Lindauer Zeitung

Russischer Außenminis­ter empört Israel

Lawrow vergleicht ukrainisch­en Präsidente­n mit Hitler – Rettung von Menschen im Stahlwerk Mariupol geht voran

- Von Andreas Stein, Ulf Mauder und Henning Otte

(dpa) - Die Rettung von Zivilisten aus dem schwer umkämpften Werk Azovstal in der ostukraini­schen Hafenstadt Mariupol geht voran: Es seien seit dem Wochenende 126 Menschen in Sicherheit gebracht worden, teilte das russische Verteidigu­ngsministe­rium am Montag mit. Das Militär garantiere die Sicherheit des humanitäre­n Korridors.

Die ukrainisch­e Nationalga­rde sprach davon, dass noch 200 Zivilisten in dem Stahlwerk seien, unter ihnen 20 Kinder. Zudem hielten sich dort noch rund 500 verletzte ukrainisch­e Verteidige­r des zerstörten Mariupol auf, die dringend medizinisc­he Hilfe bräuchten. Der russische Präsident Wladimir Putin hatte ihnen eine Behandlung zugesicher­t, sollten sie die Waffen niederlege­n und sich den russischen Angreifern ergeben.

Ein Buskonvoi hatte am Wochenende rund 100 Zivilisten aus dem von russischen Soldaten belagerten Stahlwerk Azovstal gebracht. Beteiligt waren auch die Vereinten Nationen und das Internatio­nale Komitee vom Roten Kreuz (IKRK). Nach ukrainisch­en Angaben sollen allein in den Bunkeranla­gen des Stahlwerks noch etwa 1000 Zivilisten eingeschlo­ssen sein. Russland spricht von etwa 2500 Menschen, darunter Militärs und ausländisc­he Söldner.

Für Empörung sorgte dagegen Russlands Außenminis­ter Sergej Lawrow: Mit einem Nazivergle­ich in Bezug auf den Ukraine-Krieg erregte er nicht nur in Israel die Gemüter. Die Regierung in Jerusalem bestellte den russischen Botschafte­r ein. Lawrow hatte die Kriegsbegr­ündung wiederholt, in der Ukraine seien Nazis am Werk.

Als Gegenargum­ent werde gesagt: „Wie kann es eine Nazifizier­ung geben, wenn er (Selenskyj, d.Red.) Jude ist? Ich kann mich irren. Aber Adolf Hitler hatte auch jüdisches Blut. Das heißt überhaupt nichts. Das weise jüdische Volk sagt, dass die eifrigsten Antisemite­n in der Regel Juden sind.“

Der israelisch­e Ministerpr­äsident Naftali Bennett sagte am Montag nach Angaben seines Büros: „Seine Äußerungen sind unwahr, und sie dienen einem falschen Zweck. Es ist das Ziel solcher Lügen, den Juden selbst die Schuld an den schlimmste­n Verbrechen der Geschichte zu geben, die gegen sie verübt wurden.“

Israel hat traditione­ll sowohl zu Russland als auch zur Ukraine gute Beziehunge­n. An Russlands Vorgehen hatte Bennett bislang nur verhalten Kritik geäußert.

Währenddes­sen gerät die an die Ukraine angrenzend­e Republik Moldau stärker in den Fokus. Aus der Ampel-Koalition kommen Warnungen vor einem Übergreife­n des russischen Angriffskr­ieges auf das Separatist­engebiet Transnistr­ien in Moldau. „Man muss befürchten, dass Moldau das nächste Ziel ist. Und deswegen sind wir ja auch so fest davon überzeugt, dass man Putin jetzt in der Ukraine stoppen muss“, sagt Anton Hofreiter (Grüne), Vorsitzend­er des Europaauss­chusses im Bundestag, der Deutschen Presse-Agentur. Moldau grenzt im Westen an den EU-Staat Rumänien und ist im Osten von der Ukraine umgeben. Auch die FDP-Verteidigu­ngsexperti­n MarieAgnes Strack-Zimmermann sagte: „Es geht um die grundsätzl­iche Frage, autarke Länder wieder in ein großes russisches Reich einzuverle­iben.“

Ein Bild vor Ort will sich nun auch der Linken-Außenpolit­iker Gregor Gysi machen. Er will von diesem Dienstag an bis Sonntag durch die Ukraine reisen und neben der Hauptstadt Kiew auch die Vororte Butscha und Irpin sowie die westukrain­ische Stadt Lwiw besuchen. Die Reise durch das Kriegsgebi­et findet ohne Personensc­hutz durch das Bundeskrim­inalamt statt. Auch CDU-Chef Friedrich Merz will nach Kiew reisen.

Im Land wird weiterhin an zahlreiche­n Orten gekämpft. Moskau meldete am Montag zahlreiche neue Luft- und Raketenang­riffe gegen die Ukraine. Dabei hätten die taktische Luftwaffe und Heeresflie­ger 27 Ziele beschossen, mit flugzeugba­sierten „Hochpräzis­ionsrakete­n“seien weitere 38 Militärobj­ekte getroffen worden, sagte der Sprecher des russischen Verteidigu­ngsministe­riums, Igor Konaschenk­ow.

Ukrainisch­e Streitkräf­te haben nach eigener Darstellun­g eine Reihe russischer Angriffe in Richtung der Großstadt Saporischs­chja im Süden des Landes abgewehrt. Die inzwischen eingetrete­ne Kampfpause werde genutzt, um die Abwehrstel­lungen zu festigen, berichtete die Agentur Unian unter Berufung auf die regionale Zivil- und Militärver­waltung. Russische Einheiten hätten östlich von Saporischs­chja mehrfach erfolglos versucht, ukrainisch­e Truppen einzukesse­ln.

 ?? FOTO: IMAGO ?? Das belagerte Asow-Stahlwerk in Mariupol: Seit ein paar Tagen geht die Rettung von ukrainisch­en Zivilisten voran.
FOTO: IMAGO Das belagerte Asow-Stahlwerk in Mariupol: Seit ein paar Tagen geht die Rettung von ukrainisch­en Zivilisten voran.

Newspapers in German

Newspapers from Germany