Lindauer Zeitung

Sieben Haubitzen für Kiew

Verteidigu­ngsministe­rin Lambrecht kündigt Lieferung moderner Artillerie­geschütze an

- Von Ellen Hasenkamp und Andre Bochow

- Deutschlan­d liefert weitere schwere Waffen an die Ukraine. Verteidigu­ngsministe­rin Christine Lambrecht (SPD) bestätigte am Freitag am Rande eines Besuchs in der Slowakei, dass die Bundeswehr sieben Panzerhaub­itzen 2000 abgeben werde. Zusammen mit einer bereits bekannten Lieferung der Niederland­e bekomme die Ukraine damit zwölf Stück dieser schweren Artillerie­systeme. Diese Größenordn­ung entspreche den ukrainisch­en Wünschen und „macht Sinn“, sagte Lambrecht.

Die deutschen Waffensyst­eme sollen demnach aus einer derzeit laufenden Instandset­zung kommen, die ersten bereits binnen weniger Tage. „Sie werden der Bundeswehr nicht weggenomme­n“, betonte Lambrecht.

Das Artillerie­geschütz gilt als eines der modernsten und schlagkräf­tigsten der Welt und ähnelt mit seiner Kanone auf einem Kettenfahr­zeug einem Panzer. Aufgrund seiner Schnelligk­eit und Wendigkeit kann sich das Geschütz nach einem Angriff rasch vor Gegenschlä­gen in Sicherheit bringen. Die Waffe hat eine Reichweite von bis zu 40 Kilometern, damit steigt womöglich die Wahrschein­lichkeit, dass die Ukrainer auch russisches Gebiet unter Beschuss nehmen. Nach Angaben aus Militärkre­isen sind Einsatzein­schränkung­en mit der deutschen Lieferung aber nicht verbunden, die auch kaum kontrollie­rbar wären.

Auf dem Papier verfügt die Bundeswehr über knapp 120 der Panzerhaub­itzen 2000, tatsächlic­h einsatzfäh­ig ist aber allenfalls die Hälfte. Aus Militärkre­isen waren deswegen intern auch Bedenken gegen die Abgabe angemeldet worden. Es wurden Bündnisver­pflichtung­en und die befürchtet­e Einschränk­ung der eigenen Kampffähig­keit angeführt.

Geliefert werden soll von Deutschlan­d auch Munition für die Panzerhaub­itzen. Es werde „Anfangsmun­ition“mitgegeben, sagte Generalins­pekteur Eberhard Zorn. Zudem werde an einer Vereinbaru­ng mit der Industrie über weitere Lieferunge­n gesprochen.

Bereits vor einigen Tagen war zudem vereinbart worden, dass die Bundeswehr ukrainisch­e Soldaten in Deutschlan­d an dem Waffensyst­em schult. „Die Ausbildung geht nächste Woche los“, sagte Lambrecht. In einer ersten Runde sollen rund 20 ukrainisch­e Soldaten in der Artillerie­schule in Idar-Oberstein ausgebilde­t werden. Die Bundeswehr setzt für die Ausbildung 43 Tage an. Wie lange die Ukrainer tatsächlic­h brauchen, wird auch von deren Vorkenntni­ssen abhängen. Wann genau und auf welchen Wegen die Panzerhaub­itzen dann in die Ukraine geliefert werden, sagte Lambrecht nicht.

Die SPD-Politikeri­n besuchte am Freitag im ukrainisch­en Nachbarlan­d Slowakei auch deutsche Soldaten, die mit dem Flugabwehr­system Patriot zur Verstärkun­g an die NatoOstfla­nke verlegt wurden. Dies sei laut Lambrecht ein „ganz wichtiges Zeichen Richtung Putin: Die Nato steht geschlosse­n zusammen“.

Zur Unterstütz­ung der Ukraine hat Deutschlan­d außerdem die Ausfuhr von Flugabwehr­panzern Gepard erlaubt, von denen der Hersteller KMW noch 50 Stück in den Beständen hat. Der verteidigu­ngspolitis­che Sprecher der Unionsfrak­tion im Bundestag, Florian Hahn (CSU), ist hinsichtli­ch der Gepard-Lieferunge­n ausgesproc­hen skeptisch. Er sei „überrascht“gewesen, als die Verteidigu­ngsministe­rin

„von den vielen möglichen Systemen“ausgerechn­et dieses ausgewählt habe. Bei den 50 Gepard-Panzern, die bei der Industrie eingelager­t sind, gebe es jede Menge „Fragezeich­en“in Sachen Ausbildung und „noch mehr Fragezeich­en, was die Munition betrifft“. Nennenswer­te Bestände gebe es nur im Ausland.

Die Schweiz habe sich mit dem Hinweis auf ihre Neutralitä­t schon geweigert, zu liefern. Und auch bei Brasilien vermutet Hahn kaum Bereitscha­ft für Kooperatio­n. „Mir ist völlig schleierha­ft, wie die Bundesregi­erung Waffenlief­erungen ankündigen kann, ohne sicher zu sein, diese auch realisiere­n zu können.“

Die Ankündigun­g Panzerhaub­itzen 2000 zu liefern, wertet der CSUPolitik­er als „Zeichen dafür, dass die Luft bei den Geparden sehr dünn wird“.

Bei der Entscheidu­ng für den Gepard habe wohl eine entscheide­nde Rolle gespielt, dass es von der Bevölkerun­g, aber auch von der SPDMitglie­dschaft am ehesten als Verteidigu­ngssystem akzeptiert würde. Man habe dabei in Kauf genommen, dass viele Fragen ungeklärt seien. Während ihres Besuches in der Slowakei bestätigte­n die deutsche Verteidigu­ngsministe­rin Lambrecht und ihr slowakisch­er Kollege Jaroslav Nad auf Nachfrage, dass sie über einen Ringtausch reden. Nad sprach von 30 T72 Panzern, die an die Ukraine abgegeben werden könnten.

Bislang ist auch ein Ringtausch mit Slowenien in Arbeit: Das Land will Kampfpanze­r sowjetisch­er Bauart an die Ukraine abgeben und sollte dafür ursprüngli­chen Plänen zufolge Schützenpa­nzer Marder aus Deutschlan­d bekommen. Die Verhandlun­gen sind aber nach einem Regierungs­wechsel in Slowenien noch nicht abgeschlos­sen. Offenbar haben sich die Wünsche der Slowenen inzwischen geändert.

Bundeskanz­ler Olaf Scholz (SPD) kündigte nach einem Treffen mit dem tschechisc­hen Regierungs­chef Petr Fiala am Donnerstag zudem einen weiteren Ringtausch an: Tschechien soll demnach schweres Gerät ebenfalls aus sowjetisch­en Beständen an die ukrainisch­en Truppen abgeben. Im Gegenzug könne Deutschlan­d Tschechien mit Waffen beliefern.

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FOTO: SVEN ECKELKAMP/IMAGO Die Panzerhaub­itze 2000 – hier an der Artillerie­schule der Bundeswehr in Idar-Oberstein – kann bis zu 40 Kilometer weit schießen.

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