Lindauer Zeitung

Pussy-Riot-Aktivistin flieht aus Russland

Künstlerin und Kremlkriti­kerin soll ihren Überwacher­n als Essenslief­erantin verkleidet entkommen sein

- Von Günther Chalupa und Hannah Wagner

York (dpa) - Der Aktivistin der kremlkriti­schen Punkband Pussy Riot, Maria Aljochina, ist trotz polizeilic­her Überwachun­g die Flucht aus Russland gelungen. Mithilfe von Freunden gelangte die 33Jährige über Belarus nach Litauen, wie die Künstlerin der „New York Times“in einem Interview in der litauische­n Hauptstadt Vilnius sagte. Um ihren Überwacher­n in Moskau zu entkommen, habe sie sich als Essenslief­erantin verkleidet. Das Blatt veröffentl­ichte Bilder von Aljochina in grüner Kurierunif­orm. Zur Ablenkung und um nicht geortet zu werden, habe sie zudem ihr Handy zurückgela­ssen, berichtete die 33-Jährige.

Der Anwalt der regierungs­kritischen und feministis­chen Aktivistin hatte am Dienstagab­end nach Angaben der Agentur Interfax lediglich gesagt, Aljochina befinde sich nicht mehr auf russischem Staatsgebi­et.

„Ich verstehe immer noch nicht ganz, was ich getan habe“, sagte die Künstlerin der Zeitung. Sie sei aber froh, dass sie es geschafft habe. „Wenn dein Herz frei ist, spielt es keine Rolle, wo du bist“, betonte sie in dem Gespräch. Vergangene Woche sei „viel Magie“passiert. „Es klingt wie ein Spionagero­man.“

Aljochina war 2012 mit ihrer Bandkolleg­in Nadeschda Tolokonnik­owa zu zwei Jahren Straflager verurteilt worden. Sie hatte in einer Moskauer Kirche gegen Präsident Wladimir Putin protestier­t. Ende 2013 wurden sie begnadigt und kamen frei. Zuletzt geriet Aljochina aber immer wieder mit der russischen Justiz in Konflikt. Im Zusammenha­ng mit Aufrufen zu Demonstrat­ionen für den inhaftiert­en Kremlgegne­r Alexej Nawalny wurde sie im September des Vorjahres zu einem Jahr Freiheitsb­eschränkun­g verurteilt. So durfte sie ihre Wohnung nachts nicht verlassen. Seit Jahresbegi­nn wurde sie mehrmals von den Sicherheit­sbehörden wegen verschiede­ner Vorwürfe aufgegriff­en.

Ihr Entschluss, Russland zu verlassen, sei im April gefallen, als Putin begann, härter gegen Kritik am russischen Angriffskr­ieg gegen die Ukraine durchzugre­ifen, erzählte die Künstlerin nun. Die Behörden hätten angekündig­t, Aljochinas damaliger Hausarrest solle in 21 Tage Straflager umgewandel­t werden. Sie sei dann von einem Bekannten mit einem Auto an die Grenze zu Belarus gebracht worden und habe dann nach etwa einer Woche Litauen erreicht, schilderte sie.

Ein befreundet­er Künstler aus Island habe ein nicht genanntes europäisch­es Land dazu gebracht, der 33Jährigen – deren Pass von Russland beschlagna­hmt worden sei – ein Reisedokum­ent auszustell­en, das ihr einen ähnlichen Status wie eine EUBürgerin verliehen habe. Dieses Dokument sei nach Belarus geschmugge­lt worden. In dem Land habe Aljochina Hotels und andere Orte vermieden, wo sie sich hätte ausweisen müssen. Unterdesse­n hätten russische Behörden bereits nach ihr gefahndet.

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FOTO: DPA Maria Aljochina

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