Forschen an Allergien: ein „Real-Labor“im Allgäu
Bad Hindelang liefert Daten für eine Umweltmedizinstudie - Hintergrund ist der Anstieg an Pollenallergikern
- Wie wirkt sich eine gesunde Umwelt auf den menschlichen Organismus aus? Das wird künftig in Bad Hindelang untersucht. Die seit 2011 als „allergikerfreundliche Kommune“ausgezeichnete Gemeinde hat mit der Universität Augsburg (Lehrstuhl für Umweltmedizin) eine Kooperation geschlossen. Daten aus dem Oberallgäu fließen ab Mitte Mai in eine medizinische Studie ein. Entstehen wird zunächst ein digitaler Umwelt-, Gesundheits- und Informationsdienst mit einer App, die Allergikern helfen soll. Bayerns Gesundheitsminister Klaus Holetschek (CSU) überreichte am Montag bei einer Pressekonferenz in Bad Hindelang dazu einen Scheck in Höhe von 200 000 Euro.
Als Umweltmedizinerin möchte Prof. Claudia Traidl-Hoffmann verstehen, „welche Umweltfaktoren uns krank machen – aber auch, welche uns gesund erhalten“. Moderne digitale Techniken wie Big-Data-Analysen, die verfügbare Messdaten aus mehreren Bereichen zusammenbringen, und auch Apps könnten dabei helfen. Daten aus Bad Hindelang werden nun zunächst bis September gesammelt. Die Gemeinde werde zum großen „Real-Labor“im Allgäu. Die Ergebnisse könnten „eine Blaupause für weitere Städte sein“, sagte TraidlHoffmann.
In Europa litten mittlerweile 40 Prozent der Erwachsenen an einer Allergie, bis zu 30 Prozent der Kinder hätten Neurodermitis. Diese Hauterkrankung sei der „Wegbereiter“für eine folgende Allergie, unter Umständen auch für Asthma. Die Umweltmedizinerin will die „Allergie-Epidemie verstehen und aufhalten“und dabei auch die Faktoren reine Luft und Pollenarmut berücksichtigen. Denn Bad Hindelang mit dem Ortsteil Oberjoch zähle zu den Orten mit der „besten Luft weltweit“. Das habe die Weltgesundheitsorganisation WHO bestätigt, sagte dazu Bürgermeisterin Dr. Sabine Rödel.
Pollenmessungen gebe es seit Jahrzehnten an der „Alpenklinik Santa Maria“in Oberjoch. Dort wurde vor Kurzem auch das Allergie-Kompetenzzentrum Oberallgäu gegründet mit einer ambulanten Beratung für Allergiker. „Santa Maria“ist eine Hochgebirgsklinik für Kinder- und Jugendmedizin und auf die Behandlung
von Neurodermitis sowie Allergien spezialisiert. Die Klinik mit ihrem ärztlichen Leiter Dr. Markus Koch ist eng eingebunden in die Kooperation zwischen der Uni und Bad Hindelang. Eine gute Behandlung von Neurodermitis bei Kindern könne helfen, dass keine weiteren Allergien ausbrechen, sagte Traidl-Hoffmann.
Caroline Böck (Lehrstuhl für Umweltmedizin der Universität Augsburg) machte auf einen „starken Zuwachs an Allergien in den vergangenen Jahren“aufmerksam. Seit 1990 habe sich die Zahl vervierfacht. An
Heuschnupfen litten bereits 24 bis 36 Millionen Menschen in Deutschland. Insbesondere auf Gräser und Birkenpollen würden viele reagieren. Symptome seien meist tränende Augen und Schnupfen. Würden die Symptome nicht behandelt, könne es zu einem „Etagenwechsel“kommen. „Dann besteht die Gefahr, an Asthma zu erkranken.“Eines sei darüber hinaus erkannt worden: „Durch die Klimakrise ändert sich die Pollenbelastung.“Es gebe immer mehr und auch aggressivere Pollen. Die pollenfreie Zeit werde immer kürzer.