Dieser Künstler malt mit Licht
Gregor Eisenmann illuminiert das Lindauer Kunstmuseum und die Kirche St. Verena
- Wenn Gregor Eisenmann ein Gebäude bemalt, dann benötigt er dafür kein Baugerüst, keine Farbeimer und keine Pinsel. Stattdessen braucht er das Dunkel der Nacht, einen Computer und mehrere große Beamer. Denn er malt mit Licht. Der Künstler mit Wurzeln in der Bodenseeregion verwandelt Gebäude in Fantasiegebilde, lässt Formen und Figuren aus Licht über ihre Mauern tanzen, löst Strukturen auf, fügt sie wieder zusammen und schafft eine neue, vergängliche Wirklichkeit. In Lindau ist dies innerhalb kurzer Zeit gleich zweimal zu erleben: am 29. April am Kunstmuseum auf der Insel und am 14. und 15. Mai an der evangelischen Kirche St. Verena in Reutin.
Dass diese beiden Ereignisse so eng beieinander liegen, ist Zufall und hat zugleich einen besonderen Reiz, weil die beleuchteten Gebäude und die jeweiligen Anlässe sehr unterschiedlich sind. Die evangelische Kirchengemeinde in Reutin hatte das „Kirchleuchten“eigentlich schon im vergangenen Jahr geplant, um damit das 150-jährige Bestehen ihrer Kirche St. Verena zu feiern. Doch wegen Corona wurden alle Jubiläumsveranstaltungen auf Mai dieses Jahres verschoben. Das Lindauer Kulturamt wiederum hat sich in diesem Jahr entschlossen, aus der Vernissage der Sonderausstellung „Mythos Natur“mit Hilfe der Lichtkunst einen Abend der Begegnung mit Benefizcharakter zugunsten von Opfern des Ukraine-Kriegs zu machen.
So kommt es, dass Gregor Eisenmann innerhalb kurzer Zeit zwei verschiedene Beleuchtungskonzepte für zwei sehr unterschiedliche Gebäude in Lindau entwickelt: einerseits für die großflächige und farbige Fassade des Kunstmuseums auf der Insel, andererseits für die verwinkelte und überwiegend weiß getünchte Kirche St. Verena in Reutin.
Um seine Lichtinstallationen vorzubereiten, befasst er sich intensiv mit den Strukturen und Details dieser Gebäude und ihrer jeweiligen Umgebung. Was dabei herauskommen kann, haben die Lindauer bereits 2019 erlebt: Damals illuminierte der Künstler den Leuchtturm im Lindauer Hafen anlässlich der Hundertwasser-Ausstellung.
„Ich gehe sehr intuitiv vor“, erzählt der 38-Jährige jetzt, während sein wacher Blick an den Mauern von St. Verena entlang wandert: vom Sakristeianbau hinauf zum frisch renovierten Turm, von den Gebäudekanten zu den Fenstern, von der hölzernen Eingangstür zur Sandsteinbalustrade. Hier kann er sich zum Beispiel gut vorstellen, die vorhandenen Ornamente mit überdimensionalen Darstellungen zu verbinden.
Vielleicht, so überlegt er, würde er auch Intarsien aus dem Bodenbelag an den Wänden entlang tanzen lassen. Oder er könnte Sterne am Kirchturm aufblitzen lassen und so ins Kosmische verweisen. Wie auch immer: Seine Lichtinstallation soll eine Auseinandersetzung mit den Strukturen des Gebäudes und den
Inhalten der Kirche sein, kündigt er an. Eine Kirche mit Licht zu bemalen, bezeichnet er als eine reizvolle Aufgabe, die hier zugleich viel Sensibilität erfordert, da sich St. Verena inmitten eines Friedhofs befindet.
Entsprechend behutsam will Gregor Eisenmann vorgehen und kündigt zugleich vielversprechend an: „Wenn man vor der beleuchteten Kirche steht, wird man sie zum Teil nicht wiedererkennen.“Und wenngleich seine Lichtkunst vergänglich ist, so ist er doch überzeugt, dass ihr etwas Bleibendes innewohnt: „Wenn die Menschen danach hier wieder vorbeikommen, dann werden sie die Kirche erneut bunt und farbenfroh erleben, zumindest in ihrer Erinnerung“, sagt der Künstler, der auch privat eine Verbindung zu St. Verena hat.
Denn hier hat er schon mehrere Weihnachtsgottesdienste mitgefeiert. Gregor Eisenmann ist nämlich mit der Lindauerin Camilla Weithmann verheiratet und hat auch selbst Wurzeln in der Bodenseeregion: Er ist in Heiligenberg aufgewachsen. Inzwischen hat die junge Familie zwei kleine Kinder, lebt in Wuppertal und kommt mehrmals im Jahr an den Bodensee, um die Eltern und Schwiegereltern zu besuchen.
Derzeit ist Gregor Eisenmann wieder hier, um seine Lichtinstallationen vorzubereiten. Mehrere Wochen braucht er dafür.
Er macht ein „Probeleuchten“, scannt das Gebäude, erfasst Proportionen, vermisst die Projektionsflächen und legt die Positionen seiner Beamer fest. Dann überlegt er sich das Beleuchtungskonzept und malt die Motive dafür – zum Teil ganz herkömmlich mit Pinsel auf Papier, zum Teil am Computer. Aus diesen Bildern wiederum erstellt er ein etwa 15-minütiges Video, das sich aus mehreren Themenblöcken zusammensetzt. Dieses Video wird auf verschiedene Beamer verteilt und durch die Lichtprojektionen am Gebäude wieder zusammengesetzt. So geht er auch bei der Beleuchtung des Kunstmuseums vor.
Hier will er das Ausstellungsthema „Mythos Natur“aufgreifen und sich an den Kunstepochen Impressionismus und Expressionismus orientieren. Das Projektionsvideo wird auch hier ab Einbruch der Dunkelheit gezeigt und im Laufe des Abends mehrfach wiederholt. „Oft gucken es die Leute drei bis vier Mal an, weil sie auch in den Wiederholungen immer wieder etwas Neues entdecken. Denn ich arbeite sehr detailreich“, berichtet Eisenmann. „Auch die Musik für meine Shows produziere ich selbst und engagiere die Musiker dafür.“So habe die aus Lindau stammende Barockcellistin Anna Zimre die Musik für die Illuminierung des Kunstmuseums eingespielt.
Gregor Eisenmann ist indes nicht auf eine künstlerische Ausdrucksform festgelegt. Er hat Kommunikationsdesign studiert und arbeitet als freischaffender Künstler.
Sein Schwerpunkt lag, wie er erzählt, zunächst auf der Malerei und verlagerte sich im Laufe der Zeit zunehmend auf Medienkunst. Unter anderem erstellt er digitale Bühnenbilder für Opernhäuser.
Neuerdings besitzt er ein großes aufblasbares Museum, für das er diverse Lichtinstallationen mit dem Tanztheater Wuppertal produziert hat. Als er dies erzählt, schweifen seine Gedanken in die Zukunft: „Ich würde es hier gerne mal auf einer Wiese im Rahmen eines großen Kunstprojektes aufstellen“, sagt er.
Gregor Eisenmann illuminiert das Kunstmuseum auf der
Insel am Freitag, 29. April, zur Vernissage der Sonderausstellung „Mythos Natur“. Am Samstag und Sonntag, 14. und 15. Mai, folgt das „Kirchleuchten“an der evangelischen Kirche St. Verena in Reutin, die vor rund 150 Jahren gebaut und eingeweiht wurde. Die Lichtinstallationen sind jeweils ab Einbruch der Dunkelheit zu sehen. Zum Kirchenjubiläum gibt es zwei weitere Veranstaltungen: Am Samstag, 7. Mai, 19 Uhr gastiert in der Kirche St. Verena die Musikgruppe Vuimera. Ihre Klänge bewegen sich zwischen einem weichen Jazz und zeitgenössischen Melodielinien. Karten für 20 Euro gibt es im Pfarrbüro im kiez. Für Kinder und Jugendliche ist der Eintritt frei, aber eine Platzreservierung nötig. Am Sonntag, 8. Mai,
10.15 Uhr feiert die Gemeinde einen Festgottesdienst, bei dem Kinder Szenen aus der 150jährigen Geschichte von St. Verena darbieten. Die Predigt hält Dekan Jörg Dittmar aus Kempten. Anmeldung ist per E-Mail unter pfarramt.stverena.li@elkb.de erforderlich.