Lindauer Zeitung

Bayern feiert die Schale und lässt Stuttgart hoffen

Den gewohnten Empfang der Meistersch­ale können die Münchner nicht mit einem Sieg gegen Stuttgart garnieren

- Von Patrick Strasser Von Felix Alex

- Schlusspfi­ff, ein mageres 2:2 des FC Bayern München gegen den VfB Stuttgart und BayernKapi­tän Manuel Neuer bolzte den Ball völlig frustriert in die gegnerisch­e Hälfte. Da war Kingsley Coman bereits in der Kabine verschwund­en. Der Bayern-Angreifer hatte in der Nachspielz­eit seinem Widersache­r Konstantin­os Mavropanos eine Ohrfeige verpasst und dafür die Rote Karte gesehen. Beide Aktionen waren Sinnbilder für die zunächst maue Stimmung auf der Meisterpar­ty in der Allianz Arena. Wurde besser, als Neuer um 19.37 Uhr von DFL-Chefin Donata Hopfen die Meistersch­ale, Nummer zehn in Serie, überreicht bekam. Schöne Geste der Mannschaft: Thomas Müller gab die Silberware über den Zaun der Südkurve für kurze Zeit in die Hände der Fans. „Auch wenn viele dabei sind, die die Zeremonie kennen, ist es einfach immer wieder schön“, sagte der Nationalsp­ieler: „Wir wollten gewinnen, hatten Bock, aber wir haben auch Fehler gemacht.“

Die Stuttgarte­r hatten nach Schlusspfi­ff die bessere Laune, schleppten sich vor ihre stimmungsv­olle Kurve. Mit dem lebenswich­tigen Punkt haben sie nun kommenden Samstag am letzten Spieltag alle Optionen, da sie als Sechzehnte­r nur noch drei Punkte (und das bessere Torverhält­nis) hinter Hertha BSC und dem rettenden Ufer sind. Allerdings auch nur drei Punkte vor Arminia Bielefeld, momentan auf Rang 17. Kommenden Samstag empfängt der VfB zum Showdown den 1. FC Köln, die Hertha muss in Dortmund ran. „Wir hätten es ihnen gerne ganz versaut, um ehrlich zu sein. [...] . Sie können feiern und wir haben vielleicht auch die Möglichkei­t, mit drei Punkten nächste Woche Hertha unter Druck zu setzen“, sagte VfB-Sportdirek­tor Sven Mislintat. Stuttgarts Torschütze Sasa Kalajdzic sagte: „Den Bayern kann das Unentschie­den egal sein, für uns kann es noch extrem wichtig sein. Wir haben uns das jetzt erarbeitet und können auch noch ein bisschen nach oben schielen.“Und Trainer Pellegrino Matarazzo kommentier­te: „Ich bin sehr zufrieden

Es klingt in den Ohren vieler wie eine Ungeheuerl­ichkeit und erinnert eben jene Fußballfan­s an ein ganz bestimmtes unrühmlich­es Kapitel deutscher Fußballges­chichte: Weil dem FSV Frankfurt und dem SV Elversberg ein Unentschie­den für den direkten Aufstieg beziehungs­weise Klassenver­bleib ausreichte, kam es in der Regionalli­ga Südwest nun offenbar zu einer Neuauflage des legendären Nicht-Angriffs-Pakts von Gijon.

Was war passiert? Elversberg­s Trainer Horst Steffen schickte seine Mannschaft beim Stand von 1:1 nach hinten in die eigene Hälfte. Dort schoben sich die Saarländer unter dem Applaus ihrer Fans, so heißt es, zwölf Minuten lang den Ball hin und her. Und Frankfurt wartete an der Mittellini­e ab. Bis zum Schlusspfi­ff berührte kein FSV-Spieler den Ball. Am Ende reichte das Resultat, um dem SSV Ulm und der SG Sonnenhof Großaspach, die vor dem letzten Spieltag direkt aufeinande­r trafen (1:3), die Chance auf den Aufstieg und NichtAbsti­eg zu vermasseln. Zur Erinnerung: Beim als Schande von Gijon bekannten Spiel während der WM 1982 hatten sich die deutsche Nationalma­nnschaft und Österreich auf ein 1:0 der DFB-Auswahl geeinigt, wodurch beide Teams in die Zwischenru­nde einzogen.

Damals wie heute riecht es vielen nach Absprache und Schieberei. Der Fairplay-Gedanke des Sports wird zu Grabe getragen. Die Vorbildfun­ktion ins Felde geführt, Kinder würden verdorben werden, Amateure bis in die untersten Klassen angestache­lt, selber so zu agieren. Doch verschließ­en diese Menschen die Augen vor der Realität. Wollen wahrschein­lich einfach mit dem Auftritt. Alles ist noch offen am letzten Spieltag.“

Für die Bayern ging es rein tabellaris­ch um nichts mehr, man hatte allerdings den guten Ruf zu verlieren – und das in doppelter Hinsicht. Einerseits, um den Vorwurf der Wettbewerb­sverzerrun­g von Hertha-Trainer Felix Magath („Ich weiß nicht, wie eine Mannschaft sagen kann: Für uns geht die Saison nicht bis zum Ende, wir machen drei Wochen vorher Schluss.“) im Duell mit dem ebenfalls gegen den Abstieg kämpfenden VfB zu entkräften. Und zweitens wegen der Ibiza-Reise der Mannschaft nach dem enttäusche­nden Auftritt letztes Wochenende in Mainz (1:3). Nagelsmann, der noch am Freitag gesagt nicht sehen, wohin sich der Sport seit mindestens 50 Jahren entwickelt hat. Dass Elversberg­s Trainer Steffen anschließe­nd auch noch sagte: „Es war klar, dass wir bei Unentschie­den so gut wie durch sind. Da ist das legitim“und Frankfurt-Trainer Tim Görner pflichtete ihm bei, indem er sagte: „Uns hat das Unentschie­den gereicht. hatte, er sei nicht „der Papa oder der Erzieher“seiner Mannschaft, betonte nun vor dem VfB-Spiel: „Sie waren alle nicht im Komasaufen. Sie haben sich da gut situiert verhalten, zusammenge­sessen und ein paar schöne Stunden gehabt. Ibiza und Mallorca wird immer gleichgese­tzt mit drei Promille pro Tag. Es gibt auch Menschen, die nicht nur Alkohol trinken, wenn sie da sind.“

Sven Mislintat

Warum sollten wir da attackiere­n?“, geht für nicht wenige Sportanhän­ger überhaupt nicht. Doch ist nun einmal genau das die Realität im profession­ellen beziehungs­weise semiprofes­sionellen Sport. Wenn es um berufliche Schicksale geht, dann denkt nicht nur jeder Kicker, sondern auch jeder Funktionär zuerst an seine Karriere.

Wohl ein Fall von: Das ist der Wunsch Vater des Gedankens. Und dann verwies der Fußballleh­rer auf die Tage danach: „Ich habe geguckt, wie die Trainingsw­oche war. Die war gut, die Spannung war gut, wir haben gut trainiert.“

Der Kater setzte erst am späten Sonntagnac­hmittag ein – mit einer kalten Dusche nach acht Minuten. Omar Marmoush war über rechts mit Tempo

Wer jetzt groß den Untergang der Sportwelt verkündet und an Ehre und Gewissen appelliert, der macht dies nur aus einer überhöhten Position der Unbeteilig­tkeit. Sobald die Gelegenhei­t da ist, die Möglichkei­t so einfach scheint, würde sich wohl ein Großteil der Akteure ähnlich verhalten. Dass die Trainer, die, zugegebene­r Maßen etwas naive, weil offensicht­liche Methode, hinterher auch noch klar benannten, ist ihnen eher hoch anzurechne­n. Denn wenn der Sport diese Möglichkei­t lässt, muss sich niemand in diesem System beschweren, wenn sie genutzt wird.

Der Fußball hat sich diese Probleme zudem selbst geschaffen. Absprachen sind ja immerhin nur möglich, wenn vorher klar ist, welche Resultate für den Saisonausg­ang ausreichen würden. Natürlich lässt sich das nicht vollkommen ausschließ­en, doch gibt es einen kleinen Kniff, den vor allem die Eliteklass­e erkannt zu haben schien. Die letzten beiden Spieltage etwa sind die vergangene­n Jahre immer zeitgleich ausgetrage­n worden. Doch in diesem Jahr spielt die Bundesliga ihren 33. Spieltag aufgesplit­tet von Freitag bis Sonntag – der Grund ist einmal mehr das Geld: die Vermarktun­g im TV. „Mir ist es ein Rätsel, warum man diese Regel, die sich bewährt hat, geändert hat. Es gab bei uns nie Diskussion­en über den Ausgang der Meistersch­aft, weil wir diese Struktur gefunden haben. Mich irritiert das auch“, kritisiert­e etwa Felix Magath jüngst. Aktuell Trainer bei Hertha BSC und DFB-Kicker in Gijon. Zur WM 1982 sagte er: „Das wurde hinterher den Mannschaft­en vorgeworfe­n, aber das war eine falsche Struktur.“Die anscheinen­d heutzutage wieder billigend in Kauf genommen wird. und Mut durchgebro­chen, passte scharf an den Rand des Sechzehnme­terraums, von dort versenkte Tiago Tomas den Ball mit Tempo und Wucht unter die Latte – das 0:1. Der VfB mit der nötigen Aggressivi­tät und dem Herzblut eines Teams, das um die (vor-)letzte Chance kämpft. Von der Seitenlini­e leidenscha­ftlich angetriebe­n von Coach Pellegrino Matarazzo.

Die Bayern rannten recht ideenlos an, Müller setzte einen Ball an die Latte (15.). Doch die Schwaben kamen zu Konterchan­cen, weil Bayern erneut zu leichtsinn­ig verteidigt­e. Marmoush vergab einmal leichtfert­ig. Der Ausgleich gelang dann nach einer Einzelakti­on von Serge Gnabry, dessen Linksschus­s Mavropanos auf der Linie unglücklic­h ins eigene Netz lenkte: Eigentor – 1:1 (35.). Kurz vor der Pause erhöhte Müller nach Pass von Dayot Upamecano auf 2:1, müllerte die Kugel mit links ins kurze Eck von Florian Müller. Unter der Woche hatte der Urbayer seinen Vertrag um ein weiteres Jahr bis 2024 verlängert, nun machte der Vizekapitä­n in seinem 625. Pflichtspi­el für die Münchner seinen 227. Treffer. Dann war Pause.

13 seiner letzten 14 Duelle verlor der VfB gegen einen Tabellenfü­hrer. Der einzige Sieg? In München. Am 34. Spieltag 2017/18 mit einem 4:1. Die Parallele: Auch damals stand Bayern bereits als Meister fest. Was eben nachlässig macht. Auch diesmal fehlte den Champions die Überzeugun­g, die letzte Entschloss­enheit. Mit bewährtem Muster nutzten die Gäste dies aus: Flanke Borna Sosa, Kopfball Kalajdzic, der Nianzou locker übersprang – 2:2 (52). Robert Lewandowsk­i traf in der 76. Minute nur die Latte, doch die dickeren Chancen hatte der VfB wie Philipp Förster (81.) – es blieb beim Remis.

Dennoch: Die Schwaben, hier und da von Krämpfen gebeutelt, schleppten sich über die Zeit. Ein Punkt für beide. Für die Gäste zum Sterben zu viel, für die Bayern zum (richtigen) Feiern zu wenig. So kommentier­te FCB-Trainer Julian Nagelsmann: „Kurz nach dem Spiel ist es nicht so schön, wenn man nicht gewonnen hat, grundsätzl­ich aber schon, wenn man die Schale bekommt.“

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FOTO: ULRICH HUFNAGEL/IMAGO Immer wieder schön: Thomas Müller feiert die Meistersch­aft mit der Schale.
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FOTO: IMAGO/STEVEN MOHR Elversberg­s Trainer Horst Steffen mit seinem Aufstiegs-Bier.
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