Ein Bündnis für 400 000 neue Wohnungen in Deutschland
Bauministerin Geywitz will zusammen mit Bauwirtschaft und Verbänden mehr bezahlbaren Wohnraum schaffen
- Eigentlich hatte Bauministerin Klara Geywitz (SPD) nach Berlin geladen, weil sie Unterstützer braucht, wenn wirklich 400 000 neue Wohnungen pro Jahr in Deutschland entstehen sollen. Doch schon vor Beginn der Auftaktveranstaltung des Bündnisses für sozialen Wohnraum ist klar, dass die Baubranche selbst Sorgen hat. Es ist sogar richtig Druck im Kessel – vor allem wegen der rasant steigenden Preise für Baustoffe, die verlässliche Kalkulationen kaum mehr möglich machen. Die Rahmenbedingungen seien schwierig, räumt die Ministerin ein. Aber wegen des Ukraine-Krieges würden in Deutschland sogar noch mehr Wohnungen gebraucht.
Die SPD-Politikerin, die seit Dezember das neu geschaffene Ministerium für Wohnen, Bauen und Stadtentwicklung führt, steht selbst unter Druck. Mit der Hausnummer 400 000 neue Wohnungen pro Jahr, davon 100 000 im sozialen Wohnungsbau, wollte die Ampel-Regierung zeigen, dass sie sehr viel entschlossener als die Vorgänger bezahlbaren Wohnraum in Deutschland schaffen will. Jährlich fallen nach wie vor rund 30 000 Wohnungen aus der Sozialbindung, dafür sollte ein Ausgleich geschaffen werden. Und – das macht die Sache komplizierter und teurer: Aus Häusern und Gebäuden sollen künftig wesentlich weniger Treibhausgase entweichen.
Wohnen dürfe „nicht länger eine soziale Frage sein“, sagt Geywitz und knüpfte damit, zumindest verbal, an ihren Vorgänger Horst Seehofer an. Auch er hatte im angespannten Wohnungsmarkt eine soziale Frage gesehen, blieb allerdings beim Wohnungsbau hinter seinen selbst gesteckten Zielen zurück. Geywitz verwies auch auf die Flüchtlinge aus der Ukraine, um deutlich zu machen, dass trotz aller Schwierigkeiten neue Wohnungen notwendig seien.
Doch Baugewerbe und Bauunternehmer bezweifeln, dass das 400 000-Wohnungen-Ziel realistisch ist. „Das werden wir nicht schaffen“, sagt Gerald Lipka, Geschäftsführer
des Landesverbands Freier Immobilien- und Wohnungsunternehmen Baden-Württemberg der „Schwäbischen Zeitung“. Neben den bisherigen Problemen wie der Fachkräftemangel machten nun auch Lieferengpässe den Bauunternehmen zu schaffen. „Der Wohnungsbau verliert bereits an Schwung“, teilt Reinhard Quast, Präsident des Zentralverbandes Deutsches Baugewerbe mit. Deshalb brauche es Reformen, „damit das Bauen günstiger, schneller und unkomplizierter wird“. Und der Präsident des Spitzenverbands der Wohnungswirtschaft, Axel Gedaschko, mahnt: „Der dringend benötigte Wohnungsbau und die klimaschonende Sanierung stehen in Deutschland kurz vor dem Erliegen.“
Es braucht aber auch Bauland. Die hohen Preise für Grundstücke in Deutschland seien ein zentraler Punkt , warum Wohnen so teuer ist, betonen Mieterverbände wie Bauwirtschaft gleichermaßen. Die Bauministerin will deshalb andere Wege gehen, um Wohnraum zu schaffen. Vor allem in den Städten sieht sie Potenzial, Wohnungen zu bauen ohne dafür neue Flächen zu versiegeln. Stattdessen sollen Gebäude aufgestockt, Baulücken geschlossen und nicht genutzte Gebäude umfunktioniert werden, wie es in dem Entwurf der Abschlusserklärung des Bündnisses bezahlbarer Wohnraum heißt. Städte sollen also insgesamt dichter bebaut werden.
Doch reicht das, um das Wohnbau-Projekt voranzutreiben? Bauunternehmer wünschen sich von der Politik auch stabile Rahmenbedingungen. Das betrifft vor allem ihre Förderpolitik. „Es braucht langfristige Verlässlichkeit“, sagt Lipka mit Verweis auf das abrupte Ende von KfW-Förderungen in den vergangenen Wochen und Monaten.
Trotz der Kritik an der Ampel-Koalition will Geywitz alle ins Boot holen – auch Gewerkschaften, Mieterverbände und Naturschützer – um ihr Ziel 400 000 neue Wohnungen zu erreichen. Bis zum Herbst soll sich das Bündnis für bezahlbaren Wohnraum auf Vorhaben einigen, die es dann nur noch umzusetzen gilt.