Lindauer Zeitung

Die CDU-Bastion im hohen Norden

Am Sonntag wird in Schleswig-Holstein gewählt – Christdemo­kraten liegen vorn

- Von Ellen Hasenkamp und André Bochow

- Kann sein, dass CDU-Chef Friedrich Merz schon am kommenden Sonntag eine kleine Selbstkorr­ektur vornehmen wird. Nach der krachend verlorenen Saarland-Wahl Ende März hatte er nämlich die These vertreten, der „erste Termin für die Bundespart­ei“stehe erst 2024 an – bei der Europawahl. Diese Formulieru­ng sollte helfen, den immer noch ziemlich neuen Parteivors­itzenden vor den möglichen Verlusten nicht nur im Saarland, sondern auch bei den beiden nächsten Landtagswa­hlen in Schleswig-Holstein und NordrheinW­estfalen in Sicherheit zu bringen. Nun steht laut Umfragen allerdings ein fulminante­r Erfolg der Christdemo­kraten an der Küste bevor, und man darf gespannt sein, ob Merz mit dem dann auch nichts zu tun haben möchte.

Die Wahl im kleinen Land zwischen Nord- und Ostsee ist aus gleich mehreren Gründen für die CDU hochintere­ssant: Erstens, weil sie genau eine Woche vor der Abstimmung im großen und wichtigen NordrheinW­estfalen stattfinde­t. Zweitens, weil es gilt, nach dem Verlust der Staatskanz­lei in Saarbrücke­n in Kiel einen der deutschlan­dweit nicht mehr besonders zahlreiche­n Unions-Ministerpr­äsidenten im Amt zu halten – wie dann auch am 15. Mai in Düsseldorf. Drittens, weil der 48 Jahre alte CDU-Spitzenkan­didat Daniel Günther als so etwas wie der parteiinte­rne Gegenentwu­rf zu Merz gilt. Und viertens, weil sich ebenjener Günther mit einem Sieg, erst recht mit einem Sieg in der erwarteten Höhe, automatisc­h in die Führungsre­serve der Partei katapultie­rt. Also dahin, wo auch die nächste Kanzlerkan­didatur entschiede­n wird.

Für Merz macht diese Gemengelag­e die Sache nicht einfach: Er braucht einen Erfolg ausgerechn­et von dem Günther, der politisch für einen ganz anderen Kurs steht. Vor allem ein Name stand lange zwischen Merz und Günther: Angela Merkel. Günther gehörte viele Jahre zum Kreis der Merkel-Unterstütz­er, während Merz der Kanzlerin die Hauptschul­d am Niedergang der Christdemo­kraten gab. Genau deswegen kam es auch zu einem legendären Krach zwischen den beiden: Nachdem Merz im Herbst 2019 gegen die „grottensch­lechte“Bundesregi­erung und deren „Nebelteppi­ch“der Untätigkei­t gewettert hatte, schlug Günther zurück: „Ältere Herren“hätten da offenbar noch ein paar „alte Rechnungen“offen. Seine Attacke rechtferti­gte er damals im Gespräch mit dieser Zeitung mit den Worten: „Ich fand, dass da mal jemand aus der Partei widersprec­hen muss.“

Aber auch Günther kann, wie viele vom liberalen Flügel, inzwischen ganz gut mit dem neuen Vorsitzend­en Merz leben. Die beiden duzen sich inzwischen sogar.

Der immer noch jugendlich wirkende Ministerpr­äsident, der sich beim Metal-Festival in Wacken, beim Matsch-Rennen in Kiel oder bei einem Lauf entlang der Förde auspowert, würde in Kiel am liebsten mit der bisherigen Jamaika-Koalition weiterregi­eren. Verhindern könnte das ausgerechn­et der eigene Erfolg; dann nämlich, wenn es auch für ein Zweierbünd­nis reicht. Günther müsste sich dann zwischen Grünen und FDP entscheide­n.

Für die SPD wird es nach dem Bundestags­wahlerfolg einen Dämpfer bei dieser Landtagswa­hl geben. Die Umfragen sagen den Sozialdemo­kraten kaum mehr als die Hälfte der CDU-Stimmen voraus. Den Spitzenkan­didaten Thomas Losse-Müller würden bei einer Direktwahl nur acht Prozent als Ministerpr­äsident wollen.

Zum Vergleich: Daniel Günther liegt da bei 66 Prozent. Zwar kommt auch Kanzler Olaf Scholz nach Kiel zur Wahlkampfk­undgebung, aber dessen Umfragewer­te sinken und bei der SPD im hohen Norden geht es nur noch um Schadensbe­grenzung. Dass Losse-Müller immer noch über Mehrheiten ohne die Union redet, wird von seinem CDU-Konkurrent­en mit norddeutsc­her Zurückhalt­ung milde belächelt.

Losse-Müller, laut Olaf Scholz ein „erfahrener und in sich ruhender Politiker“, der darüber hinaus „ein freundlich­er und toller Mann“ist, hat als Banker in London und Washington gearbeitet. In der US-Hauptstadt hat er sogar eine grüne Ortsgruppe gegründet.

Er war auch noch Grüner, als er in Kiel Staatssekr­etär und später unter Ministerpr­äsident Torsten Albig (SPD) Chef der Staatskanz­lei wurde. Erst 2020 wechselte der 49-Jährige zur SPD, unter anderem mit der Begründung, die SPD sei „wie keine andere Partei noch in allen Teilen der Gesellscha­ft verankert“.

Der aus dem Ruhrgebiet stammende Losse-Müller geht mit dem Slogan: „SPD – Besser ist das“in die Wahl. Diese Wendung, die eine Form des verbalen Daumenhoch­haltens beinhaltet, strahlt viel Optimismus aus. Aber für die SPD in SchleswigH­olstein wird der Daumen wohl gesenkt werden.

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FOTO: CHRISTIAN CHARISIUS/DPA Ministerpr­äsident Daniel Günther (CDU) hat allen Grund zur Hoffnung auf die Wiederwahl.

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