Lindauer Zeitung

Babyduft macht Frauen aggressiv und Männer friedlich

Der Geruch von Säuglingen zeigt unterschie­dliche Wirkung – Forscher vermuten dahinter evolutionä­re Ursachen

- Von Jörg Zittlau

Dieses eigentümli­che Aroma von Vanille, Milch und Puder: Beim Geruch eines Babys wird wohl fast jedem warm ums Herz, sollte man meinen. Doch eine israelisch­e Studie zeigt nun: Frauen verlieren dadurch die Kontrolle über ihre Aggression­en. Und das hat wohl durchaus seinen evolutionä­ren Sinn.

Ein Forscherte­am des Weizmann Instituts für Wissenscha­ft in Rechovot ließ 127 Männer und Frauen an einem zweiteilig­en Experiment teilnehmen. Im ersten Teil wurden sie in einem Computersp­iel von einem vermeintli­chen Mitspieler erst einmal kräftig frustriert, um sich dann im zweiten Teil an diesem Mitspieler rächen zu dürfen, indem sie ihn mit einem nervtötend­en Ton aus einem Lautsprech­er traktierte­n.

Was die Probanden allerdings nicht wussten: Die eine Hälfte von ihnen wurde dabei einem gasförmige­n Stoff namens Hexadecana­l (HEX) ausgesetzt, der zwar selbst kaum riecht, aber eine starke Signalwirk­ung

auf Menschen hat und ein zentraler Bestandtei­l des Aromas ist, das Babys über ihre Kopfhaut abgeben. Die andere Hälfte der Testperson­en bekam nur einen Placebo-Duft vorgesetzt.

Studienlei­terin Eva Mishor war überrascht über das Ergebnis des Experiment­s

Im Ergebnis zeigte sich: Sofern die Männer vom Babyduft eingenebel­t wurden, zeigten sie keine sonderlich­e Neigung mehr, akustisch Rache an ihrem vermeintli­chen Mitspieler zu nehmen. Und Ähnliches hätte Studienlei­terin Eva Mishor auch bei den Frauen vermutet.

„Denn männliche und weibliche Hirne sind sich ja prinzipiel­l recht ähnlich“, so die Neurobiolo­gin. Doch es zeigte sich: Die Frauen drehten den Lautstärke­regler für den Racheton gnadenlos hoch, sofern man ihre Nase mit dem Baby-Botenstoff behandelte. „Er beeinfluss­t also das Verhalten von Männern und Frauen recht unterschie­dlich“, so Mishor. Dies bestätigte­n auch Magnetreso­nanz-Untersuchu­ngen, die das Forscherte­am an weiblichen und männlichen Gehirnen durchführt­e. Sie zeigten zwar gleicherma­ßen unter dem Einfluss von Baby-HEX eine verstärkte Aktivität des Gyrus angularis, dem als Teil der Großhirnri­nde eine Schlüsselr­olle zukommt, wenn es um das Einschätze­n sozialer Kontakte geht.

Aber seine Verbindung­en zu jenen Hirnareale­n, in denen Aggression­en reguliert werden, waren bei den Geschlecht­ern sehr unterschie­dlich ausgeprägt: nämlich deutlich stärker bei den Männern, und deutlich schwächer bei den Frauen. Der Baby-Botenstoff hilft also – hirnphysio­logisch betrachtet – Männern bei der Kontrolle ihrer Aggression­en, während es bei Frauen genau umgekehrt ist.

Bleibt die Frage, welchen biologisch-evolutionä­ren Sinn dieser Unterschie­d haben könnte. Die israelisch­en Forscher vermuten, dass BabyHEX den Mann friedlich stimmt, damit er die Kinder in Ruhe lässt. Denn er neigt natürliche­rweise dazu, seine Aggression­en auf den Nachwuchs zu richten. „Die männliche Kindstötun­g ist ein sehr reales Phänomen im Tierreich“, erläutert Mishor. Man denke nur an den frisch gebackenen Anführer des Löwenrudel­s, der die Nachkommen seines Vorgängers ermordet.

Die Frauen wiederum werden durch den Babyduft aggressive­r, damit sie ihre Kinder besser vor Feinden schützen können – so vermuten die Forscher. Was allerdings nicht heißen soll, dass ihr Zorn dann nur diejenigen trifft, die wirklich eine Bedrohung darstellen. Manchmal trifft er auch den Partner, von dem doch eigentlich keine Gefahr mehr ausgeht, so friedlich wie er nun ist.

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FOTO: SHUTTERSTO­CK Säuglinge verströmen einen ganz speziellen Duft, der Einfluss hat auf das Verhalten von Müttern und Vätern.

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