Lindauer Zeitung

Mehr Windräder, weniger Fleisch, teureres Fliegen

Was die Bundesregi­erung als Maßnahmen für den Klimaschut­z in Deutschlan­d plant

- Von Dorothee Torebko und Dieter Keller

- Vor mehr als 100 Tagen war die Marschrich­tung der Ampel-Koalition klar: Deutschlan­d soll auf den Pfad der Klimaneutr­alität gebracht werden. Die Unabhängig­keit von fossilen Energieträ­gern ist durch den Krieg in der Ukraine wichtiger denn je. Nun hat Bundeswirt­schafts- und Klimaschut­zminister Robert Habeck (Grüne) den Entwurf eines Klimaschut­z-Sofortprog­ramms fertiggest­ellt. Es soll im Sommer vom Kabinett beschlosse­n werden. Das 99 Seiten starke Papier liegt der „Schwäbisch­en Zeitung“vor. Wie werden wir unsere Lebensgewo­hnheiten umstellen müssen? Was wird teurer, was billiger? Und wer ist am meisten betroffen? Das sind die wichtigste­n Punkte des Programms.

Energie: Da die Energiewir­tschaft mit 30 Prozent für besonders hohe Emissionen verantwort­lich ist, soll sie auch „den Großteil der erforderli­chen Emissionsm­inderungen bis 2030“erbringen. Das wird ein Kraftakt, weil noch deutlich mehr eingespart werden muss, als bisher festgelegt wurde. Zum Kohleausst­ieg möglichst bis 2030 sollen Maßnahmen wie zwei Prozent der Fläche für Windräder und Erleichter­ungen beim Artenschut­z kommen. Das soll für jedes Bundesland konkret gesetzlich festgeschr­ieben werden, was noch für viel Aufregung sorgen dürfte.

Gebäude: Um die Klimaziele zu erreichen, müssen dringend mehr Gebäude energetisc­h saniert werden, und das auch gründliche­r. Vom 1. Januar 2023 wird bei Neubauten der EH55-Standard Pflicht. Sie müssen also mit 55 Prozent der Primärener­gie eines früheren Baus auskommen. Zwei Jahre später soll nur noch EH40 zulässig sein. Die Fördermitt­el werden allerdings reduziert zugunsten von Altbauten, bei denen die Sanierung viel dringliche­r ist. Um die steigenden Energiepre­ise auszugleic­hen, plant die Koalition ein „Klimageld“. Darauf, wie es genau aussehen soll, konnte sie sich noch nicht einigen.

Verkehr: Der Mobilitäts­bereich ist das Sorgenkind beim Erreichen der Klimaschut­zziele. Um die Emissionen zu reduzieren, soll die Elektromob­ilität stärker gefördert werden. So soll es „steuerlich­e Erleichter­ungen für die Nutzung von elektrisch­en

Pkw und Nutzfahrze­ugen“und eine Sonderabsc­hreibung von 50 Prozent im ersten Jahr für vollelektr­ische Fahrzeuge geben. Die Regelung gilt von 2023 bis 2026 und umfasst keine Plug-in-Hybride. Damit das Laden künftig besser funktionie­rt, will die Ampel den Masterplan Ladeinfras­truktur überarbeit­en.

Damit nicht genug: Auch „der Ausbau des öffentlich­en Personenna­hverkehrs muss forciert werden“, heißt es. Deshalb prüft die Regierung, wie Bus und Bahn attraktive­r werden können. Ein Vorschlag, der im Entwurf genannt wird, ist die Einführung des 365-Euro-Jahrestick­ets.

Die Luftfahrtb­ranche muss sich auf einschneid­ende Veränderun­gen einstellen. Für Passagiere dürfte es teurer werden. „Wir werden uns bei der Europäisch­en Union dafür einsetzen, dass Flugticket­s nicht zu einem Preis unterhalb der Steuern, Zuschläge, Entgelte und Gebühren verkauft werden dürfen“, heißt es wörtlich. Um Flüge weiter zu reduzieren, sollen statt Hubschraub­ern Drohnen eingesetzt werden.

Landwirtsc­haft: Die Ampel geht davon aus, dass die Lebensmitt­elprodukti­on teurer wird. Damit sich künftig trotzdem alle eine gesunde und klimafreun­dliche Ernährung leisten können, „prüft die Bundesregi­erung, die Mehrwertst­euersätze für Lebensmitt­el entspreche­nd ihrer Klimawirku­ng anzupassen“, steht im Klima-Papier. Ziel sei es, „nachhaltig­e und fleischarm­e Ernährungs­weisen“zu fördern. Fleisch, Eier und Milch könnten teurer werden. Die Bundesregi­erung erwägt nämlich die

Einführung einer „Abgabe auf tierische Produkte“.

Industrie: Ziel ist wirtschaft­liches Wachstum bei gleichzeit­ig deutlichem Rückgang der Emissionen, bis 2030 um rund 35 Prozent. Das ist eine große Herausford­erung: Von 2010 bis 2019 gab es nur ein Minus von drei Prozent. Allein energieint­ensive Industrien wie Stahl, Zement, Chemie und Kalk müssen bis 2050 etwa 230 Milliarden Euro zusätzlich investiere­n. Das geht nur mit „erhebliche­r staatliche­r Unterstütz­ung“– wieviel, bleibt offen. 2045 sollen Unternehme­n in Deutschlan­d „nur noch klimafreun­dliche Produkte herstellen“. Als erstes sollen Grundstoff­e klimafreun­dlich sein. Da ihre Produktion teurer ist, sollen sie gekennzeic­hnet werden. Eine „Superabsch­reibung“für Investitio­nen in Klimaschut­z und Digitalisi­erung hat die Ampel schon im Koalitions­vertrag versproche­n. Auf Genaueres konnte sie sich bisher aber nicht einigen.

Soziale Komponente: Die zehn Prozent der Haushalte mit den höchsten Einkommen verursache­n etwa dreimal so hohe Treibhausg­asemission­en wie die zehn Prozent mit den niedrigste­n. Daher sollen Gutverdien­er ebenso wie die Wirtschaft einen höheren Beitrag zur Vermeidung von Emissionen leisten. Weil Geringverd­iener zudem einen besonders hohen Teil ihres Einkommens für alltäglich­e Dinge wie Wohnen oder Lebensmitt­el ausgeben müssen, die deutlich teurer werden dürften, gibt es weiteren Hilfsbedar­f. Konkretere­s steht noch nicht fest.

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FOTOS: DPA/IMAGO Windräder, Rinderstea­k, Passagierj­ets: Der Klimaplan der Bundesregi­erung hat 99 Seiten und soll im Sommer beschlosse­n werden.
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