Staatsanwaltschaft durchsucht Strobls Innenministerium
Kritik vom Chef der Polizeigewerkschaft – Opposition sieht „Misstrauensvotum“der Polizisten
(dpa/sz) - Zwei Tage nach Beginn der Ermittlungen gegen Baden-Württembergs Innenminister Thomas Strobl (CDU) wegen der Weitergabe eines Anwaltsschreibens an die Presse hat die Staatsanwaltschaft das Ministerium durchsucht und Unterlagen eingezogen. Die Anklagebehörde teilte am Freitagabend in Stuttgart mit, es seien „Durchsuchungsmaßnahmen durchgeführt und Beweismittel sichergestellt“worden. Es gehe um den Verdacht verbotener Mitteilungen über Gerichtsverhandlungen.
Das Ministerium erklärte, man habe der Anklagebehörde „vollumfänglich und unverzüglich alle Informationen gegeben“. Man setze auf „maximale Kooperation mit der Staatsanwaltschaft“. Der 62-jährige Strobl steht wegen der Affäre massiv unter Druck, die Opposition fordert seinen Rücktritt.
Auch die Deutsche Polizeigewerkschaft kritisierte Strobls Verhalten. „Wäre Innenminister Strobl ein Polizist, hätte ihn das Innenministerium schon suspendiert und man hätte eine Pressemitteilung herausgegeben, die eine Rückkehr sehr schwer gemacht hätte“, sagte Landeschef Ralf Kusterer. Mit Blick auf die Rücktrittsforderungen der Opposition erklärte der Gewerkschafter, er habe „Verständnis für die politischen Bewertungen in der Causa Strobl“. Der 62-Jährige selbst äußerte sich am Freitag nicht zu den Vorwürfen – mit
Rücksicht auf das gegen ihn laufende Ermittlungsverfahren.
Strobl wird vorgeworfen, ein anwaltliches Schreiben an das Ministerium an einen Journalisten weitergegeben zu haben. Das könnte nach Ansicht der Stuttgarter Staatsanwälte eine Anstiftung zur Mitteilung über laufende Gerichtsverhandlungen sein. Die entsprechende Regel im Strafgesetzbuch verbietet es, amtliche Dokumente eines Verfahrens öffentlich zu machen, bevor sie in einer öffentlichen Gerichtsverhandlung erörtert wurden oder das Verfahren abgeschlossen ist. Auch gegen den Journalisten selbst wird deshalb ermittelt.
Hintergrund sind laufende Ermittlungen gegen einen ranghohen Polizisten. Er soll eine Mitarbeiterin sexuell belästigt haben. Deswegen hatte Strobls Ministerium auch ein Disziplinarverfahren eröffnet, das aber wegen des zeitgleich laufenden strafrechtlichen Verfahrens ruht. In diesem Zusammenhang
hatte sich der Anwalt des Beschuldigten direkt an das Ministerium gewandt und um ein informelles Gespräch zu dem Fall gebeten, um eine Lösung abseits der laufenden Verfahren zu finden. Das lehnte das Ministerium ab und wollte dies mit der Weitergabe des Briefes öffentlich dokumentiert wissen. Damals kam das Ministerium offenbar zu der juristischen Bewertung, man könne das Schreiben nach außen geben, ohne gegen geltende Regeln zu verstoßen. Denn der Brief habe sich nicht auf das laufende Strafverfahren bezogen und das Disziplinarverfahren gegen den Spitzenbeamten habe ja geruht.
Kusterer stört unter anderem, dass Strobl sich damit vor Abschluss der Ermittlungen gegen seinen Untergebenen stellt. „Der Vertrauensverlust in der Polizei, aber auch bei den Bürgerinnen und Bürgern wirkt schwer.“Er plädierte dafür, dem Innenministerium das Disziplinarverfahren
gegen den hohen Beamten zu entziehen und am besten dem Staatsministerium zu übertragen. Der Gewerkschaftschef Kusterer ist seit Jahren ein Kritiker Strobls, obwohl er selbst jahrelang Mitglied des CDUArbeitskreises Polizei war, wenn auch nicht Parteimitglied. Aus dem Arbeitskreis trat Kusterer aus, weil er Zugeständnisse der CDU an den grünen Koalitionspartner nicht mittragen wollte – etwa die Pflicht zur Kennzeichnung von Beamten bei bestimmten Einsätzen.
Die Opposition sieht in Kusterers Äußerungen ein Misstrauensvotum der Polizei gegen den Minister. Allerdings gibt es aus der Polizei auch andere Stimmen, nach denen sich die Aufregung der Polizisten noch in Grenzen halte. SPD-Fraktionschef Andreas Stoch erinnerte dennoch an einen legendären Spruch von Ex-Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU), der auch Strobls Schwiegervater ist: „Da wüsste Wolfgang Schäuble, was es geschlagen hat: Isch Over“, schrieb Stoch auf Twitter. „Wissen Sie es auch, Herr Kretschmann?“
Sein Kollege von der FDP, HansUlrich Rülke, sagte, die Kritik der Gewerkschaft an Strobl sei „vernichtend“. Nur Regierungschef Winfried Kretschmann (Grüne) erkenne nicht, „dass dieser Minister endgültig verbrannt ist. Wie lange will er noch zuschauen?“
Kretschmann hatte seinem VizeRegierungschef Strobl am Mittwoch das „volle Vertrauen“ausgesprochen, sich aber zu den Ermittlungen nicht geäußert.