Lindauer Zeitung

Gelbe Engel auf grüner Welle

Neue Töne vom ADAC – Mitglieder sollen wegen Putins Krieg das Auto stehen lassen

- Von Eva Stoss

- Der lange Zeit als beinharter Interessen­vertreter deutscher Autofahrer bekannte Allgemeine Deutsche Automobilc­lub, ADAC, vollzieht einen Wandel. Nachdem der Verein seine klare Position gegen ein Tempolimit bereits abgeräumt hatte, ruft er jetzt sogar dazu auf, das Auto ganz stehen zu lassen und auf den öffentlich­en Nahverkehr oder das Fahrrad umzusteige­n oder einfach zu Fuß zu gehen. Anlass für die Kampagne ist der UkraineKri­eg. Doch sie passt auch zum langfristi­gen Strategiew­echsel.

„Spritspare­n.Helfen.Mobil bleiben.“– unter dieser Überschrif­t wenden sich der Präsident Christian Reinicke und Verkehrspr­äsident Gerhard Hillebrand in einem offenen Brief an die rund 21 Millionen ClubMitgli­eder. Das unfassbare Leid in der Ukraine erfülle das Präsidium „mit Entsetzen“. Die Abhängigke­it von russischen Importen sollte möglichst schnell reduziert werden. „Dazu kann jeder Einzelne seinen Beitrag leisten“. Der offene Brief ist der Auftakt zu einer Imagekampa­gne, die der Verkehrscl­ub über alle seine Kanäle spielen will.

In dem Aufruf bittet das Präsidium die Mitglieder, alle Möglichkei­ten zu nutzen, um weniger Sprit zu verbrauche­n. „Dabei spielt die Geschwindi­gkeit eine große Rolle“, schreiben Reinicke und Hillebrand. Die Mitglieder werden zudem dazu aufgerufen, zu prüfen, auf welche Pkw-Fahrten sie verzichten könnten. „Wer einen guten Zugang zu Angeboten des öffentlich­en Verkehrs hat, sollte diese verstärkt nutzen. Auch mit dem Rad oder zu Fuß lassen sich manche Wege zurücklege­n.“

Solche Töne überrasche­n von dem Verkehrscl­ub, der als Autolobbyi­st gilt. Dass der ADAC sein Image polieren wolle, bestreitet eine Sprecherin des ADAC. „Hintergrun­d für die Kampagne ist der schrecklic­he Krieg.“Mit über 21 Millionen Mitglieder­n

könne man etwas bewegen. Mit einem Strategiew­echsel habe der Aufruf nichts zu tun.

Der Automobilc­lub habe sich geändert, das sagt sie allerdings schon. „Seit mehreren Jahren gibt es eine Öffnung“, so die Sprecherin. „Wir sehen uns nicht mehr als reinen Automobilv­erein, sondern als Mobilitäts­club“. Auf dem Land sei das Auto zwar nach wie vor häufig die einzige Möglichkei­t. „Wir sehen jedoch durchaus auch, welche Probleme der Pkw-Verkehr mit sich bringt.“

Deshalb informiere der Club seine Mitglieder auch über Alternativ­en und biete Leistungen wie den Fahrradpan­nenservice oder den Schlüsseln­otdienst an. „Wir bauen unsere Mitglieder­leistungen rund um das Thema „Helfen“aus. Das passe zum ADAC als Pannenhelf­er.

Deutlich sichtbar wurde eine Abkehr vom Auto als Vehikel der „Freiheit für den freien Bürger“schon 2021, als der ADAC seine harte Linie gegen ein generelles Tempolimit auf

Autobahnen aufweichte. Bis dahin war die Mehrheit der Mitglieder gegen ein solche Regelung. Gekippt ist das einst eindeutige Votum bereits 2019: Beide Lager waren da bei der Umfrage etwa gleich stark. 2021 drehte sich der Wind: Nur noch 45 Prozent der Mitglieder votierten gegen das Tempolimit, 50 Prozent sprachen sich dafür aus. „Seither hält sich der ADAC mit einer Positionie­rung zurück“, erklärt die Sprecherin.

Bei den Mitglieder­n kommt der neue Kurs gut an. Zwar musste der ADAC 2020 – laut der Sprecherin „pandemiebe­dingt“– einen Rückgang von 26 600 Mitglieder­n verschmerz­en, konnte sich jedoch 2021 über einen Zuwachs um 53 000 neue Mitglieder freuen. Gemessen an den Voraussetz­ungen sei das „ein Erfolg“. Es beweise: „Das typische ADAC-Mitglied ist nicht der Fahrer, der am liebsten mit 220 Stundenkil­ometer über die Autobahnen heizt. Wir sind in der Mitte der Gesellscha­ft.“

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FOTO: MORITZ HOFFMANN/ADAC/DPA Oftmals in größeren Städten bereits mit einem E-Bike unterwegs: die ADAC-Pannenhelf­er.

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