Studie zu Hass und Antisemitismus
Viele Deutsche haben nach eigenen Angaben Rassismus erlebt oder beobachtet
- 90 Prozent der Deutschen beobachten Rassismus in Deutschland. Ein fast ebenso hoher Anteil – 82 Prozent – tritt ihm eigenen Angaben zufolge aber entgegen, wenn er sich zum Beispiel in Form von rassistischer Sprache zeigt. Das ist ein zentrales Ergebnis der Studie „Rassistische Realitäten“, die die neue Bundesfamilienministerin Lisa Paus (Grüne) am Donnerstag in Berlin vorstellte. Die Ministerin betonte, sie sei zwar vom Ausmaß der Rassismuserfahrungen „schockiert“, bewerte es aber „positiv, wie viele Menschen sich im Alltag“gegen ein solches Verhalten stellen.
Die nun präsentierte Studie ist die erste ihrer Art für Deutschland. Nach dem Anschlag von Hanau, bei dem neun Menschen aus Einwandererfamilien starben, und dem Überfall auf die Synagoge in Halle, der nur dank einer stabilen Holztür scheiterte, beauftragte der Bundestag das Familienministerium, mehr über Rassismuserlebnisse im Land in Erfahrung zu bringen. Das Deutsche Zentrum für Integrations- und Migrationsforschung befragte dazu 5000 Menschen am Telefon.
„Rassismus“wird in der Studie definiert als eine Ideologie sowie als eine diskursive und soziale Praxis, in der Menschen aufgrund von äußerlichen Merkmalen in verschiedene Gruppen eingeteilt werden, denen per „Abstammung“verallgemeinerte, unveränderliche Eigenschaften zugeschrieben werden.
Dass ein Fünftel der Befragten angab, selbst rassistisch behandelt worden zu sein, wird relativiert beim Blick auf die Angaben von Menschen mit Migrationsgeschichte. Von ihnen berichteten nämlich mehr als die Hälfte, dass sie schon einmal wegen ihrer Hautfarbe, ihrer Haare oder aus anderen Gründen verbal oder tätlich angegriffen wurden. Beklagt wird aber unter anderem eine schlechte Behandlung durch Behörden.
Die Forscher hatten neben der repräsentativen Befragung der Bevölkerung im Alter ab 14 Jahren auch gezielt Angehörige von sechs Minderheiten in den Blick genommen: Schwarze Menschen, Muslime, Asiaten, Sinti und Roma, Juden und osteuropäische Menschen. Die Befragten konnten sich dabei sowohl selbst einer dieser Gruppen zuordnen als auch angeben, ob sie von Außenstehenden einer dieser Gruppen zugeordnet werden. In Bezug auf diese Gruppen ist die Studie allerdings nicht repräsentativ. Die Antworten von Befragten mit höherer Bildung zeigten dennoch, dass das Ausmaß von Erfahrungen mit Rassismus nichts mit „gelungener Integration“zu tun habe, betont Dezim-Direktorin Naika Foroutan.
Mit Angaben darüber, wer diejenigen sind, die sich rassistisch gegenüber anderen verhalten, hält sich die Studie zurück. Ein Befund: Der Aussage „Jede Gesellschaft braucht Gruppen, die oben sind, und andere, die unten sind“, stimmen 8,9 Prozent „voll und ganz“, 18 Prozent „eher“zu. „Rassistische Vorstellungen sind in der Gesellschaft zum Teil tief verankert“, erläutern die Studienautoren. Nur angedeutet wird von den Verfassern, dass Menschen aus Migrationsfamilien durchaus selbst Rassisten sein können; man denke nur an die in Deutschland regelmäßig wiederkehrenden antisemitischen Attacken durch Muslime. Die „Zugehörigkeit zu einer der rassifizierten Gruppen“sei kein Hinderungsgrund, selbst rassistisch zu denken und zu handeln, heißt es dazu in der Studie.