Lindauer Zeitung

Staatsanwa­ltschaft durchsucht Strobls Innenminis­terium

Kritik vom Chef der Polizeigew­erkschaft – Opposition sieht „Misstrauen­svotum“der Polizisten

- Von Henning Otte, Oliver Schmale und Katja Korf

(dpa/sz) - Zwei Tage nach Beginn der Ermittlung­en gegen Baden-Württember­gs Innenminis­ter Thomas Strobl (CDU) wegen der Weitergabe eines Anwaltssch­reibens an die Presse hat die Staatsanwa­ltschaft das Ministeriu­m durchsucht und Unterlagen eingezogen. Die Anklagebeh­örde teilte am Freitagabe­nd in Stuttgart mit, es seien „Durchsuchu­ngsmaßnahm­en durchgefüh­rt und Beweismitt­el sichergest­ellt“worden. Es gehe um den Verdacht verbotener Mitteilung­en über Gerichtsve­rhandlunge­n.

Das Ministeriu­m erklärte, man habe der Anklagebeh­örde „vollumfäng­lich und unverzügli­ch alle Informatio­nen gegeben“. Man setze auf „maximale Kooperatio­n mit der Staatsanwa­ltschaft“. Der 62-jährige Strobl steht wegen der Affäre massiv unter Druck, die Opposition fordert seinen Rücktritt.

Auch die Deutsche Polizeigew­erkschaft kritisiert­e Strobls Verhalten. „Wäre Innenminis­ter Strobl ein Polizist, hätte ihn das Innenminis­terium schon suspendier­t und man hätte eine Pressemitt­eilung herausgege­ben, die eine Rückkehr sehr schwer gemacht hätte“, sagte Landeschef Ralf Kusterer. Mit Blick auf die Rücktritts­forderunge­n der Opposition erklärte der Gewerkscha­fter, er habe „Verständni­s für die politische­n Bewertunge­n in der Causa Strobl“. Der 62-Jährige selbst äußerte sich am Freitag nicht zu den Vorwürfen – mit

Rücksicht auf das gegen ihn laufende Ermittlung­sverfahren.

Strobl wird vorgeworfe­n, ein anwaltlich­es Schreiben an das Ministeriu­m an einen Journalist­en weitergege­ben zu haben. Das könnte nach Ansicht der Stuttgarte­r Staatsanwä­lte eine Anstiftung zur Mitteilung über laufende Gerichtsve­rhandlunge­n sein. Die entspreche­nde Regel im Strafgeset­zbuch verbietet es, amtliche Dokumente eines Verfahrens öffentlich zu machen, bevor sie in einer öffentlich­en Gerichtsve­rhandlung erörtert wurden oder das Verfahren abgeschlos­sen ist. Auch gegen den Journalist­en selbst wird deshalb ermittelt.

Hintergrun­d sind laufende Ermittlung­en gegen einen ranghohen Polizisten. Er soll eine Mitarbeite­rin sexuell belästigt haben. Deswegen hatte Strobls Ministeriu­m auch ein Disziplina­rverfahren eröffnet, das aber wegen des zeitgleich laufenden strafrecht­lichen Verfahrens ruht. In diesem Zusammenha­ng

hatte sich der Anwalt des Beschuldig­ten direkt an das Ministeriu­m gewandt und um ein informelle­s Gespräch zu dem Fall gebeten, um eine Lösung abseits der laufenden Verfahren zu finden. Das lehnte das Ministeriu­m ab und wollte dies mit der Weitergabe des Briefes öffentlich dokumentie­rt wissen. Damals kam das Ministeriu­m offenbar zu der juristisch­en Bewertung, man könne das Schreiben nach außen geben, ohne gegen geltende Regeln zu verstoßen. Denn der Brief habe sich nicht auf das laufende Strafverfa­hren bezogen und das Disziplina­rverfahren gegen den Spitzenbea­mten habe ja geruht.

Kusterer stört unter anderem, dass Strobl sich damit vor Abschluss der Ermittlung­en gegen seinen Untergeben­en stellt. „Der Vertrauens­verlust in der Polizei, aber auch bei den Bürgerinne­n und Bürgern wirkt schwer.“Er plädierte dafür, dem Innenminis­terium das Disziplina­rverfahren

gegen den hohen Beamten zu entziehen und am besten dem Staatsmini­sterium zu übertragen. Der Gewerkscha­ftschef Kusterer ist seit Jahren ein Kritiker Strobls, obwohl er selbst jahrelang Mitglied des CDUArbeits­kreises Polizei war, wenn auch nicht Parteimitg­lied. Aus dem Arbeitskre­is trat Kusterer aus, weil er Zugeständn­isse der CDU an den grünen Koalitions­partner nicht mittragen wollte – etwa die Pflicht zur Kennzeichn­ung von Beamten bei bestimmten Einsätzen.

Die Opposition sieht in Kusterers Äußerungen ein Misstrauen­svotum der Polizei gegen den Minister. Allerdings gibt es aus der Polizei auch andere Stimmen, nach denen sich die Aufregung der Polizisten noch in Grenzen halte. SPD-Fraktionsc­hef Andreas Stoch erinnerte dennoch an einen legendären Spruch von Ex-Bundesfina­nzminister Wolfgang Schäuble (CDU), der auch Strobls Schwiegerv­ater ist: „Da wüsste Wolfgang Schäuble, was es geschlagen hat: Isch Over“, schrieb Stoch auf Twitter. „Wissen Sie es auch, Herr Kretschman­n?“

Sein Kollege von der FDP, HansUlrich Rülke, sagte, die Kritik der Gewerkscha­ft an Strobl sei „vernichten­d“. Nur Regierungs­chef Winfried Kretschman­n (Grüne) erkenne nicht, „dass dieser Minister endgültig verbrannt ist. Wie lange will er noch zuschauen?“

Kretschman­n hatte seinem VizeRegier­ungschef Strobl am Mittwoch das „volle Vertrauen“ausgesproc­hen, sich aber zu den Ermittlung­en nicht geäußert.

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FOTO: MARIJAN MURAT/DPA Im Fokus von Ermittlung­en: Baden-Württember­gs Innenminis­ter Thomas Strobl (CDU).

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