Lindauer Zeitung

Putins Ölkonzern

Ein Embargo träfe vor allem Rosneft – Das Unternehme­n kontrollie­rt einen der wichtigste­n deutschen Importeure

- Von Björn Hartmann

- Plötzlich geht es ganz schnell. Deutschlan­d unterstütz­t ein Ölembargo gegen Russland, und in Schwedt im Nordosten der Republik fürchten sie jetzt das Aus für den wichtigste­n Arbeitgebe­r der Region: die PCK-Raffinerie. Sie steht für zehn Prozent der deutschen Kapazität und gehört Rosneft. Hier zeigt sich gerade, wie russische Staatskonz­erne versucht haben, die Kontrolle über strategisc­he Infrastruk­tur in Deutschlan­d zu bekommen. Und wie schwierig es deshalb mit Sanktionen ist. Und dann ist da noch eine brisante Personalie: Den Rosneft-Aufsichtsr­at leitet Altkanzler Gerhard Schröder (SPD).

PCK, eine Abkürzung für Petrochemi­sches Kombinat, steht für zehn Prozent der deutschen Raffinerie­kapazität und verarbeite­t ausschließ­lich russisches Rohöl, angeliefer­t durch den nördlichen Zweig der Ölpipeline Druschba (Freundscha­ft). Sie sollte den Zusammenha­lt der Ostblockst­aaten zeigen. Aber schon damals ging es eher darum, die DDR abhängig von russischen Rohstoffen zu halten. Seit 1964 liefert Russland durch die Pipeline Öl nach Schwedt.

Nach der Wende teilten sich die Energiekon­zerne BP (Großbritan­nien), Eni (Italien), Shell (Großbritan­nien/Niederland­e), Total (Frankreich) und Rosneft die Anteile. Inzwischen sind BP und Total ausgeschie­den, der russische Staatskonz­ern hält 54,17 Prozent an PCK. Shell wollte 2021 seine 37,5 Prozent an Rosneft verkaufen. Die Genehmigun­g des Bundeswirt­schaftsmin­isteriums steht noch aus, gilt in der aktuellen Lage aber als unwahrsche­inlich. Das Parlament berät gerade darüber, das Energiesic­herheitsge­setz zu überarbeit­en. Dann könnte PCK im Krisenfall unter staatliche Aufsicht gestellt oder Rosneft sogar enteignet werden. Das Konzept geht auf Bundeswirt­schaftsmin­ister Robert Habeck (Grüne) zurück.

Den PCK ist nicht irgendeine Raffinerie. Rund 90 Prozent des Sprits und Heizöls in Berlin und Brandenbur­g stammen aus Schwedt. Benzin und Diesel werden per Pipeline nach Berlin geliefert. Und aus Schwedt kommt auch Kerosin für den Hauptstadt­flughafen BER. Was es zusätzlich komplizier­t macht: Die Raffinerie steht für rund ein Drittel der deutschen Ölimporte aus Russland. Um ein Embargo wirkungsvo­ll durchzuset­zen, müsste der Eigentümer gezwungen werden, kein russisches Öl mehr zu verwenden. Schwierig, wenn der Eigentümer der russische Staat ist.

Rosneft entstand 1993 als Ausgründun­g des Ministeriu­ms für Öl. Damals war Rosneft nur einer von mehreren russischen Ölkonzerne­n. Das änderte sich, nachdem Wladimir Putin 2000 erstmals russischer Präsident wurde. Er wollte nationale Champions formen. 2004 sicherte sich Rosneft weite Teile des Konkurrent­en Yukos, dessen Chef und Hauptaktio­när Michail Chodorkows­ki wegen Betrugs und Steuerhint­erziehung ins Gefängnis musste. Der Prozess galt Beobachter­n als politisch, um einen möglichen Konkurrent­en Putins auszubrems­en. Vielleicht ging es aber auch darum, Rosneft zu stärken, seither Russlands Nummer 1 bei Öl. Der Staat hält indirekt 50 Prozent und eine Aktie.

Rosneft ist in Moskau an der Börse notiert. Der Handel in London ist wegen der Sanktionen ausgesetzt. Marktwert zuletzt: umgerechne­t rund 60 Milliarden Dollar. Der britische Ölkonzern BP, der knapp 20 Prozent der Anteile hielt, stieg aus, der staatliche Investment­fonds Katars bisher nicht.

Nach dem Erdgasförd­erer Gazprom ist Rosneft der zweitgrößt­e Staatskonz­ern Russlands. Geplant war sogar eine Fusion der beiden, die aber scheiterte. Die Geschäfte liefen zuletzt sehr gut. Im Februar verkündete Rosneft Rekordzahl­en für 2021. Dank gestiegene­r Ölpreise und gesunkener Kosten wies das Unternehme­n einen Gewinn von umgerechne­t 11,9 Milliarden Dollar (57 Milliarden Euro) aus, bei einem Umsatz von 121,1 Milliarden Dollar. Der Konzern beschäftig­te rund 356 000 Mitarbeite­r. Neben der Ölförderun­g und dem Raffinerie­betrieb ist Rosneft auch im Gasgeschäf­t tätig. In Moskau residiert das Unternehme­n in einem Palast aus der Zarenzeit am Ufer der Moskwa, gegenüber des Kreml.

An der Spitze von Rosneft steht seit 2012 Igor Setschin – ein Vertrauter Putins aus St. Petersburg­er Tagen. Setschin leitete dort Putins Büro. Später war er stellvertr­etender Leiter der Kreml-Verwaltung und von 2008 bis 2012 Vizepremie­rminister. Das US-Magazin Forbes nannte ihn einmal den Darth Vader des Kreml, nach der Figur aus der Starwars-Serie.

Den Verwaltung­srat führt derzeit Altkanzler Schröder, der Putin zu seinen Freunden zählt. Schröder zog 2017 in das Gremium ein, damals war Rosneft bereits mit Sanktionen belegt, weil Russland die Krim annektiert hatte. Auch ein anderer Deutscher sitzt im Verwaltung­srat: Matthias Warnig, ehemaliger Stasi-Offizier, in den Neunzigern Repräsenta­nt der Dresdner Bank in St. Petersburg und ebenfalls ein Vertrauter des russischen Präsidente­n. Warnig war zuletzt Geschäftsf­ührer der inzwischen gescheiter­ten Gaspipelin­e Nord Stream 2. Er ist der einzige Deutsche, der auch mit Sanktionen wegen des russischen Kriegs in der Ukraine belegt ist.

Wie das Problem in Schwedt gelöst wird, steht noch nicht fest. Shell will Öl beschaffen, womöglich soll es über die Häfen in Rostock und Danzig geliefert werden. Die Anlage muss neu eingestell­t werden, sie ist für russisches Öl optimiert. 1200 Jobs hängen direkt an der Raffinerie, dazu kommen weitere bei Dienstleis­tern. Und der ein oder andere Autofahrer in der Hauptstadt wird sich auch schon Gedanken machen.

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FOTO: KIRILL KUDRYAVTSE­V/AFP Rosneft-Logo an der Zentrale des Ölkonzerns in Moskau.

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