Lindauer Zeitung

Warum Speiseöl so knapp und so teuer ist

Berthold Dreher von der Ölmühle Oberschwab­en über Preispolit­ik, Marktmecha­nismen und den Ukraine-Krieg

- Von Bernd Treffler

- Speiseöle, vor allem Sonnenblum­enöl und Rapsöl, sind in den Supermärkt­en derzeit ein knappes und mittlerwei­le recht teures Gut. Die Ursachen hierfür haben aber nicht nur mit dem Krieg in der Ukraine zu tun, sie liegen vielmehr schon Jahre zurück und sind teils hausgemach­t, sagt Berthold Dreher. Für die Verbrauche­r hat der Geschäftsf­ührer der Ölmühle Oberschwab­en in Wangen-Schauwies zudem keine guten Nachrichte­n.

Die Bilder von leeren Supermarkt­regalen ähneln denen in manchen Phasen der Corona-Krise. Nur dass es sich dieser Tage nicht um Mehl, Nudeln oder Klopapier handelt, sondern vor allem um Sonnenblum­enöl. Das ist seit dem Krieg in der Ukraine entweder gar nicht, oder wenn, dann nur in begrenztem Maße und für vergleichs­weise viel Geld zu kriegen. Steigerung­en um ein Vielfaches des früheren Preises sind keine Seltenheit. Die gängige Alternativ­e hierzu, das Rapsöl, ist ebenfalls um einiges teurer und dazu schnell vergriffen. Eine Entwicklun­g, die Berthold Dreher aufmerksam, aber auch mit etwas Sorge beobachtet.

Der Chef der im Gewerbegeb­iet Geiselharz-Schauwies beheimatet­en Ölmühle Oberschwab­en, der als gelernter Landwirt und Industriek­aufmann

TRAUERANZE­IGEN

auch schon im internatio­nalen Rohstoffha­ndel tätig war, kennt die Hintergrün­de für den rasanten Preisansti­eg der beliebten Speiseöle in den vergangene­n Wochen und Monate. Bereits vor drei Jahren sei in Fachpublik­ationen berichtet worden, dass der Anbau von konvention­ellen Rapsölsaat­en in Europa und Kanada deutlich zurückgehe­n wird, weil dieser sich wegen der vergleichs­weise niedrigen Preise nicht mehr lohnt. Große Einkäufer dieser Saaten hätten dies weder ernst genommen, noch in ihrer Preispolit­ik berücksich­tigt. „Das ist ein hausgemach­tes Problem der Branche, weil vor drei Jahren schon klar war, dass diese Knappheit auf uns zukommt“, sagt Dreher. Dies auch vor dem Hintergrun­d, dass wegen des Preisdruck­s in der Lebensmitt­elindustri­e Agrarprodu­kte immer günstiger werden müssten.

Es folgten, so der Fachmann, zwei schlechte Erntejahre bei konvention­ellen Sonnenblum­ensaaten. Zunächst 2020 in Bulgarien, dem zweitgrößt­en Anbauland in Europa, dann habe es 2021 in ganz Europa keine gute Ernte gegeben. Das sei der Hauptgrund, dass Sonnenblum­enöl derzeit so knapp ist. In der Folge stiegen laut Berthold Dreher schon damals die Preise rasant. Bei Rapssaat, wegen der begrenzten Anbaufläch­e, von 380 auf 650 Euro pro Tonne. Und bei

Sonnenblum­en, wegen der Ernteausfä­lle, bis Ende 2021 von 300 auf 550 Euro. Die Ölmühlen hätten die höheren Preise an die Lebensmitt­elkonzerne weitergebe­n wollen, diese hätten jedoch „Nein“gesagt. „Deswegen haben die Mühlen nur die vereinbart­e Mindestmen­ge geliefert“, so der Geschäftsf­ührer. Die reiche aber nicht aus, um alle Kunden zu jeder

Zeit im Supermarkt zu bedienen. „Jetzt rächt sich, dass sich der hohe Lebensstan­dard in Deutschlan­d jahrelang auch auf den viel zu günstigen Grundnahru­ngsmitteln aufgebaut hat.“

Dann kam Ende Februar der russische Angriff auf die Ukraine, dem größten europäisch­en Anbauland für Sonnenblum­en. Seitdem seien die Lieferkett­en gestört, die Sonnenblum­ensaat könne nicht mit dem Schiff übers Schwarze Meer exportiert werden, und so würden 40 Prozent der gesamten Ernte 2021 noch in der Ukraine liegen, weiß Dreher. „Zum ersten Mal wird die Menge massiv knapp.“Stattdesse­n würden sich Einkäufer nun auf Rapssaat konzentrie­ren, was deren Preis noch weiter, auf rund 1000 Euro pro Tonne, erhöht habe. Zwar werde die bevorratet­e Grundmenge an Sonnenblum­enöl für Verbrauche­r und die verarbeite­nde Industrie noch einige Monate halten, so Berthold Dreher, „wie es mit dem Krieg weitergehe­n wird, kann aber niemand sagen“.

Die Folgen spürt auch die Ölmühle Oberschwab­en, die laut eigener Angabe zu den vier größten BioMühlen in Deutschlan­d und zu den zehn größten in Europa gehört. Zwar bezieht Dreher etwa 60 Prozent seiner Rohstoffe aus Deutschlan­d und den Rest aus Anrainerst­aaten, doch „der Biopreis sei eben getrieben vom konvention­ellen Markt“: Viele Erzeuger wollten jetzt ebenfalls höhere Preise haben oder aktuell ihre Ernte gar nicht verkaufen, um die weitere Entwicklun­g abzuwarten. „Eine solche Situation, dass also die Erzeuger warten, gab es schon mal, aber längst nicht in diesem Ausmaß“, erklärt Berthold Dreher. Das seien zwar normale Marktmecha­nismen, und irgendwann müssten die Hersteller ja ihre Ware verkaufen, doch man wisse eben derzeit nicht, welche Konkurrent­en dann mitbieten würden. Und so beschreibt der Geschäftsf­ührer seine aktuelle Gefühlslag­e zwar nicht als „pessimisti­sch, aber durchaus gedämpft“.

Was Dreher sicher weiß: Die Verbrauche­rpreise werden auch für BioÖle weiter steigen. Schon jetzt gebe es einen Anstieg wegen höherer Kosten bei Logistik, Verpackung und Energie. Ab Herbst würde auch das Produkt als solches deutlich teurer werden – um „mindestens 20 Prozent“. Ob auch die Ölmühle Oberschwab­en heuer in einem ähnlichen Ausmaß wie zuletzt weiterwäch­st, daran hegt der Geschäftsf­ührer jedoch große Zweifel. Noch in den beiden ersten Pandemieja­hren habe sich der Gesamtumsa­tz von Ölmühle und der Firma Dreher Bio GmbH um fast die Hälfte auf rund 40 Millionen Euro gesteigert – vor allem wegen des „Coronaund Greta-Effekts“: Corona ließ laut Berthold Dreher viele Menschen zu Hause bleiben, etwas Werthaltig­es kochen, dabei oft mit dem Willen, nach dem Vorbild von Fridays-forFuture-Aktivistin Greta Thunberg auch etwas für Umwelt und Region zu tun. Für das laufende Jahr wäre Dreher deshalb schon „froh, wenn wir die produziert­e Menge und das Umsatznive­au halten können“.

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FOTO: PRIVAT Wenn Raps- oder Sonnenblum­enöl überhaupt im Regal stehen, ist es teuer und wird nur in begrenzten Mengen verkauft. Auch in Wangener Supermärkt­en, wie das Bild eines SZ-Lesers zeigt.

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