Vogelhäuschen kündigen Biennale an
Künstlerinnen und Künstler bauen im Mai ihre Werke auf – Vernissage für Einheimische
- Offiziell hat die erste Lindauer Biennale noch nicht angefangen. Doch schon jetzt tauchen an immer mehr Orten Kunstwerke auf. Sie entstehen auf der Insel und auf dem Festland, am und im Wasser.
„Im Mai ist Aufbaumonat“, sagt Kuratorin Sophie-Charlotte Bombeck. „Die Kunstwerke werden für einen bestimmten Ort konzipiert und auch dort aufgebaut.“Die Lindauer Biennale „In Situ Paradise“folgt einem ähnlichen Konzept wie das weltberühmte Vorbild in Venedig. Am Bodensee werden mehr als 20 zeitgenössische Künstlerinnen und Künstler vor Ort Kunstwerke schaffen. Sie wollen dabei den Menschen begegnen, mit ihnen in einen Dialog treten und Anreize geben, sich mit dem Ort und dem Thema Paradies auseinanderzusetzen.
Im Toskanapark etwa hängen seit März 28 bunt bemalte und unterschiedlich große Vogelhäuschen des aus Korea stammenden Künstlers Jaemin Lee. Sie zeigen verschiedene Charaktere aus dem koreanischen Maskentanz, schauen mal grimmig, mal verdutzt und mal traurig. Sie sind Schutzdämonen nachempfunden und sollen der Insel, den Menschen und der Biennale Glück bringen.
Die Nistkästen sind in Zusammenarbeit mit Tier- und Naturschützern für verschiedene Vogelarten konzipiert worden und für Singvögel wie Kohlmeisen, Blaumeisen, Amseln, Rotkehlchen oder Baumläufer geeignet. Das Projekt ist mit Ornithologen, dem Landratsamt und dem Denkmalamt abgestimmt. Auch beim Aufhängen wurde auf die Bedürfnisse der unterschiedlichen Vogelarten geachtet.
„Im Toskanapark gibt es viele Blaumeisen, und die wollen keine anderen Blaumeisen als Nachbarn haben“, sagt Bombeck. Es gebe auch ein Häuschen für einen Kauz, denn früher einmal seien die Eulen im Toskanapark beheimatet gewesen. „Es wäre schön, wenn er sich wieder ansiedelt“, sagt die Kuratorin. Immerhin: Ein paar der bunten Vogelhäuschen sind schon bewohnt.
Wer in den nächsten Tagen in Lindau unterwegs ist, dem fallen vermutlich siebeneckige Rahmen auf. 35 Stück von ihnen werden ab dem 2. Mai über das ganze Stadtgebiet verteilt. Sie stammen von der Bildhauerin Olga Golos. „Ihr geht es um die Wahrnehmung“, sagt Bombeck. Im Zeitalter der Smartphones blicken die Menschen oft in oder durch ein Viereck. Das wolle sie aufbrechen und einen neuen Blick auf bestimmte Plätze lenken. Im Fokus stehen dabei nicht nur hübsche Sehenswürdigkeiten, sondern auch Stellen, die zum Beispiel die Verkehrsprobleme in Lindau zeigen.
Mitte Mai entsteht auf der Lindenschanze eine öffentliche Tanzfläche, die die aus Bregenz stammende Künstlerin Maria Anwander konzipiert hat. Die Tanzfläche ist ausgestattet mit einer Discokugel, einem
Stroboskop und einem Schalter. Wer den drückt, schaltet für eine Minute lang ein Lied und das Licht ein, die Discokugel dreht sich. „Der Ort wurde bewusst ausgewählt, nachdem dort ein neuralgischer Punkt war“, sagt Sophie-Charlotte Bombeck und spricht damit Jugendliche an, die vor allem im vergangenen Sommer in Lindau immer wieder zu Hunderten zusammengekommen sind, um Party zu machen – nicht nur friedlich.
„Jugendliche werden häufig als Störpunkt angesehen, aber wir wollen ihnen auch einen Raum geben“, sagt die Kuratorin. Die öffentliche Tanzfläche soll ab dem 14. Mai unterschiedlichen Menschen die Möglichkeit bieten, miteinander ins Gespräch zu kommen. Das Jugendzentrum X-Tra, das sich in der Nähe befindet, habe ein Auge auf die Tanzfläche. Und dabei selbst wiederum die Möglichkeit, stärker wahrgenommen zu werden.
Kunst zum Mitmachen bietet Magdalena Waller an. Sie wird den Container einpacken, in dem der Biennale-Shop untergebracht sein wird. Er steht bereits auf dem Platz der Stadtbücherei, bisher zeigt er sich allerdings noch in seiner gewöhnlichen Gestalt aus Stahl und Glas. „Magdalena Waller hat ihre eigene Technik, aber man kann es sich wie eine Art Patchwork vorstellen“, erläutert Bombeck. Die Materialien bereitet die Künstlerin vor und sie näht sie dann mit den Lindauerinnen und Lindauern zusammen.
Teil der Biennale wird auch der Lindauer Löwe an der Hafeneinfahrt. Er wird seine Gestalt ab Mitte Mai verändern. Was genau an dem Wahrzeichen geplant ist, will SophieCharlotte Bombeck noch nicht verraten. Nur so viel: Die Künstlerin Julia Klemm nimmt sich seiner an. „Sie hat sich ein Jahr lang mit dem Löwen auseinandergesetzt“, sagt die Kuratorin. Spannend wird auch dort der Aufbau, denn schon ohne Sockel ist die Statue sechs Meter hoch. Da der Löwe denkmalgeschützt ist, darf er nicht dauerhaft verändert werden – Löcher bohren ist selbstverständlich verboten. Nach der Biennale soll er also wieder so aussehen, wie er schon auf Millionen von Ansichtskarten und Erinnerungsfotos aus Lindau zu sehen ist.
Fest steht schon, dass zwischen Sonntag, 15. Mai, und Samstag, 4. Juni, immer Künstler vor Ort sind, um ihre Kunstwerke aufzubauen. „Wir planen eine lokale Vernissage am 27. Mai, die sich vor allem an die Lindauerinnen und Lindauer richtet“, sagt Sophie-Charlotte Bombeck. Schirmherr ist Franz Herzog von Bayern. Sobald alles steht, wird es eine App geben, die mit viel Zusatzmaterial über die Biennale führt und einen Überblick über das Rahmenprogramm mit Konzerten, Lesungen, Performances und Vorträgen gibt. Zusätzlich gibt es einen Katalog. Die Biennale dauert bis einschließlich September. Danach werden die meisten Kunstwerke abgebaut – auch die bunten Vogelhäuschen im Toskanapark.