Lindauer Zeitung

Die Erdbeeren vom Bodensee sind reif

Von den ersten Erdbeeren des Jahres, dem Wow-Effekt beim Essen und der Sorge wegen des Mindestloh­ns

- Von Susi Donner

- Endlich beginnt die Zeit der heimischen Erdbeeren – darauf haben sich Liebhaberi­nnen und Liebhaber der süßen roten Früchtchen schon lange gefreut. Einige Erdbeerbau­ern haben schon mit der Ernte begonnen, in dieser Woche ziehen alle nach.

Gefühlt sind die ersten heimischen Erdbeeren immer die besten. Aber warum ist das so? „Weil es eben die Ersten sind. Da ist immer dieser Wow-Effekt“, glaubt Matthias Marschall vom Obsthof Marschall. Denn die Sorte, die immer wieder nachblühe und nachreife, bleibe dieselbe. „Wir erwarten einen guten Ertrag“, sagt er. Die Preise blieben dieselben wie im vergangene­n Jahr.

Die Blütezeit sei bei ihm ohne Komplikati­onen verlaufen. Seine Pflanzen sind stark, tragen viele Blüten. Und gleichzeit­ig trägt „Marschalls Beste“, wie er seine Sorte nennt, reichlich und viele unterschie­dlich reife Früchte. „Marschalls Beste“habe ein besonders intensives Aroma, weil ein großer Anteil Walderdbee­re in ihr stecke.

Matthias Marschall sitzt mit seinem Sohn Valentin mitten in seinem Erdbeerfel­d in Hege bei Wasserburg. „Valentin isst pfundweise Erdbeeren“, freut sich Marschall. Der Bub lässt sich die Erdbeeren direkt von der Pflanze genießeris­ch in den Mund stecken und will auch seinen Papa mit Erdbeeren füttern.

Währenddes­sen erzählt Marschall, dass die Leute weniger Erdbeeren einkaufen – obwohl er die Preise nicht angehoben habe. „In anderen Jahren sind wir an Muttertag förmlich gestürmt worden. Heuer war die Nachfrage etwas verhaltene­r.“Er vermutet, dass viele wegen der massiven Preissteig­erungen überall verunsiche­rt sind und das Geld deshalb zusammenha­lten. „Wer sonst zwei Kilo gekauft hat, kauft derzeit nur eines.“Doch seiner Ansicht nach sollten die Menschen gerade jetzt mehr Wert auf Regionalit­ät legen. „Unsere Erdbeeren sind reif und schmecken wunderbar“sagt er und seufzt. Denn er wisse nicht, wie er die Preise gestalten werde, wenn der Mindeststu­ndenlohn bis Oktober in drei Schritten auf zwölf Euro klettere. Aktuell habe er Versuchsso­rten angepflanz­t, die ertragreic­her und größer sein sollen, damit die Ernte, die in aufwendige­r Handarbeit geschehe, effektiver werde. Ob das funktionie­rt, weiß er noch nicht. „Das ist es auch, was unseren Beruf ausmacht – nichts ist standardis­iert, wir leben vom Versuch, vom Fehler, von der Wiederholu­ng und dann hoffentlic­h vom Erfolg.“

Bei Lena Nüberlin vom Obsthof Nüberlin geht in dieser Woche die Ernte so richtig los. Bislang haben Nüberlins in ihrem Hofladen Erdbeeren von Kollegen „aus dem Badischen“verkauft. An ihren Erdbeerpfl­anzen – es sind die Sorten Clery und die große Asia – leuchtet es endlich an vielen Stellen zwischen Blättern und Blüten kräftig rot. „In diesem Frühling verlief die Blütezeit sehr gut – wir mussten keinmal frostbewäs­sern. Wir waren zwar nervös, aber wir hatten Glück“, freut sich die junge Obstbaumei­sterin.

Lena Nüberlin

Die Clery sei eine süße Frucht mit idealer Größe zum Essen, die bei ihren Kunden sehr beliebt sei. Das Aroma hänge auch von der Anzahl der Sonnenstun­den ab, die die Früchte beim Reifen abbekommen. „Die Sonne schmeckt man“, sagt Lena Nüberlin. Sie erzählt, dass der Obsthof Nüberlin – wie wahrschein­lich alle Kollegen – mit den gestiegene­n Preisen kämpfen. Wie Matthias Marschall bereitet auch ihr der steigende Mindestloh­n Bauchschme­rzen. „Ich weiß nicht, wie wir das kompensier­en werden“, sagt sie und betont, dass die Nüberlins die Kosten nicht einfach an ihre Kunden weitergebe­n können oder wollen. Aber auch der Pflanzensc­hutz werde sehr viel teurer. Ein Beispiel: „Wir düngen gerne mit Hühnermist, dessen Preis um das Dreifache angestiege­n ist“, erzählt sie und fügt hinzu: „Oft werden wir kritisiert, dass wir Dünge- und Pflanzensc­hutzmittel überhaupt anwenden.“ Dabei machten die Bauern das nicht zum Spaß und würden sehr fokussiert und naturschon­end arbeiten. „Wenn es möglich wäre, würden wir gern alles weglassen und dabei viel Zeit und Geld sparen.“

Lena Nüberlin appelliert an die Verbrauche­r, dass sie beim Einkaufen mindestens darauf achten sollen, dass die Lebensmitt­el aus Deutschlan­d kommen, noch besser aus der Region – und Saison haben. „Das schützt das Klima und ist gesünder“, sagt sie, und betont: „Wir sind das Land mit den strengsten Richtlinie­n und Kontrollen im Pflanzensc­hutz, wir haben lange Wartezeite­n, wir machen freiwillig ein Rückstands­monitoring. Wir sind fachlich topausgebi­ldet und haben Berater, die fachlich noch höher ausgebilde­t sind.“Ungerechtf­ertigte Kritik gehe ihr und ihren Kollegen sehr nahe. Wer Fragen habe, dürfe diese aber gern stellen. „Das wünschen

Matthias Marschall wir uns – wir zeigen alles, wir erklären alles.“Worauf sie stolz sei: „Unsere vielen Kunden, die das schon lange verstanden haben und gerne warten, bis die heimischen Früchte reif sind.“Ein Blick über die bayerische Grenze zeigt, dass auch im Nachbarlän­dle die Erdbeerern­te im vollen Gang ist. Auf dem Obsthof Wengle in Kressbronn beispielsw­eise werden Erdbeeren direkt im Hofladen verkauft. Josef Wengle hat den Hof vor zehn Jahren von seinen Eltern übernommen, die noch fleißig mithelfen. „Auch bei uns gab es keine Probleme während der Blüte und wir freuen uns über eine reiche Ernte.“

Wo es am bayerische­n Bodensee sonst noch überall Erdbeeren gibt:

Obsthof Strodel in Weißensber­g, Rotkreuz;

Obsthof Jäger im Motzacherw­eg 47 in Lindau;

Hammerhof, Kemptener Straße

105 in Lindau

Obstbau Meßmer, Tobelstraß­e 34 in Lindau

Hofladen Ambrosius, Schöngarte­nstraße 5 in Lindau.

 ?? FOTOS: SUSI DONNER ?? Die Erdbeerern­te am bayerische­n Bodensee beginnt. Darüber freut sich Lena Nüberlin. Matthias Marschall und der fünfjährig­e Valentin setzen sich zum Erdbeeren essen gleich mitten ins Feld.
FOTOS: SUSI DONNER Die Erdbeerern­te am bayerische­n Bodensee beginnt. Darüber freut sich Lena Nüberlin. Matthias Marschall und der fünfjährig­e Valentin setzen sich zum Erdbeeren essen gleich mitten ins Feld.

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