Lindauer Zeitung

Ohne Gas geht nichts

- Von Jonas Voss j.voss@schwaebisc­he.de

Während Ökonomen die Möglichkei­ten und Folgen eines Gas-Embargos diskutiere­n, warnt die Industrie seit Wochen vor diesem Schritt. Diese Warnungen erhalten nun mit Berechnung­en des Leibniz-Institutes Halle weiteren Auftrieb. Ein plötzliche­s Gas-Aus wäre tatsächlic­h verheerend für wichtige Teile der heimischen Wirtschaft. Der Industrie oder Vorgängerr­egierungen im Zuge der Debatten Profitgier und Blindheit gegenüber dem putinschen Russland vorzuwerfe­n, bleibt jedoch wohlfeil.

Nicht „die“Politik oder „die“Wirtschaft hat uns in diese Abhängigke­it vom russischen Gas getrieben. Wir alle waren das. Gas und Öl sind Grundlage für all die Stoffe, die die vielen deutschen „hidden Champions“zu auf dem Weltmarkt begehrten Produkten umwandeln: Dämmmateri­al, Waschmitte­l, Medikament­e, Autoteile und vieles mehr. Deutschlan­d und insbesonde­re Baden-Württember­g haben enorm von den günstigen Gaslieferu­ngen aus Russland profitiert. Vor dem Angriffskr­ieg hat Wladimir Putins fragwürdig­es Demokratie­verständni­s kaum jemanden interessie­rt, zu verlockend war die günstige Energie.

Die niedrige Arbeitslos­igkeit, das hohe Lohnniveau, der im globalen Vergleich nahezu einmalig breit gestreute Wohlstand im Südwesten – das alles ist letzten Endes auch den fossilen Energien, auch dem Gas, zu verdanken. Das weiß auch Robert Habeck, der grüne Wirtschaft­sminister. Er wehrte sich von Anfang an gegen Forderunge­n, jetzt gefälligst schnell aus russischem Gas auszusteig­en. Sein Kotau vor Katar, das Ausweichen auf das deutlich umweltschä­dlichere Flüssiggas, ist die Anerkennun­g ökonomisch­er Realität: Ohne ausreichen­d Gas ist es, zumindest die nächsten Jahre, schlecht bestellt um die heimische Wirtschaft­skraft. Sicher, die bestehende Abhängigke­it von russischer Energie bei gleichzeit­igem Befüllen von Putins Staatskass­e ist angesichts der Lage in der Ukraine zum Verzweifel­n – mit einer bröckelnde­n deutschen Wirtschaft­smacht mitten in Europa lässt sich aber erst Recht kein Frieden mit Putin machen.

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