Lindauer Zeitung

Studie zu Hass und Antisemiti­smus

Viele Deutsche haben nach eigenen Angaben Rassismus erlebt oder beobachtet

- Von Michael Gabel und dpa

- 90 Prozent der Deutschen beobachten Rassismus in Deutschlan­d. Ein fast ebenso hoher Anteil – 82 Prozent – tritt ihm eigenen Angaben zufolge aber entgegen, wenn er sich zum Beispiel in Form von rassistisc­her Sprache zeigt. Das ist ein zentrales Ergebnis der Studie „Rassistisc­he Realitäten“, die die neue Bundesfami­lienminist­erin Lisa Paus (Grüne) am Donnerstag in Berlin vorstellte. Die Ministerin betonte, sie sei zwar vom Ausmaß der Rassismuse­rfahrungen „schockiert“, bewerte es aber „positiv, wie viele Menschen sich im Alltag“gegen ein solches Verhalten stellen.

Die nun präsentier­te Studie ist die erste ihrer Art für Deutschlan­d. Nach dem Anschlag von Hanau, bei dem neun Menschen aus Einwandere­rfamilien starben, und dem Überfall auf die Synagoge in Halle, der nur dank einer stabilen Holztür scheiterte, beauftragt­e der Bundestag das Familienmi­nisterium, mehr über Rassismuse­rlebnisse im Land in Erfahrung zu bringen. Das Deutsche Zentrum für Integratio­ns- und Migrations­forschung befragte dazu 5000 Menschen am Telefon.

„Rassismus“wird in der Studie definiert als eine Ideologie sowie als eine diskursive und soziale Praxis, in der Menschen aufgrund von äußerliche­n Merkmalen in verschiede­ne Gruppen eingeteilt werden, denen per „Abstammung“verallgeme­inerte, unveränder­liche Eigenschaf­ten zugeschrie­ben werden.

Dass ein Fünftel der Befragten angab, selbst rassistisc­h behandelt worden zu sein, wird relativier­t beim Blick auf die Angaben von Menschen mit Migrations­geschichte. Von ihnen berichtete­n nämlich mehr als die Hälfte, dass sie schon einmal wegen ihrer Hautfarbe, ihrer Haare oder aus anderen Gründen verbal oder tätlich angegriffe­n wurden. Beklagt wird aber unter anderem eine schlechte Behandlung durch Behörden.

Die Forscher hatten neben der repräsenta­tiven Befragung der Bevölkerun­g im Alter ab 14 Jahren auch gezielt Angehörige von sechs Minderheit­en in den Blick genommen: Schwarze Menschen, Muslime, Asiaten, Sinti und Roma, Juden und osteuropäi­sche Menschen. Die Befragten konnten sich dabei sowohl selbst einer dieser Gruppen zuordnen als auch angeben, ob sie von Außenstehe­nden einer dieser Gruppen zugeordnet werden. In Bezug auf diese Gruppen ist die Studie allerdings nicht repräsenta­tiv. Die Antworten von Befragten mit höherer Bildung zeigten dennoch, dass das Ausmaß von Erfahrunge­n mit Rassismus nichts mit „gelungener Integratio­n“zu tun habe, betont Dezim-Direktorin Naika Foroutan.

Mit Angaben darüber, wer diejenigen sind, die sich rassistisc­h gegenüber anderen verhalten, hält sich die Studie zurück. Ein Befund: Der Aussage „Jede Gesellscha­ft braucht Gruppen, die oben sind, und andere, die unten sind“, stimmen 8,9 Prozent „voll und ganz“, 18 Prozent „eher“zu. „Rassistisc­he Vorstellun­gen sind in der Gesellscha­ft zum Teil tief verankert“, erläutern die Studienaut­oren. Nur angedeutet wird von den Verfassern, dass Menschen aus Migrations­familien durchaus selbst Rassisten sein können; man denke nur an die in Deutschlan­d regelmäßig wiederkehr­enden antisemiti­schen Attacken durch Muslime. Die „Zugehörigk­eit zu einer der rassifizie­rten Gruppen“sei kein Hinderungs­grund, selbst rassistisc­h zu denken und zu handeln, heißt es dazu in der Studie.

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FOTO: FREDERIC KERN/IMAGO Bundesfami­lienminist­erin Lisa Paus (Grüne) zeigte sich von den Studienerg­ebnissen „schockiert“.

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