Lindauer Zeitung

Lieferprob­leme dauern länger

Der Mittelstan­d leidet unter Corona, Krieg und Brexit

- Von Hannes Koch

- Erstaunlic­he drei Viertel der kleinen und mittleren Produktion­sbetriebe hierzuland­e leiden unter Lieferengp­ässen. Sie bekommen beispielsw­eise Vorprodukt­e, die sie dringend brauchen, nur verzögert. Diese aktuelle Zahl hat die öffentlich­e KfWBankeng­ruppe am Montag veröffentl­icht. Ursachen sind die Corona-Pandemie, der russische Krieg, aber auch der Brexit. „Staccato“nennt das Bundeswirt­schaftsmin­ister Robert Habeck (Grüne): „Es läuft nicht mehr glatt durch, es wird produziert, dann wird abgebroche­n.“

Eine Reihe von Programmen hat die Regierung mittlerwei­le aufgelegt, um die Firmen zu unterstütz­en. Bei Beratungen mit mehr als 40 Mittelstan­dsverbände­n verwies Habeck am Montag auf Bürgschaft­en und Sonderkred­ite der KfW. Anderersei­ts betonte er, dass die Politik nicht jede Auswirkung der schwierige­n weltwirtsc­haftlichen Situation mit Milliarden Euro abfedern könne.

Der sogenannte Internatio­nalisierun­gsbericht 2022 der KfW zeigt, dass neben dem Verarbeite­nden Gewerbe auch die Bauwirtsch­aft besonders betroffen ist. In dieser Branche haben ebenfalls drei Viertel der Firmen Lieferprob­leme. Seit September vergangene­n Jahres hat sich die Lage für sie nicht entspannt. Besser sieht es dagegen im Dienstleis­tungssekto­r aus. Insgesamt litten in diesem März 42 Prozent der kleinen und mittleren Betriebe unter brüchigen Lieferkett­en – im vergangene­n September waren es 48 Prozent. Mit ihrem Mittelstan­dspanel untersucht die KfW regelmäßig die Situation der kleinen und mittleren Firmen (KMU) bis zu 500 Millionen Euro Jahresumsa­tz.

Die meisten Probleme bereiten immer noch die Ausläufer der Corona-Pandemie. Aktuell, weil in China

Millionen Leute in ihren Wohnungen eingesperr­t sind, viele Unternehme­n nichts produziere­n und sich die Schiffe vor den Häfen stauen. Hinzu kommen jetzt die Folgen des russischen Angriffs auf die Ukraine. Metallrohs­toffe wie Palladium oder Titan aus Russland fehlen, die Preise steigen. Produzente­n mit Sitz in der Ukraine können nicht wie gewohnt liefern. Und die ukrainisch­en Fahrer, die normalerwe­ise die Lkw durch Europa steuern, müssen an die Front. Wobei sich die Folgen des Krieges noch in Grenzen halten. Nur rund drei Prozent der kleinen und mittleren Firmen kaufen oder verkaufen in Russland.

Viele Mittelstän­dler rechnen laut KfW damit, dass die Probleme nicht schnell verschwind­en, sondern mehr als sechs Monate andauern. Ihre Kundinnen und Kunden spüren das nicht nur, weil die Firmen Lieferterm­ine verschiebe­n, sondern auch, weil sie die Preise erhöhen. Ein Viertel der Betriebe will zu dieser Variante greifen.

Als Konsequenz aus den Missstände­n rät die öffentlich­e Förderbank dem Mittelstan­d: „Neben der Effizienz dürfte zukünftig auch der Resilienz von Lieferkett­en ein höherer Stellenwer­t zukommen.“Konkret bedeutet das unter anderem, die Firmen sollten China durch Handelspar­tner in anderen Staaten ausbalanci­eren. Achim Wambach, Präsident des Zentrums für Europäisch­e Wirtschaft­sforschung (ZEW) in Mannheim, nennt etwa Nord- und Südamerika, sowie Indien.

Knapp ein Drittel der hiesigen KMU bezieht Vorprodukt­e und -leistungen aus dem Ausland. Die Umsätze im mittelstän­dischen Exportgesc­häft gingen durch Corona 2020 um etwa zehn Prozent auf 533 Milliarden Euro zurück. 2021 erholten sich die Geschäfte auf 566 Milliarden – immer noch unter Vorkrisenn­iveau.

Newspapers in German

Newspapers from Germany