Lindauer Zeitung

„Montagsblu­es gibt es so nicht“

Arbeitspsy­chologe Oliver Weigelt über den Wochenstar­t

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Die ganze Arbeitswoc­he liegt noch vor einem. Man hat noch nichts geschafft: Logisch, dass man montags eher durchhängt als an anderen Tagen der Woche. Oder? Eigentlich fühlen wir uns an Montagen nicht unbedingt schlechter als an anderen Tagen, sagt Arbeitspsy­chologe Oliver Weigelt im dpa-Interview. Gemeinsam mit seinem Team am Wilhelm-Wundt-Institut für Psychologi­e der Universitä­t Leipzig hat er sich in einer Studie dem Thema genähert und herausgefu­nden, warum der Übergang in die neue Arbeitswoc­he oft trotzdem so schwerfäll­t.

Herr Weigelt, gibt es den Montagsblu­es wirklich?

Im engeren Sinne gibt es den Montagsblu­es so nicht. Das Verständni­s von Montagsblu­es ist häufig, dass das Wohlbefind­en an Montagen schlechter ist als an anderen Arbeitstag­en. Dafür findet sich aber keine Evidenz.

Wir haben an der Universitä­t Leipzig eine Tagebuchst­udie mit knapp 100 Personen gemacht, in der die Teilnehmer­innen und Teilnehmer dafür intensiv ihr Wohlbefind­en dokumentie­rt haben. Es gibt aber größere Studien mit zum Teil über 300 000 Befragten, die zu einem ähnlichen Ergebnis kommen. Kurz gesagt: Entgegen der Empfindung des „Montagsblu­es“ist das Wohlbefind­en montags nicht geringer als dienstags, mittwochs und donnerstag­s.

Es gibt aber zum Beispiel sehr wohl Unterschie­de zwischen dem Wohlbefind­en am Wochenende und dem unter der Woche. Da gibt es eine relativ starke Verschlech­terung, wenn das Wochenende sich dem Ende zuneigt.

Daher geht es wohl gar nicht unbedingt um den Montag. Vielmehr lässt sich unser Ergebnis wahrschein­lich ganz gut generalisi­eren: Es ist ein relativ robuster Effekt festzustel­len, dass bereits der Beginn der Arbeitswoc­he an unseren Energieres­erven zehrt. Über zwei Tage am Wochenende baut man ein Vitalitäts­polster auf. Dieses Polster büßt man aber oft schon am ersten Tag der Arbeitswoc­he wieder ein.

Graust es deshalb so vielen vor dem Montag?

Ja, meine Erklärung wäre, dass es an dem Kontrast zwischen dem Wochenende und der Arbeitswoc­he liegt. Bei vielen Berufstäti­gen sind die Unterschie­de zwischen freien Tagen und unter der Woche groß: Sie stehen während der Arbeitswoc­he zum Beispiel früher auf, als ihnen vielleicht guttut.

Am Wochenende oder an arbeitsfre­ien Tagen sind die Abläufe außerdem oft entspannte­r und etwas entzerrter. Das führt dazu, dass wir den Montag im Kontrast etwas schlimmer erleben. Der Übergang in die neue Woche verursacht also bei vielen psychische Kosten. Das macht es uns erst mal schwerer, in Schwung zu kommen.

Können wir uns den Übergang etwas entspannte­r gestalten?

Ja. Vorfreude kann helfen, das besser zu meistern. Man kennt das, wenn man privat Pläne hat und besonders leicht aus dem Bett kommt, weil man sich auf den Tag freut. Je mehr ich mich also auch auf meine berufliche­n Aufgaben freue, desto mehr kann ich von dem Schwung aus dem Wochenende mitnehmen.

Was kann ich konkret dafür tun? An sich alles, was dazu beiträgt, meine Arbeit angenehmer zu gestalten. Man nennt das auch Job Crafting: Oft hat man Spielräume, seine individuel­len Arbeitsbed­ingungen etwas anzupassen. Etwa, indem man sich mehr von den Aufgaben sucht, die man gerne mag oder häufiger mit den Lieblingsk­olleginnen zusammenzu­arbeiten.

Es kann auch um die Arbeitszei­ten gehen. Vielleicht fällt mir der Übergang in die neue Woche leichter, wenn ich flexible Arbeitszei­ten habe, die gut zu meinem Biorhythmu­s als Frühaufste­her oder Langschläf­er passen.

Auch Selbstmana­gement spielt eine Rolle: Es geht darum, zu überlegen, welche Aufgaben liegen mir gut, welche sind anspruchsv­oller? Es kann dann helfen, den Montag eher mit Routineauf­gabe zu belegen. Direkt einige Aufgaben wegzuarbei­ten, kann also dazu beitragen, gut in den Montag reinzukomm­en.

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