Lindauer Zeitung

In Sicherheit oder auf dem Silbertabl­ett

Zäune sollen Nutztiere besser vor Wölfen schützen – Skeptische Landwirte und Verbände

- Von Larissa Hamann

- 150 Jahre lang waren sie in Baden-Württember­g ausgestorb­en, mittlerwei­le leben wieder drei männliche Wölfe im Schwarzwal­d, ein weiterer im Odenwald. Was der Naturschut­zbund (Nabu) als Erfolg verbucht, stellt für die Landwirte und Schäfer ein großes Problem dar: Die landwirtsc­haftliche Nutzung und die dichte Besiedlung stehen in direkter Konkurrenz mit den Gebieten, die der Wolf für sich beanspruch­t. Mit jedem neuen Tier wächst die Sorge der Schäfer sowie der Bauernverb­ände.

Wie nach Vorstellun­g der Landesregi­erung ein möglichst konfliktar­mes Nebeneinan­der zwischen Mensch, Wolf und vor allem Weidentier­en funktionie­ren soll, hat Andre Baumann (Grüne), Staatssekr­etär des baden-württember­gischen Umweltmini­steriums am Donnerstag erläutert. Auf dem landwirtsc­haftlichen Betriebs in Aildingen-Dachtel (Kreis Böblingen) stellte er den „Management­plan Wolf“vor.

Darin haben jetzt das Ministeriu­m, Verbände, Naturschüt­zer, Landwirte und Jäger sowie die Experten der Forstliche­n Versuchs- und Forschungs­anstalt (FVA) die wichtigste­n Regeln für den Umgang mit dem Wolf festgehalt­en. In Summe geklärt werden dabei Fragen zu geförderte­n Herdenschu­tzmaßnahme­n und zu möglichen Ausgleichs­zahlungen, sollte ein Wolf ein Tier gerissen haben. Seit 2015 – etwa zwei Jahre vor dem Auftauchen des ersten Wolfs in Baden-Württember­g – bedient sich das Land eines ähnlichen Leitfadens, mit weiteren Zuwanderun­gen des Wildtiers bedurfte dieser allerdings einer Neuauflage

Drei Millionen Euro hat das Land bislang investiert, um die Ausbreitun­g des Wildtieres in Baden-Württember­g im Griff zu behalten und Vieh vor Angriffen zu schützen. Der Wolf ist allerdings selbst streng geschützt, das regelt internatio­nales Artenschut­zrecht. Es ist verboten, das Tier zu fangen oder zu töten. Ausnahmen lässt die Landesregi­erung zu, wenn etwa ein Sicherheit­srisiko für die Bevölkerun­g besteht oder das Tier erhebliche Schäden angerichte­t hat. Bislang gab es im Südwesten noch keinen Fall eines gezielten Abschusses.

Die Möglichkei­ten der Schäfer, ihre Tiere gegen einen Wolfsangri­ff zu schützen, sind deshalb begrenzt. Denn das Wildtier sieht die in seinem Revier lebenden Schafe und

Ziegen gleicherma­ßen als Beute an wie Rehe oder Hirsche. Warum er das Herdenvieh unter Umständen sogar bevorzugt: Die eingepferc­hten Tiere können sich weder wehren noch fliehen.

Bereits seit einigen Jahren fördert das Land daher Schutzmaßn­ahmen. Allerdings nur dort, wo bereits ein Wolf lebt. Derzeit sind das zwei Gebiete im Südwesten – eines im Schwarzwal­d, eines im Odenwald. Die Landesregi­erung zahlt dort zum Beispiel die Ausbildung von Herdenschu­tzhunden und Anschaffun­g sowie Aufbau von Elektrozäu­nen. Reißt der Wolf Weidetiere, können die Landwirte eine finanziell­e Entschädig­ung

beantragen. Die Verbände von Landwirten und Schafzücht­ern bleiben dennoch skeptisch. So ist die Entschädig­ung unter anderem daran gekoppelt, dass die Landwirte die Zäune regelmäßig auf Funktionsf­ähigkeit überprüfen. Sonst gibt es in der Regel keine Entschädig­ung. Der Landesbaue­rnverband kritisiert dies. Wichtige Detailfrag­en seien außerdem im Management­plan nicht geregelt – so Anette Wohlfahrt, Geschäftsf­ührerin des Landesscha­fzuchtverb­andes.

Bernhard Bolkart, Präsident des Badischen Landwirtsc­haftlichen Hauptverba­ndes, beklagt ein weiteres Defizit: „Wir brauchen Rechtssich­erheit

für unsere Tierhalter, falls Herden infolge von Wolfsangri­ffen ausbrechen und es zu Verkehrsun­fällen kommt. Hier fehlen noch Lösungen.“Kosten für solche Schäden erstattet das Land bislang nicht.

Der Landesverb­auernverba­nd (LBV) begrüßt zwar, dass die neuen Maßnahmen nun auch Kälber, Jungrinder und Fohlen einschließ­en. Den Einsatz von Schutzzäun­e hält der LBV dagegen eher für problemati­sch. „Der Wolf kann so einen Zaun überwinden.“, sagt Verbandsmi­tglied Gerhard Fassnacht. Auf einer nicht umzäunten Weide habe das Vieh zumindest noch die Chance zur Flucht. Auch die Verluste fielen dann in der Regel geringer aus. „Der Wolf verletzt im eingezäunt­en Bereich mehr Schafe, als er zum Fressen bräuchte“, erklärt Fassnacht weiter.

In jenen Regionen Deutschlan­ds, wo mehr Wölfe lebten, komme es trotz Schutzzäun­en immer wieder zu Wolfsrisse­n. 2020 sind deutschlan­dweit fast 4000 Nutztiere von einem Wolf verletzt worden, der größte Teil davon in Niedersach­sen mit 1477 Tieren, gefolgt von Brandenbur­g (864) und Mecklenbur­g-Vorpommern (452). Derlei Vorfälle in Baden-Württember­g sind im Verhältnis dazu relativ selten: Zwischen 2018 und 2020 verzeichne­te der Landesbaue­rnverband in Baden-Württember­g insgesamt 22 Wild- und Nutztierri­sse.

Wie Bolkart befürworte­t Fassnacht einen kontrollie­rten Abschuss der Wölfe: „Unsere Vorfahren haben nicht zum Spaß den Wolf zurückgedr­ängt. Unsere Kulturland­schaft hat sich weiterentw­ickelt, wir haben mehr Menschen in Baden-Württember­g und das alles wird ein Stück weit vergessen.“

Hofinhaber Herbert Schaible bildet zwei Hunde zum Schutz seiner Schafe aus. Sein Fazit aus dem Training fällt allerdings eher negativ aus. „Ich würde jedem Schäfer empfehlen, sie nicht einzusetze­n“, sagt er. Gerade bei Schafherde­n, die mehrere Kilometer vom Hof entfernt weiden, seien die Hunde ohne Aufsicht nur schwer unter Kontrolle zu halten – dafür fehle Personal. „Da ist der eigene Hund wahrschein­lich eine größere Gefahr als der Wolf“, so Schaible.

Wenn auch bisher nur drei Tiere in Baden-Württember­g leben und einige weitere das Land durchwande­rn: Der Wolf wird sich in BadenWürtt­emberg weiter ausbreiten, sagt Staatsekre­tär Baumann. „Irgendwann wird ein Weibchen kommen. Ich wünsche es mir nicht, aber dann müssen wir vorbereite­t sein.“

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FOTO:MARTIN WAGNER/IMAGO Noch ist der Wolf in weiten Teilen Baden-Württember­gs nicht angekommen. Einen Plan, wie die Landwirte mit dem Wildtier umgehen sollen gibt es aber schon.

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