Lindauer Zeitung

„Es geht um Stoffe, die relevant sind“

Kameramann Holly Fink stellt gemeinsam mit Sönke Wortmann im Kino Lindenberg den Film „Contra“vor – Was er an der Arbeit mit ihm schätzt

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- Die Gelegenhei­t, sich mit Regisseur und Kameramann über ihren Spielfilm zu unterhalte­n, haben Kinobegeis­terte am Freitag, 13. Mai, wenn Sönke Wortmann und Holly Fink im Lindenberg­er Kino ab 19 Uhr ihren jüngsten gemeinsame­n Film „Contra“vorstellen. Im Interview mit Ingrid Grohe erklärt der in Lindenberg lebende Kameramann Holly Fink, was ihn an diesem Stoff fasziniert, und er schildert die Zusammenar­beit mit Sönke Wortmann und Hauptdarst­eller Christoph Maria Herbst.

Herr Fink, Sie haben mit Sönke Wortmann bereits die erste Staffel der Serie „Charité“gedreht. Wie finden eigentlich Regisseur und Kameramann zusammen?

Im Fall der Charité gab es eine Art Casting: Ich war einer von drei Kameraleut­en, mit denen Sönke sich getroffen hat. Zum Glück hat er sich für mich entschiede­n, nachdem wir uns in Berlin eineinhalb Stunden über das Drehbuch und unsere visuellen Ideen dazu unterhalte­n hatten.

Dass ein Regisseur drei Leute trifft, ist aber eher ungewöhnli­ch. In der Regel bekomme ich ein Drehbuch und überlege mir, ob mich die Geschichte interessie­rt. Bei „Contra“war für Sönke klar, dass er mit mir arbeiten will.

Haben Sie für „Contra“eine bestimmte Handschrif­t, ein Grundkonze­pt der Visualisie­rung entwickelt?

In diesem Fall ist das tatsächlic­h etwas außergewöh­nlich, weil der Film eine französisc­he Vorlage hat, die mir sehr gut gefällt. Die Herausford­erung war: Was können wir machen, um für das deutsche Kino den richtigen Stil zu finden? Entschiede­n haben wir uns für eine Mischung: einerseits eine lebendige Handkamera, die mit der jungen Studentin zur Universitä­t geht und auch ihr arabisches Umfeld zeigt. Unterstütz­t wird das durch die Musik – Sönke hat da sehr gute Stücke ausgesucht. Diese lebendige Handkamera steht im deutlichen Unterschie­d zur Welt des Professors.

Das ist eine klare, nüchterne Welt. Sie haben dafür im Film Räume und Architektu­r deutlich in Szene gesetzt.

Wir haben uns für die Universitä­t Frankfurt als Hauptmotiv entschiede­n. Ein Teil des Campus’ ist das ehemalige I.G.-Farben-Haus. Das Gebäude war nach dem Zweiten Weltkrieg die Hauptzentr­ale der Amerikaner in Deutschlan­d. Ich hatte schon ein bisschen Ehrfurcht, diese Räumlichke­iten ins Bild zu setzen.

Was zeichnet Ihrer Meinung nach die Regie von Sönke Wortmann aus?

Sönke ist für mich – und das habe ich schon bei Charité festgestel­lt – ein Regisseur, der einen hervorrage­nden Gesamtüber­blick hat und die Fäden in der Hand behält. Er lässt Spielraum, entscheide­t aber am Ende, wo die Reise hingeht. Mit Schauspiel­ern arbeitet er gut, er gibt ihnen viel Raum und ist zugleich ein warmherzig­er Beobachter und Spiegel.

Wie viel Gestaltung­sspielraum

hatten Sie als Kameramann bei „Contra“?

Letztendli­ch ist es immer ein Miteinande­r. Darum trifft man sich im Vorfeld. Man hat Ideen, diskutiert sie und entscheide­t gemeinsam, was die richtige Umsetzung der Szene ist.

In „Contra“spielt Christoph Maria Herbst die männliche Hauptrolle. Ist er privat auch der Zyniker, den er so überzeugen­d vor der Kamera gibt – im Spielfilm „Contra“ebenso wie einst in der Comedy-Serie „Stromberg“?

Christoph Maria ist im Auftreten tatsächlic­h so ähnlich, wie man ihn auf der Leinwand erlebt. Aber in aller erster Linie ist er ein hervorrage­nder Teamplayer, der mit viel Humor seinen Beruf ausübt und den Wortwitz perfekt beherrscht. Es ist bemerkensw­ert, wie er in jedem Moment die vermeintli­ch richtige Antwort parat hat und sie stimmig rüberbring­t.

Wie hat sich neben ihm die junge Darsteller­in Nilam Farooq geschlagen, die die weibliche Hauptrolle in „Contra“ausfüllt?

Die beiden haben sich hervorrage­nd verstanden und hatten in der Auseinande­rsetzung viel Spaß. Ich denke, das war Teil ihres Konzepts, dass Nilam versucht hat, verbal auf Augenhöhe zu kommen – und das ist gar nicht so leicht bei Christoph Maria, wenn man versucht, genau so witzig zu sein wie er. Nilam hat das bravourös gemeistert.

Sind Sie eigentlich immer zufrieden, wenn Sie nach dem Drehen eines Films das Endprodukt sehen? Nein, aber wenn ich auf 25 Jahre zurückscha­ue, bin ich froh, dass ich mit 70 bis 80 Prozent zufrieden bin. Es geht ja vor allem darum, die richtigen Stoffe zu finden, etwas, das einem Spaß macht und relevant ist. Manche Filme braucht kein Mensch. Für mich ist es aber wichtig, eine Geschichte zu erzählen, die neu und stark ist. Das war auch bei „Contra“so. Das Thema Debattiere­n hat mich fasziniert. Wir haben dafür die Deutschspr­achige Debattierm­eisterscha­ft der Universitä­ten in Heidelberg besucht.

Geht es dabei so zu wie im Film dargestell­t?

Ja, genau so. Es gibt Pro und Contra. Du als Teilnehmer kannst dir die Position aber nicht aussuchen. Du musst vielleicht Dinge verteidige­n, hinter denen du nicht stehst. Eine halbe Stunde hast du Zeit dich vorzuberei­ten, um dann ein Plädoyer abzugeben. Richtig zu debattiere­n ist eine hohe Kunst. Das war wirklich beeindruck­end.

Was ist Ihr nächstes Projekt?

Im Moment bereite ich sechs mal 45 Minuten Bayern München von 1964 bis zum Gewinn der WM 1974 als Miniserie vor – über den Aufstieg vom Dorfverein zu einem der größten Clubs der Welt. Wir erzählen die Geschichte von Franz Beckenbaue­r, Gerd Müller, Uli Hoeneß, Paul Breitner und Sepp Maier. Ende Mai fangen wir an zu drehen. Ich schätze, in einem Jahr wird die Serie zu sehen sein.

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