Bayern feiert die Schale und lässt Stuttgart hoffen
Den gewohnten Empfang der Meisterschale können die Münchner nicht mit einem Sieg gegen Stuttgart garnieren
- Schlusspfiff, ein mageres 2:2 des FC Bayern München gegen den VfB Stuttgart und BayernKapitän Manuel Neuer bolzte den Ball völlig frustriert in die gegnerische Hälfte. Da war Kingsley Coman bereits in der Kabine verschwunden. Der Bayern-Angreifer hatte in der Nachspielzeit seinem Widersacher Konstantinos Mavropanos eine Ohrfeige verpasst und dafür die Rote Karte gesehen. Beide Aktionen waren Sinnbilder für die zunächst maue Stimmung auf der Meisterparty in der Allianz Arena. Wurde besser, als Neuer um 19.37 Uhr von DFL-Chefin Donata Hopfen die Meisterschale, Nummer zehn in Serie, überreicht bekam. Schöne Geste der Mannschaft: Thomas Müller gab die Silberware über den Zaun der Südkurve für kurze Zeit in die Hände der Fans. „Auch wenn viele dabei sind, die die Zeremonie kennen, ist es einfach immer wieder schön“, sagte der Nationalspieler: „Wir wollten gewinnen, hatten Bock, aber wir haben auch Fehler gemacht.“
Die Stuttgarter hatten nach Schlusspfiff die bessere Laune, schleppten sich vor ihre stimmungsvolle Kurve. Mit dem lebenswichtigen Punkt haben sie nun kommenden Samstag am letzten Spieltag alle Optionen, da sie als Sechzehnter nur noch drei Punkte (und das bessere Torverhältnis) hinter Hertha BSC und dem rettenden Ufer sind. Allerdings auch nur drei Punkte vor Arminia Bielefeld, momentan auf Rang 17. Kommenden Samstag empfängt der VfB zum Showdown den 1. FC Köln, die Hertha muss in Dortmund ran. „Wir hätten es ihnen gerne ganz versaut, um ehrlich zu sein. [...] . Sie können feiern und wir haben vielleicht auch die Möglichkeit, mit drei Punkten nächste Woche Hertha unter Druck zu setzen“, sagte VfB-Sportdirektor Sven Mislintat. Stuttgarts Torschütze Sasa Kalajdzic sagte: „Den Bayern kann das Unentschieden egal sein, für uns kann es noch extrem wichtig sein. Wir haben uns das jetzt erarbeitet und können auch noch ein bisschen nach oben schielen.“Und Trainer Pellegrino Matarazzo kommentierte: „Ich bin sehr zufrieden
Es klingt in den Ohren vieler wie eine Ungeheuerlichkeit und erinnert eben jene Fußballfans an ein ganz bestimmtes unrühmliches Kapitel deutscher Fußballgeschichte: Weil dem FSV Frankfurt und dem SV Elversberg ein Unentschieden für den direkten Aufstieg beziehungsweise Klassenverbleib ausreichte, kam es in der Regionalliga Südwest nun offenbar zu einer Neuauflage des legendären Nicht-Angriffs-Pakts von Gijon.
Was war passiert? Elversbergs Trainer Horst Steffen schickte seine Mannschaft beim Stand von 1:1 nach hinten in die eigene Hälfte. Dort schoben sich die Saarländer unter dem Applaus ihrer Fans, so heißt es, zwölf Minuten lang den Ball hin und her. Und Frankfurt wartete an der Mittellinie ab. Bis zum Schlusspfiff berührte kein FSV-Spieler den Ball. Am Ende reichte das Resultat, um dem SSV Ulm und der SG Sonnenhof Großaspach, die vor dem letzten Spieltag direkt aufeinander trafen (1:3), die Chance auf den Aufstieg und NichtAbstieg zu vermasseln. Zur Erinnerung: Beim als Schande von Gijon bekannten Spiel während der WM 1982 hatten sich die deutsche Nationalmannschaft und Österreich auf ein 1:0 der DFB-Auswahl geeinigt, wodurch beide Teams in die Zwischenrunde einzogen.
Damals wie heute riecht es vielen nach Absprache und Schieberei. Der Fairplay-Gedanke des Sports wird zu Grabe getragen. Die Vorbildfunktion ins Felde geführt, Kinder würden verdorben werden, Amateure bis in die untersten Klassen angestachelt, selber so zu agieren. Doch verschließen diese Menschen die Augen vor der Realität. Wollen wahrscheinlich einfach mit dem Auftritt. Alles ist noch offen am letzten Spieltag.“
Für die Bayern ging es rein tabellarisch um nichts mehr, man hatte allerdings den guten Ruf zu verlieren – und das in doppelter Hinsicht. Einerseits, um den Vorwurf der Wettbewerbsverzerrung von Hertha-Trainer Felix Magath („Ich weiß nicht, wie eine Mannschaft sagen kann: Für uns geht die Saison nicht bis zum Ende, wir machen drei Wochen vorher Schluss.“) im Duell mit dem ebenfalls gegen den Abstieg kämpfenden VfB zu entkräften. Und zweitens wegen der Ibiza-Reise der Mannschaft nach dem enttäuschenden Auftritt letztes Wochenende in Mainz (1:3). Nagelsmann, der noch am Freitag gesagt nicht sehen, wohin sich der Sport seit mindestens 50 Jahren entwickelt hat. Dass Elversbergs Trainer Steffen anschließend auch noch sagte: „Es war klar, dass wir bei Unentschieden so gut wie durch sind. Da ist das legitim“und Frankfurt-Trainer Tim Görner pflichtete ihm bei, indem er sagte: „Uns hat das Unentschieden gereicht. hatte, er sei nicht „der Papa oder der Erzieher“seiner Mannschaft, betonte nun vor dem VfB-Spiel: „Sie waren alle nicht im Komasaufen. Sie haben sich da gut situiert verhalten, zusammengesessen und ein paar schöne Stunden gehabt. Ibiza und Mallorca wird immer gleichgesetzt mit drei Promille pro Tag. Es gibt auch Menschen, die nicht nur Alkohol trinken, wenn sie da sind.“
Sven Mislintat
Warum sollten wir da attackieren?“, geht für nicht wenige Sportanhänger überhaupt nicht. Doch ist nun einmal genau das die Realität im professionellen beziehungsweise semiprofessionellen Sport. Wenn es um berufliche Schicksale geht, dann denkt nicht nur jeder Kicker, sondern auch jeder Funktionär zuerst an seine Karriere.
Wohl ein Fall von: Das ist der Wunsch Vater des Gedankens. Und dann verwies der Fußballlehrer auf die Tage danach: „Ich habe geguckt, wie die Trainingswoche war. Die war gut, die Spannung war gut, wir haben gut trainiert.“
Der Kater setzte erst am späten Sonntagnachmittag ein – mit einer kalten Dusche nach acht Minuten. Omar Marmoush war über rechts mit Tempo
Wer jetzt groß den Untergang der Sportwelt verkündet und an Ehre und Gewissen appelliert, der macht dies nur aus einer überhöhten Position der Unbeteiligtkeit. Sobald die Gelegenheit da ist, die Möglichkeit so einfach scheint, würde sich wohl ein Großteil der Akteure ähnlich verhalten. Dass die Trainer, die, zugegebener Maßen etwas naive, weil offensichtliche Methode, hinterher auch noch klar benannten, ist ihnen eher hoch anzurechnen. Denn wenn der Sport diese Möglichkeit lässt, muss sich niemand in diesem System beschweren, wenn sie genutzt wird.
Der Fußball hat sich diese Probleme zudem selbst geschaffen. Absprachen sind ja immerhin nur möglich, wenn vorher klar ist, welche Resultate für den Saisonausgang ausreichen würden. Natürlich lässt sich das nicht vollkommen ausschließen, doch gibt es einen kleinen Kniff, den vor allem die Eliteklasse erkannt zu haben schien. Die letzten beiden Spieltage etwa sind die vergangenen Jahre immer zeitgleich ausgetragen worden. Doch in diesem Jahr spielt die Bundesliga ihren 33. Spieltag aufgesplittet von Freitag bis Sonntag – der Grund ist einmal mehr das Geld: die Vermarktung im TV. „Mir ist es ein Rätsel, warum man diese Regel, die sich bewährt hat, geändert hat. Es gab bei uns nie Diskussionen über den Ausgang der Meisterschaft, weil wir diese Struktur gefunden haben. Mich irritiert das auch“, kritisierte etwa Felix Magath jüngst. Aktuell Trainer bei Hertha BSC und DFB-Kicker in Gijon. Zur WM 1982 sagte er: „Das wurde hinterher den Mannschaften vorgeworfen, aber das war eine falsche Struktur.“Die anscheinend heutzutage wieder billigend in Kauf genommen wird. und Mut durchgebrochen, passte scharf an den Rand des Sechzehnmeterraums, von dort versenkte Tiago Tomas den Ball mit Tempo und Wucht unter die Latte – das 0:1. Der VfB mit der nötigen Aggressivität und dem Herzblut eines Teams, das um die (vor-)letzte Chance kämpft. Von der Seitenlinie leidenschaftlich angetrieben von Coach Pellegrino Matarazzo.
Die Bayern rannten recht ideenlos an, Müller setzte einen Ball an die Latte (15.). Doch die Schwaben kamen zu Konterchancen, weil Bayern erneut zu leichtsinnig verteidigte. Marmoush vergab einmal leichtfertig. Der Ausgleich gelang dann nach einer Einzelaktion von Serge Gnabry, dessen Linksschuss Mavropanos auf der Linie unglücklich ins eigene Netz lenkte: Eigentor – 1:1 (35.). Kurz vor der Pause erhöhte Müller nach Pass von Dayot Upamecano auf 2:1, müllerte die Kugel mit links ins kurze Eck von Florian Müller. Unter der Woche hatte der Urbayer seinen Vertrag um ein weiteres Jahr bis 2024 verlängert, nun machte der Vizekapitän in seinem 625. Pflichtspiel für die Münchner seinen 227. Treffer. Dann war Pause.
13 seiner letzten 14 Duelle verlor der VfB gegen einen Tabellenführer. Der einzige Sieg? In München. Am 34. Spieltag 2017/18 mit einem 4:1. Die Parallele: Auch damals stand Bayern bereits als Meister fest. Was eben nachlässig macht. Auch diesmal fehlte den Champions die Überzeugung, die letzte Entschlossenheit. Mit bewährtem Muster nutzten die Gäste dies aus: Flanke Borna Sosa, Kopfball Kalajdzic, der Nianzou locker übersprang – 2:2 (52). Robert Lewandowski traf in der 76. Minute nur die Latte, doch die dickeren Chancen hatte der VfB wie Philipp Förster (81.) – es blieb beim Remis.
Dennoch: Die Schwaben, hier und da von Krämpfen gebeutelt, schleppten sich über die Zeit. Ein Punkt für beide. Für die Gäste zum Sterben zu viel, für die Bayern zum (richtigen) Feiern zu wenig. So kommentierte FCB-Trainer Julian Nagelsmann: „Kurz nach dem Spiel ist es nicht so schön, wenn man nicht gewonnen hat, grundsätzlich aber schon, wenn man die Schale bekommt.“