Noch hat Strobl Rückendeckung
Grüne, CDU und Kretschmann halten trotz Ermittlungen am Innenminister fest
- Krisenstimmung statt Feierlaune: Eigentlich wollten die Koalitionspartner am Donnerstag eine Erfolgsbilanz nach einem Jahr Regierungszeit ziehen. Im Mittelpunkt stand aber ein anderes Thema – die staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen gegen Innenminister Thomas Strobl (CDU). Noch wollen die Fraktionschefs Andreas Schwarz (Grüne) und Manuel Hagel (CDU) nichts von Rücktrittsforderungen wissen. Noch stärkt auch Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) seinem Vize den Rücken.
Es ist nicht das erste Mal, dass ein Spitzenpolitiker aus dem Südwesten in den Fokus der Ermittlungsbehörden gerät. Lothar Späth (CDU) war 1991 als Ministerpräsident zurückgetreten, nachdem die Staatsanwaltschaft Ermittlungen gegen ihn wegen Untreue und Vorteilsnahme aufgenommen hatte. Der damalige FDPWirtschaftsminister Walter Döring sah sich gleich mehreren Ermittlungen ausgesetzt – und trat 2004 von seinen Ämtern zurück. Anders Manfred Lucha (Grüne), der noch immer das Sozialministerium führt. Ein Verdacht der Vorteilsnahme endete 2020 damit, dass die Staatsanwaltschaft ihre Ermittlungen gegen Lucha einstellte und er 2500 Euro an wohltätige Organisationen zahlte.
Nun also Strobl. Der Fall ist deshalb besonders pikant, weil der Jurist als Minister unter anderem für den Verfassungsschutz und für die Landespolizei mit ihren 35 000 Beschäftigten zuständig ist. Der ranghöchste von ihnen ist seit November im Visier
der Staatsanwaltschaft. Ihm wird vorgeworfen, einer Hauptkommissarin Karriere gegen Sex angeboten und sie mit seinen sexuellen Vorstellungen belästigt zu haben. Passiert sein soll das in einem Videotelefonat, das die Polizistin teilweise mitgeschnitten haben soll. Dies ist die eigentliche Geschichte, der Anfang allen Übels, in dem nun Strobl steckt.
Ende Dezember erreichte ein Anwaltsschreiben des suspendierten Polizeiinspekteurs das Innenministerium. Die Anwälte legten zum einen Widerspruch gegen die Zwangsbeurlaubung ihres Mandanten ein. Und machte ein Angebot: Man könne sich doch jenseits des rechtsstaatlichen Verfahrens zu einem persönlichen Gespräch treffen und eine Lösung finden. Statt das Angebot abzulehnen und seine Ablehnung in den Akten zu dokumentieren, entschied sich Strobls Haus für einen anderen Weg: Man gab den Brief einem Journalisten, der kurz darauf berichtete.
Strobl erklärt diesen Vorgang mit dem Ziel „maximaler Transparenz“. Der bloße Anschein einer möglichen Mauschelei mit dem Polizisten, den er selbst berufen hatte, habe er abwehren wollen. Ob Strobl oder ein Mitarbeiter den Brief dem Journalisten aushändigte, ist nebensächlich: Der Minister hat in einer eiligst einberufenen Sitzung des Innenausschusses des Landtags am Mittwoch die Verantwortung übernommen.
Die Geschichte, damit „maximale Transparenz“herstellen zu wollen, bekommt dadurch einen Riss, dass anderen in der Sache nachfragenden Journalisten keine entsprechende Auskunft gegeben wurde. Ein Kommunikationsfehler,
wie Strobl einräumt. Einer aber, der das Interesse der Staatsanwaltschaft geweckt hat. Die wollte ermitteln, ob mit der Veröffentlichung des Briefs ein Geheimnis im Sinne des Strafrechts verraten wurde – und wenn ja, von wem. Dafür hätte sie die Zustimmung des Innenministers gebraucht, die sie aber nicht bekommen hat.
Nun ermittelt die Staatsanwaltschaft doch. Jetzt geht es um eine mögliche verbotene Mitteilung über Gerichtsverhandlungen. Dessen könnte sich der Journalist schuldig gemacht haben, der über den Anwaltsbrief geschrieben hat, meint die Staatsanwaltschaft. Aus Dokumenten eines Verfahrens darf nicht zitiert werden, wenn sie nicht bereits in einer Verhandlung öffentlich wurden. Gegen Strobl ermittelt die Staatsanwaltschaft, weil er den Journalisten hierzu angestiftet haben könnte.
Sind diese Ermittlungen ein Zeichen für eine Schuld Strobls? Nein, sagen Juristen. Die Behörde müsse von Amts wegen ermitteln. Der Ausgang sei gänzlich offen. Deshalb gebe es aktuell auch keinen Grund, an Strobls Stuhl zu sägen, betonen die Chefs der Regierungsfraktionen im Landtag am Donnerstag. „Ich sehe keinen Anlass für einen Rücktritt“, sagt Andreas Schwarz. Strobl müsse auch die Amtsgeschäfte nicht ruhen lassen, ergänzt Manuel Hagel. „Wäre er belastet, würden wir sagen, er muss zurücktreten – das sagen wir aber nicht.“Alles entscheidend seien die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft, der „objektivsten Behörde der Welt“, wie Schwarz sagt. Bedeckt hält sich auch der Ministerpräsident, für den Strobl der engste Vertraute auf CDU-Regierungsseite ist. Kretschmanns Sprecher teilte lediglich mit, dass laufende Verfahren grundsätzlich nicht kommentiert würden. Er verwies auf Kretschmanns Äußerung vom Vortag, in der dieser Strobl sein „volles Vertrauen“zusicherte – aber noch bevor bekannt wurde, dass die Staatsanwaltschaft ermittelt.
Dem Vernehmen nach ist die Stimmung in den Fraktionen von Grünen und CDU angespannt. Noch wagt niemand, gegen Strobl Stellung zu beziehen. In der aktuellen Situation kommt es dem CDU-Landesvorsitzenden Strobl wohl zugute, dass er nicht mehr stellvertretender Bundesvorsitzender seiner Partei ist. Dann hätte Bundeschef Friedrich Merz längst angerufen, dann wäre Strobl weg, sagt einer, der sich auskennt. FDP und SPD haben derweil ihre Rücktrittsforderungen vom Vortag erneuert. Strobls Handeln sei mit geltendem Recht nicht vereinbar, erklärte SPD-Chef Andreas Stoch. „Ministerpräsident Kretschmann muss seinen Innenminister jetzt entlassen!“