR Wirbelt wieder auf dem Spielplatz herum: Luca hat seine Meningokok­ken-Infektion gut überstande­n – nicht zuletzt dank Dr. Christof Metzler.

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