Der Zoll tut sich schwer
Beim Einfrieren von Vermögen russischer Oligarchen kann die Behörde nur bescheidene Erfolge vorweisen
- Beim Einfrieren von Vermögen russischer Oligarchen kann der deutsche Zoll nur bescheidene Erfolge vorweisen. Zwar ist Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) stolz, dass es der ihm untergeordneten Behörde gelungen ist, den tatsächlichen Eigentümer einer Luxusyacht im Hamburger Hafen zu ermitteln. Auch konnte am Frankfurter Flughafen eine Boeing 747 am Start gehindert werden, weil es den Beamten gelungen war offenzulegen, dass sich hinter einer sehr verschachtelten Eigentümerstruktur russische Staatsangehörige verbargen. Aber der Zoll kann solches Vermögen nicht beschlagnahmen.
Diese Möglichkeit haben nur Polizei oder Staatsanwaltschaft, und auch das nur zur Gefahrenabwehr oder zur Strafverfolgung. Da sind die Hürden des deutschen Rechtsstaats hoch: Es muss ein hinreichender Verdacht vorliegen, dass ein Verstoß gegen EU-Sanktionen mit „an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit“zu erwarten ist.
Der Zoll kann nur eingreifen, wenn eine Yacht über die deutsche Grenze wandern soll. Dagegen kann er den Eigentümer nicht daran hindern, auf deutschen Gewässern herumzuschippern, solange er von Passagieren kein Geld verlangt. Zum Zoll gehört auch die Financial Intelligence Unit (FIU) als Zentralstelle für Meldung von Verdachtsfällen auf Geldwäsche, deren Effektivität immer wieder in Zweifel gezogen wird.
Die Durchsetzung der Sanktionen gegen Russland laufe gut, sagte Christian Lindner bei der Vorstellung der Jahresbilanz des Zolls in Berlin. Doch da die bestehenden Regeln an Grenzen stießen, bereite die Regierung neue Gesetze vor, um die Sanktionen besser durchsetzen zu können. Zudem sieht er Handlungsbedarf, weil der Informationsaustausch zwischen Behörden schwierig ist.
Der Liberale betont gern, er wolle Steuern nicht erhöhen, sie aber durchsetzen. Dabei kommt dem Zoll eine wichtige Rolle zu. Denn das Erheben von Zöllen ist nur eines von zahlreichen Aufgabengebieten. Die über 46 000 Mitarbeiter wurden im vergangenen Jahr nach einigen coronabedingten Einbrüchen wieder verstärkt aktiv.
Bekämpfung von Schwarzarbeit und illegaler Beschäftigung: Allein rund 8000 Mitarbeiter prüfen, ob Arbeitgeber ihre Mitarbeiter ordnungsgemäß angemeldet haben, Mindestlohn zahlen und Steuern sowie Sozialabgaben abführen. Mit 48 000 geprüften Betrieben wurde noch nicht ganz das Niveau von 2019 vor Corona erreicht. Dafür nahmen die eingeleiteten Ermittlungsverfahren wegen Straftaten auf gut 120 000 zu. Abgeschlossene Verfahren brachten Geldstrafen von 34,4 Millionen Euro ein. Hinzu kamen insgesamt 1624 Jahre an Freiheitsstrafen.
Organisierte Kriminalität: Sie spielt bei Schwarzarbeit und illegaler Beschäftigung eine besonders große Rolle; auf sie entfiel rund ein Drittel der 117 Verfahren, die der Zoll im vergangenen Jahr in diesem Bereich durchzog. An zweiter Stelle stand Rauschgiftkriminalität, gefolgt von Hinterziehung von Verbrauchssteuern. Den Gesamtschaden bezifferte Zoll-Präsidentin Colette Hercher mit 1,9 Milliarden Euro.
Rauschgift: Ein Erfolg der internationalen Zusammenarbeit war 2021 der Fund einer Rekordmenge von 16 Tonnen Kokain im Hamburger Hafen. Marktwert: mindestens eine Milliarde Euro. Insgesamt entdeckte der Zoll 21,5 Tonnen Kokain, mehr als doppelt so viel wie im Jahr zuvor. Hinzu kamen 7,4 Tonnen Marihuana und 1,3 Tonnen Amphetamine sowie 117 Millionen unversteuerte Zigaretten.
Produktpiraterie: Der Trend zum Luxus setzt sich fort – auch bei gefälschten Produkten. In fast 25 000 Fällen beschlagnahmte der Zoll an den Grenzen Fälschungen. Ihr Wert stieg deutlich auf 315 Millionen Euro. Zwei Drittel der Plagiate stammten aus China einschließlich Hongkong. Die Türkei folgte mit gut 15 Prozent.
Artenschutz: Eine „traurige Konstante“ist für Zoll-Präsidentin Hercher, dass die Zöllner artgeschützte Tiere und aus ihnen gefertigte Produkte an den Grenzen entdecken. So fielen ihnen etwa dank Röntgentechnik 15 Hörner von Nashörnern aus Afrika in die Hände. Von den insgesamt 88 000 sichergestellten Objekten wurden fast zwei Drittel per Post transportiert, der Rest überwiegend an den Flughäfen aufgegriffen.