Zwischen Kostenexplosion und Klimaschutz
Deutschlands Häuser haben Sanierungsbedarf – Doch viele der gesetzlich geforderten Maßnahmen machen das Wohnen teurer
- Die neue Bundesbauministerin Klara Geywitz (SPD) muss mit einem grenzenlosen Optimismus gesegnet sein. Denn trotz aller Warnund Klagerufe aus der Baubranche hält sie unvermindert an dem Ziel fest, dass in Deutschland jährlich 400 000 neue Wohnungen entstehen sollen. Vielleicht ist es aber auch der Mut der Verzweiflung, der sie antreibt. Klar ist, dass der Handlungsdruck auf die Politik weiter zugenommen hat – auch mit Blick auf Hunderttausende Flüchtlinge aus der Ukraine, die hierzulande ansässig werden könnten. Genau klar ist aber auch: Widriger als derzeit könnten die Bedingungen am Bau kaum sein – und der Wille ersetzt in diesem Fall nicht das Werk.
Wie eine Bugwelle schiebt die Politik die Probleme auf dem Wohnungsmarkt seit Jahren vor sich her, wohlwissend, dass sich ohne staatliches Handeln nichts zum Positiven wendet. So verliert Deutschland seit Jahren bezahlbaren Wohnraum, weil mehr Wohnungen aus der Sozialbindung fallen als neue gebaut werden. Zudem ist der Gebäudebestand in Deutschland in die Jahre gekommen, was sich misslich auf die CO2-Bilanz von Häusern und Wohnungen auswirkt. Bis 2030 müssten die Treihausgasemissionen im Gebäudesektor um mehr als 40 Prozent reduziert werden, um die Klimaziele der Bundesregierung einzuhalten.
Alle verfügbaren Kräfte sollten nun also die Ärmel hochkrempeln, um so viel zu sanieren, modernisieren und zu bauen wie möglich. Doch die Baubranche bremst: „Wir erleben derzeit ein Zusammentreffen vieler Faktoren, die sich in der Summe deutlich dramatischer auswirken, als es in der Corona-Krise der Fall war“, sagt Gerald Lipka, Geschäftsführer des Landesverbands Freier Immobilien- und Wohnungsunternehmen Baden-Württemberg.
Die Faktoren, die den Unternehmern in der Branche den Schwung nehmen, sind bekannt. Es fehlt an Fachkräften, Bauland ist gleichermaßen rar wie teuer, und die Preise für Baumaterial sind in den vergangenen Monaten stark gestiegen, seit dem Ukraine-Krieg in rekordverdächtiger Geschwindigkeit. Dabei mussten Hausbauer bereits im vergangenen Jahr im Vorjahresvergleich zwischen 50 und knapp 80 Prozent mehr bezahlen beispielsweise für Beton, Bauholz und Konstruktionsvollholz.
Dann der nächste Schlag: Im Januar wurde die KfW-Förderung für den Bau von Häusern der Effizienzklasse 55 von einem Tag auf den anderen eingestellt, im April war der Fördertopf mit einer Milliarde Euro für den Effizienzhausstandard 40 bereits
Wer sich derzeit mit der Frage beschäftigt, für wen sich welche Investitionen in ein Gebäude rentieren, bewegt sich auf unsicherem Terrain. Sowohl die Preise fürs Bauen als auch fürs Heizen steigen in einem Tempo, dass seriöse Kalkulationen kaum mehr möglich sind. Die Deutsche Unternehmensinitiative Energieeffizienz (Deneff) und die Verbraucherzentrale Bundesverband (vzbv) haben dennoch prüfen lassen, ob es sich für Hauseigentümer lohnt, Geld für die Energieeffizienz ihres Gebäudes in die Hand zu nehmen. Das Ergebnis der Untersuchung: „Auf Basis aktueller nach drei Stunden leer. „Der Schaden durch bereits erbrachte Leistungen wird von den Unternehmen auf fast 600 Millionen Euro beziffert“, teilte Ingeborg Esser, Hauptgeschäftsführerin des Bundesverbands Deutscher Wohnungs- und Immobilienunternehmen
Energiepreise und trotz hoher Baukosten und anziehender Zinsen ist die Entscheidung zu modernisieren, sinnvoller denn je“, sagt Eberhard Hinz, der mit Andreas Enseling vom Institut Wohnen und Umwelt (IWU) die Studie verfasst hat. Selbst Sanierungen auf „ambitionierte Effizienzhausniveau“würden sich wegen der aktuellen Fördermöglichkeiten absolut lohnen. Ausgangspunkt der Studie war die Frage, ob energetische Modernisierungen auf KfW-Effizienzhausstandards (EH 85, EH 70, EH 55) bei bislang nicht oder teilmodernisierten Ein- und Zweifamilienhäusern, die zwischen
(GdW) in einer öffentlichen Anhörung des Bundestagsausschuss Klimaschutz und Energie mit.
Die Förderpolitik der Bundesregierung schlägt allerdings nicht nur auf die Kassen der Unternehmen 1919 und 1978 gebaut wurden, über einen Betrachtungszeitraum von 25 Jahren wirtschaftlich sind. Mit der KfW-Effizienzhausförderung lägen die Gesamtkosten modernisierter Gebäude in allen Fällen unter denen nicht sanierter Häuser. Die Kostenbelastung insgesamt sei bei dem höchsten Standard Effizienzhaus 55 sogar niedriger als beim EH 85. Zudem könne eine Reduktion der Treibhausgasemissionen von bis 95 Prozent erreicht werden, wenn Häuser ordentlich gedämmt und die Heizanlagen ausgetauscht werden. Ohne staatliche Unterstützung muss es sich der Hauseigentümer durch, sondern auch auf die Preise, die Mieter fürs Wohnen bezahlen müssen. Der GdW rechnet vor: Die aktuellen energetischen und technischen Anforderungen führten zu Neubaumieten zwischen zwölf und 14 Euro pro Quadratmeter. Um neue, allerdings genau überlegen, was für ihn wirtschaftlich rentabel ist. In der Breite sei die Förderung notwendig, „um bei ambitionierten und klimazielkompatiblen Maßnahmen eine Wirtschaftlichkeit herzustellen“, heißt es in der Studie. Genau in diesem Punkt liege allerdings einiges im Argen, kritisieren Verbraucherschützer wie Wirtschaftsverbände. Förderprogramme sollten mindestens zehn Jahre laufen, damit Hauseigentümer genügend Zeit für Investitionen in den Klimaschutz hätten, fordert auch der Bundesverband der deutschen Industrie. (clak)
„energetisch anspruchsvolle“Wohnungen (EH 55) zu acht bis zehn Euro pro Quadratmeter vermieten zu können, brauche es einen Zuschuss, den es bis zum Februar auch gab. „Dieses Segment des bezahlbaren freifinanzierten Wohnungsbaus ist derzeit völlig weggebrochen“, beklagt Esser. Doch auch die Frage, welche Bauvorhaben mit staatlichen Geldern unterstützt werden sollten, ist zwischen Bauexperten, Ökologen und Bundesregierung umstritten.
„Die Fördereffizienz ist im Gebäudebestand um ein Vielfaches höher als im Neubau“, sagt Sibylle Braungardt, zuständig für Energie und Klimaschutz beim Öko-Institut Freiburg. Runtergerechnet auf einen Euro würden bei Sanierungen zehnmal mehr Treibhausgase eingespart als in der Neubau-Förderung. Auch das Ifeu-Institut, das in Heidelberg Energie- und Umweltforschung betreibt, plädiert dafür, den Bau neuer Häuser und Wohnungen nur noch dann staatlich zu fördern, wenn es um „sozialem Wohnraum oder Neubau in schwierigen Lagen“geht. Einund Zweifamilienhäusern hält das Institut unter anderem wegen des Flächenverbrauchs dagegen nicht für förderwürdig.
Der Bauexperte Dieter Walberg, Leiter des Bauforschungsinstituts „Arge für zeitgemäßes Wohnen“in Kiel, rät der Bundesregierung, ihre Ansprüche an die Energieeffizienz von Häusern herunterzuschrauben, um in Anbetracht knapper Ressourcen und hoher Kosten möglichst viele Gebäude auf ein besseres Energielevel zu bekommen.
Seine Empfehlung: Die Effizienzstufe 70 bei Neubauten und 115 bei Altbauten. Um die Modernisierung älterer Gebäude anzustoßen, seien mindestens 30 Milliarden Euro Förderung pro Jahr notwendig, heißt es in der Arge-Studie. Denn rechnerisch wird derzeit nur jedes hundertste Gebäude pro Jahr umfassend energetisch modernisiert.
All diese Probleme vor Augen hat Bauministerin Geywitz das Bündnis für bezahlbaren Wohnraum ins Leben gerufen, das sich in der vergangenen Woche erstmals in Berlin getroffen hat. Bis zum Herbst will sie zusammen mit Bauunternehmern, Gewerkschaftern, Naturschützern konkrete Vorschläge erarbeiten, die dann Bundeskanzler Olaf Scholz vorgestellt werden. Von Union und Linken wird allerdings gleichermaßen bezweifelt, dass so in der Praxis bezahlbarer Wohnraum entsteht.