Ohne Gas geht nichts
Während Ökonomen die Möglichkeiten und Folgen eines Gas-Embargos diskutieren, warnt die Industrie seit Wochen vor diesem Schritt. Diese Warnungen erhalten nun mit Berechnungen des Leibniz-Institutes Halle weiteren Auftrieb. Ein plötzliches Gas-Aus wäre tatsächlich verheerend für wichtige Teile der heimischen Wirtschaft. Der Industrie oder Vorgängerregierungen im Zuge der Debatten Profitgier und Blindheit gegenüber dem putinschen Russland vorzuwerfen, bleibt jedoch wohlfeil.
Nicht „die“Politik oder „die“Wirtschaft hat uns in diese Abhängigkeit vom russischen Gas getrieben. Wir alle waren das. Gas und Öl sind Grundlage für all die Stoffe, die die vielen deutschen „hidden Champions“zu auf dem Weltmarkt begehrten Produkten umwandeln: Dämmmaterial, Waschmittel, Medikamente, Autoteile und vieles mehr. Deutschland und insbesondere Baden-Württemberg haben enorm von den günstigen Gaslieferungen aus Russland profitiert. Vor dem Angriffskrieg hat Wladimir Putins fragwürdiges Demokratieverständnis kaum jemanden interessiert, zu verlockend war die günstige Energie.
Die niedrige Arbeitslosigkeit, das hohe Lohnniveau, der im globalen Vergleich nahezu einmalig breit gestreute Wohlstand im Südwesten – das alles ist letzten Endes auch den fossilen Energien, auch dem Gas, zu verdanken. Das weiß auch Robert Habeck, der grüne Wirtschaftsminister. Er wehrte sich von Anfang an gegen Forderungen, jetzt gefälligst schnell aus russischem Gas auszusteigen. Sein Kotau vor Katar, das Ausweichen auf das deutlich umweltschädlichere Flüssiggas, ist die Anerkennung ökonomischer Realität: Ohne ausreichend Gas ist es, zumindest die nächsten Jahre, schlecht bestellt um die heimische Wirtschaftskraft. Sicher, die bestehende Abhängigkeit von russischer Energie bei gleichzeitigem Befüllen von Putins Staatskasse ist angesichts der Lage in der Ukraine zum Verzweifeln – mit einer bröckelnden deutschen Wirtschaftsmacht mitten in Europa lässt sich aber erst Recht kein Frieden mit Putin machen.