Wer schadet am Ende wem?
Gerne wird mit Blick auf Energiesanktionen gegen Russland das Bild einer isolierten Bundesrepublik gezeichnet, die als einziges Land in Europa harte Maßnahmen gegen Moskau verhindert. Mit dem für viele überraschenden Schwenk, den die Berliner Befürwortung eines russischen Öl-Embargos bedeutet, wurde deutlich, dass andere Länder sich auch gerne hinter Deutschland verstecken – wie Ungarn, das unverhohlen ein Veto gegen Energiesanktionen angekündigt hat. Der Schaden für das eigene Land sei zu groß, heißt es aus Budapest.
Für Deutschland hingegen sei ein Verzicht auf russisches Öl machbar, versichert die Bundesregierung. Für den größten Teil der Republik wird er wahrscheinlich vor allem steigende Preise bedeuten. Hart könnte er jedoch Berlin, Brandenburg und Teile Mecklenburg-Vorpommerns treffen, wo auch Versorgungsengpässe möglich sind. Die Regionen werden durch die Ölraffinerie Schwedt versorgt, die dem russischen Staatskonzern Rosneft gehört und an der russischen Druschba-Pipeline hängt. Egal ob bei Feuerwehren, Tankstellen oder den Flugzeugen am Berliner Flughafen – ohne die Kraftstoffe aus Schwedt steht in der Region das mobile Leben still. Die Bundesregierung will das Problem durch Lieferungen aus Rostock und Polen lösen, ein Gesetz soll auch eine Enteignung der Raffinerie ermöglichen.
Allerdings kann man davon ausgehen, dass der Kreml einen solchen Schritt nicht unbeantwortet ließe und als Retoure womöglich den Gashahn zudrehen wird. Für Deutschland und seine östlichen Nachbarn bedeute das einen schweren Wirtschaftsschock. Russland hingegen könnte angesichts steigender Preise am Weltmarkt Verluste womöglich kompensieren. Experten warnen daher schon länger, dass Zölle auf russisches Öl möglicherweise der bessere Weg wären. Die Vorschläge aus Brüssel lesen sich dementsprechend kompliziert. Denn es ist alles andere als ausgemacht, wem Öl- und Gasembargos am Ende mehr schaden. Die hysterische Debatte darüber wird der Komplexität der Herausforderung nicht gerecht.