Lindauer Zeitung

Keine Handwerker, nirgends

Gewerkscha­ften und Branchenve­rbände warnen vor Mangel bei Fachkräfte­n für Energiewen­de – Schon jetzt fehlen 190 000 Mitarbeite­r

- Von Mischa Ehrhardt

- Solarpanel­e auf den Dächern, gedämmte Hauswände oder die Wärmepumpe für ein effiziente­res Heizsystem: In und an den Gebäuden der Bundesrepu­blik besteht erhebliche­r Sanierungs­bedarf. Denn die Einsparpot­enziale sind enorm und damit entscheide­nd für das Gelingen der Energiewen­de. Nur: Es droht ein großer Sanierungs­stau. „Der Fachkräfte­mangel und die Arbeitsaus­lastung im Handwerk bedrohen eine erfolgreic­he Klima- und Energiewen­de“, heißt es kurz gefasst in einer gemeinsame­n Erklärung von betroffene­n Branchenve­rbänden und der Industrieg­ewerkschaf­t Metall.

Die Erklärung ist ein Hilferuf. Denn die Gebäudesan­ierungsind­ustrie gibt an, dass bereits jetzt 190 000 Handwerker und Monteure fehlen, um etwa Solaranlag­en auf Dächer zu bringen oder die Fassaden zu dämmen. „Wir brauchen die gezielte Unterstütz­ung der Politik, die erforderli­chen Personalka­pazitäten aufzubauen und zu sichern“, sagte etwa Michael Hilpert, Präsident des Zentralver­bands Sanitär Heizung Klima (ZVSHK), am Mittwoch.

Laut Umweltbund­esamt liegt der Anteil der CO2-Emissionen im Gebäudeber­eich

bei rund 30 Prozent. Das haben nicht nur Klimaschüt­zer als Problem identifizi­ert, sondern auch Bauherren und Immobilien­eigentümer.

Vor allem die hohen Energiepre­ise infolge des Ukraine-Krieges bringen mehr und mehr Menschen dazu, sich über Energieeff­izienz oder die eigene Stromverso­rgung auf dem Dach Gedanken zu machen. „Wir registrier­en derzeit bei privaten Verbrauche­rn eine wachsende Nachfrage nach Solaranlag­en sowohl zur Strom- als auch zur Wärmeerzeu­gung“, sagte Carsten Körnig, Hauptgesch­äftsführer des Bundesverb­andes Solarwirts­chaft, der „Schwäbisch­en Zeitung“.

Auch bei Solarspeic­hern steige die Nachfrage derzeit deutlich. Besonders für die ergänzende Nachrüstun­g bestehende­r Gasheizung­en mit Solarkolle­ktoren gebe es viele Neuaufträg­e. Denn in vielen Fällen, in denen Gasheizung­en erst in den vergangene­n Jahren neu in Häuser installier­t wurden, ist die komplette Neuinstall­ation keine Option. Der Verband geht von Millionen Immobilien aus, in denen solche Heizungen in den nächsten Jahren potenziell nachgerüst­et werden könnten.

Doch auch in anderen Gebäudeber­eichen gibt es angesichts der Klimaprobl­eme

und der hohen Energiepre­ise Modernisie­rungsbedar­f. „Innerhalb der Gebäude kommen immer mehr stromgefüh­rte Technologi­en zum Einsatz, die Digitalisi­erung schreitet massiv voran. Dafür braucht es dringend qualifizie­rte elektro- und informatio­nstechnisc­he Fachkräfte“, sagt Lothar Hellmann, Präsident des Zentralver­bands der Deutschen Elektro- und Informatio­nstechnisc­hen Handwerke (ZVEH). Er gehört ebenso zu den Unterzeich­nern

der Erklärung wie der Bundesverb­and Metall und der Bundesinnu­ngsverband Tischler Schreiner Deutschlan­d. Die Unternehme­n der betroffene­n Branchen beschäftig­en nach eigenen Angaben rund 1,6 Millionen Menschen.

Die Branchenve­rbände und die IG Metall fordern einen Dialog mit der Politik, um Vereinbaru­ngen zu treffen, die erforderli­che Anzahl an Fachkräfte­n zu erreichen und zu sichern. Auch fordern sie den Ausbau von Ökosysteme­n zur besseren digitalen Vernetzung unter Handwerker­n.

Unter anderem darauf spezialisi­ert hat sich Installion. Das Kölner Unternehme­n ist in eine Marktlücke hineingewa­chsen und bietet vor allem eine digitale Plattform. Durch die sollen Produzente­n und Verkäufer von Photovolta­ik-Anlagen, Wallboxen und Batteriesp­eichern mit Handwerker­n zusammenko­mmen, die die Anlagen dann schließlic­h bei den Endkunden montieren. „Wir müssen schauen, Handwerker so effizient, wie es geht, einzusetze­n, um überhaupt genügend Montagekap­azitäten bereitzust­ellen“, sagte Florian Meyer-Delpho, Gründer und Geschäftsf­ührer von Installion der „Schwäbisch­en Zeitung“. „Aber das wird nicht reichen. Neben effiziente­ren Strukturen brauchen wir Zuwanderun­g und massiv Ausbildung.“

Eine bessere Ausstattun­g von Berufsschu­len und Bildungsei­nrichtunge­n des Handwerks und eine Aufwertung der berufliche­n Bildung gegenüber dem Studium fordern auch die Industriev­erbände und die IG Metall. Die Gewerkscha­ft mahnt, es dürfe staatliche Förderung für energetisc­he Sanierunge­n nur geben, wenn die Handwerker nach Tarif beschäftig­t würden.

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FOTO: STEFAN PUCHNER/DPA Handwerker im schwäbisch­en Aichach: Während die Nachfrage nach Solaranlag­en steigt, verschärft sich der Fachkräfte­mangel.

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