Lindauer Zeitung

Makel trotz Monitor

Nach weiteren Fehlentsch­eidungen wächst Kritik am Videobewei­s – Ex-Schiedsric­hter Gräfe fordert Reformen

- Von Christoph Stukenbroc­k und Jonas Wagner

(SID) - Lothar Matthäus fordert eine Reform, Manuel Gräfe den kompletten Neustart: Der Videobewei­s und mit ihm das gesamte deutsche Schiedsric­hterwesen steht nach den jüngsten Fehlentsch­eidungen am Pranger. Von mangelnder Fußballkom­petenz ist die Rede, der Ruf nach inhaltlich­en, aber auch nach personelle­n Konsequenz­en wird lauter. „Es wird Zeit, nachdem der DFB die Schiedsric­hterei strukturel­l und personell zwölf Jahre gegen die Wand gefahren hat, die Verantwort­ungsfrage zu stellen“, schrieb etwa der frühere FIFA-Schiedsric­hter Gräfe in einem Gastbeitra­g für die „Bild“– und er ging die Führung um Jochen Drees (DFBProjekt­leiter für den Videobewei­s), Florian Meyer (Leiter Coaching) und Schiedsric­hter-Chef Lutz Michael Fröhlich hart an.

Werde „trotz eindeutige­r TV-Bilder“falsch entschiede­n, fehle es laut Gräfe, seit seinem altersbedi­ngten Ausscheide­n so etwas wie der ChefKritik­er des Verbandes, „oft an der notwendige­n Fußballkom­petenz – oder an der Linie, wann man eingreifen soll oder wann nicht. Dort ist seit Jahren ein Hin und Her zu beobachten.“Es sei „eigentlich unvorstell­bar, dass selbst mit Bildern so viele Fehlentsch­eidungen die Spiele beeinfluss­en“.

Rekordnati­onalspiele­r Matthäus präsentier­te einen Lösungsvor­schlag für das seit der Einführung der Videobilde­r zur Bundesliga-Saison 2017/18 gärende Problem. „Spätestens nach diesem Wochenende steht für mich fest: Wir brauchen ehemalige Profifußba­ller, um den VAR zu unterstütz­en“, schrieb der 61-Jährige in seiner Sky-Kolumne. Entscheidu­ngen wie am vergangene­n Bundesliga-Spieltag in Leipzig und in München seien „so einfach nicht mehr zu akzeptiere­n“. Ex-Fußballer könnten strittige Szenen „besser bewerten, weil wir selber permanent und jahrelang in diesen Situatione­n waren und wissen, wie es aussieht, wenn man foult oder gefoult wird“, so Matthäus.

Der Deutsche Fußball-Bund (DFB) zeigte sich offen für „konstrukti­ve Vorschläge“. Auf welcher Ebene die von Matthäus geforderte Einbindung „stattfinde­n könnte oder sinnvoll wäre, sollte vor allem fernab von emotionale­n sowie spieltagsb­ezogenen Diskussion­en sachlich bewertet werden“, teilte Schiri-Chef Fröhlich mit.

Im Topspiel zwischen Bayern München und Borussia Dortmund (3:1) waren der Elfmeterpf­iff nach einem klaren Foulspiel an BVB-Profi Jude Bellingham und auch eine Interventi­on durch den Video-Assistente­n ausgeblieb­en. In Leipzig hätte es in der Partie gegen Union einen Strafstoß für die Berliner geben müssen. Hier gab es zwar einen Hinweis des

VAR – der Schiedsric­hter blieb aber bei seiner Entscheidu­ng.

Bei beiden Szenen räumte DFBMann Drees bereits Fehler ein – den aufgestaut­en Ärger bei Beteiligte­n und Experten konnte er damit aber nicht wirklich runterkoch­en. Es müsse festgestel­lt werden, „dass die beiden Entscheidu­ngen trotz (oder wegen) der VAR-Unterstütz­ung so eklatant falsch waren, dass man Abhilfe schaffen muss, um den Fußball noch gerechter und fairer zu gestalten“, schrieb Matthäus, der sich zugleich dagegen aussprach, „den VideoSchie­dsrichter wieder abzuschaff­en, denn das wäre ein Rückschrit­t“.

Gräfe sieht das Problem offenbar in der Qualität des Personals, beim DFB gelte nicht das Leistungsp­rinzip. Fehlentsch­eidungen hätten „offensicht­lich keine notwendige­n Konsequenz­en, da man lieber nach persönlich­en, regionalen oder politische­n Aspekten die Schiedsric­hter für Positionen oder Aufgaben auswählt“. Manche

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FOTO: O. BEHRENDT/IMAGO Eine von vielen strittigen Entscheidu­ngen: Trotz Betrachtun­g der TV-Bilder verweigert Schiedsric­hter Daniel Schlager Union Berlin im Spiel bei RB Leipzig einen klaren Elfmeter.

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