Die CDU-Bastion im hohen Norden
Am Sonntag wird in Schleswig-Holstein gewählt – Christdemokraten liegen vorn
- Kann sein, dass CDU-Chef Friedrich Merz schon am kommenden Sonntag eine kleine Selbstkorrektur vornehmen wird. Nach der krachend verlorenen Saarland-Wahl Ende März hatte er nämlich die These vertreten, der „erste Termin für die Bundespartei“stehe erst 2024 an – bei der Europawahl. Diese Formulierung sollte helfen, den immer noch ziemlich neuen Parteivorsitzenden vor den möglichen Verlusten nicht nur im Saarland, sondern auch bei den beiden nächsten Landtagswahlen in Schleswig-Holstein und NordrheinWestfalen in Sicherheit zu bringen. Nun steht laut Umfragen allerdings ein fulminanter Erfolg der Christdemokraten an der Küste bevor, und man darf gespannt sein, ob Merz mit dem dann auch nichts zu tun haben möchte.
Die Wahl im kleinen Land zwischen Nord- und Ostsee ist aus gleich mehreren Gründen für die CDU hochinteressant: Erstens, weil sie genau eine Woche vor der Abstimmung im großen und wichtigen NordrheinWestfalen stattfindet. Zweitens, weil es gilt, nach dem Verlust der Staatskanzlei in Saarbrücken in Kiel einen der deutschlandweit nicht mehr besonders zahlreichen Unions-Ministerpräsidenten im Amt zu halten – wie dann auch am 15. Mai in Düsseldorf. Drittens, weil der 48 Jahre alte CDU-Spitzenkandidat Daniel Günther als so etwas wie der parteiinterne Gegenentwurf zu Merz gilt. Und viertens, weil sich ebenjener Günther mit einem Sieg, erst recht mit einem Sieg in der erwarteten Höhe, automatisch in die Führungsreserve der Partei katapultiert. Also dahin, wo auch die nächste Kanzlerkandidatur entschieden wird.
Für Merz macht diese Gemengelage die Sache nicht einfach: Er braucht einen Erfolg ausgerechnet von dem Günther, der politisch für einen ganz anderen Kurs steht. Vor allem ein Name stand lange zwischen Merz und Günther: Angela Merkel. Günther gehörte viele Jahre zum Kreis der Merkel-Unterstützer, während Merz der Kanzlerin die Hauptschuld am Niedergang der Christdemokraten gab. Genau deswegen kam es auch zu einem legendären Krach zwischen den beiden: Nachdem Merz im Herbst 2019 gegen die „grottenschlechte“Bundesregierung und deren „Nebelteppich“der Untätigkeit gewettert hatte, schlug Günther zurück: „Ältere Herren“hätten da offenbar noch ein paar „alte Rechnungen“offen. Seine Attacke rechtfertigte er damals im Gespräch mit dieser Zeitung mit den Worten: „Ich fand, dass da mal jemand aus der Partei widersprechen muss.“
Aber auch Günther kann, wie viele vom liberalen Flügel, inzwischen ganz gut mit dem neuen Vorsitzenden Merz leben. Die beiden duzen sich inzwischen sogar.
Der immer noch jugendlich wirkende Ministerpräsident, der sich beim Metal-Festival in Wacken, beim Matsch-Rennen in Kiel oder bei einem Lauf entlang der Förde auspowert, würde in Kiel am liebsten mit der bisherigen Jamaika-Koalition weiterregieren. Verhindern könnte das ausgerechnet der eigene Erfolg; dann nämlich, wenn es auch für ein Zweierbündnis reicht. Günther müsste sich dann zwischen Grünen und FDP entscheiden.
Für die SPD wird es nach dem Bundestagswahlerfolg einen Dämpfer bei dieser Landtagswahl geben. Die Umfragen sagen den Sozialdemokraten kaum mehr als die Hälfte der CDU-Stimmen voraus. Den Spitzenkandidaten Thomas Losse-Müller würden bei einer Direktwahl nur acht Prozent als Ministerpräsident wollen.
Zum Vergleich: Daniel Günther liegt da bei 66 Prozent. Zwar kommt auch Kanzler Olaf Scholz nach Kiel zur Wahlkampfkundgebung, aber dessen Umfragewerte sinken und bei der SPD im hohen Norden geht es nur noch um Schadensbegrenzung. Dass Losse-Müller immer noch über Mehrheiten ohne die Union redet, wird von seinem CDU-Konkurrenten mit norddeutscher Zurückhaltung milde belächelt.
Losse-Müller, laut Olaf Scholz ein „erfahrener und in sich ruhender Politiker“, der darüber hinaus „ein freundlicher und toller Mann“ist, hat als Banker in London und Washington gearbeitet. In der US-Hauptstadt hat er sogar eine grüne Ortsgruppe gegründet.
Er war auch noch Grüner, als er in Kiel Staatssekretär und später unter Ministerpräsident Torsten Albig (SPD) Chef der Staatskanzlei wurde. Erst 2020 wechselte der 49-Jährige zur SPD, unter anderem mit der Begründung, die SPD sei „wie keine andere Partei noch in allen Teilen der Gesellschaft verankert“.
Der aus dem Ruhrgebiet stammende Losse-Müller geht mit dem Slogan: „SPD – Besser ist das“in die Wahl. Diese Wendung, die eine Form des verbalen Daumenhochhaltens beinhaltet, strahlt viel Optimismus aus. Aber für die SPD in SchleswigHolstein wird der Daumen wohl gesenkt werden.