Dick aufgetragen im doppelten Sinne
Die Austellung zu Dieter Krieg im Kloster Schussenried gewährt einen Blick in sein Gesamtwerk
- Im ersten Obergeschoss des Klosters Schussenried fühlt man sich derzeit trotz der Stille in den Ausstellungsräumen lautstark attackiert: die großformatigen pastosen Malereien von Dieter Krieg drängen sich dem Betrachtenden förmlich auf, fordern ihn heraus und lassen ihn vielfach ratlos. Es ist eine Retrospektive auf 40 Jahre künstlerische Arbeit und alle Schaffensphasen dieses in Kunstkreisen sehr geschätzten Malers.
Dieter Krieg (1937-2005) stammte aus Lindau und studierte 1958 bis 1962 an der Kunstakademie Karlsruhe bei HAP Grieshaber und Herbert Kitzel. Er hatte früh Erfolg: Seine erste Einzelausstellung richtete ihm bereits 1966 der Badische Kunstverein aus, die erste Soloshow im Museum 1972 die Kunsthalle Darmstadt. 1971 erhielt Krieg einen Gastlehrauftrag an der Karlsruher Akademie, ab 1975 lehrte er dann an der Städelschule in Frankfurt am Main. 1978 bis 2002 wirkte Krieg als Professor für Malerei an der Düsseldorfer Kunstakademie; er lebte und arbeitete im nordhein-westfälischen Quadrath-Ichendorf. Der anerkannte Kunstlehrer war seit den 1960er-Jahren bis zu seinem Tod immer auch selbst künstlerisch tätig. Um sein umfangreiches
Werk kümmert sich eine von dem Ehepaar Dieter und Irene Krieg 2004 gegründete Stiftung, die von den Galeristen Klaus Gerrit und Christiane Friese und dem Künstler Jürgen Knubben, der diese Ausstellung kuratierte, geleitet wird.
Die frühen Arbeiten der 1960erund 1970er-Jahre gehören der konkreten Kunst an mit teils nur angedeuteten abstrakten Sujets in grau pastelligen Zeichnungen. Ein Riesenkontrast zum Hauptteil der Ausstellung aus den folgenden zwei Jahrzehnten, den man figurativ nennen kann: Da glotzen einen aus zwei Meter hohen Gemälden deformierte Köpfe an, ob Menschen oder geschundene Tiere ist fraglich, wenn die Titel schweigen. Grelle Farben, starre Blicke, immer nur ein Auge leuchtet, ob aus Angst oder Verzweiflung ist schwierig zu deuten.
Im nächsten Raum dann dreimal ein Spazierstock mit Gummipuffer und großem Rundhaken: von einer Art rosa Wurst – vermutlich die von Krieg öfter zitierte „Malwurst“– umwickelt, mit einem gefalteten Tuch und einem blutigen Fleischbatzen behängt oder von einem grünen Band umwunden, alles übertrieben pastos gemalt. Auf einem Riesenquerformat liegt ein gelbes Stück Seife auf einer abgeschnittenen roten Zunge, nur deshalb Seife, weil es darauf geschrieben steht. Es folgen angedeutete Figuren im Großformat mit heraushängenden Fleischklumpen oder grellfarbige organische oder undefinierbare Einzelteile. Ein Dackel in poppigen Farben mit Riesenzunge (1998) nimmt sich darin etwas verloren aus.
Den Abschluss bildet eine ganze Serie von Textbildern in Krakelschrift aus dem Jahr 2004, allesamt ohne Titel, weil ja alles darauf steht. Muss einem dazu etwas einfallen? Nicht unbedingt, es könnte auch ein Bild gewordener Kalauer sein, wie in der Darstellung eines Bierstiefels mit dem Wort „Prostata“: dick aufgetragen, aber wenig tiefgründig.
Dauer: bis 11. September, Öffnungszeiten: dienstags bis freitags, 10 bis 13 Uhr und 14 bis 17 Uhr, samstags, sonntags und feiertags 10-17 Uhr.