Mehr Steuereinnahmen zumindest auf dem Papier
Neue Prognose hat das Entlastungspaket noch nicht einkalkuliert – Schwierigkeiten für 2023 erwartet
- Steigende Steuereinnahmen, trotzdem komplizierte Finanzlage – in dieser Situation stecken Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) und mit ihm die Ampel-Regierung. Die Einnahmen werden dieses Jahr wohl besser ausfallen als bei der vergangenen Berechnung im Herbst 2021 erwartet, teilten die Steuerschätzer am Donnerstag mit. Rund 890 Milliarden Euro (plus 41 Milliarden) sollen Bund, Länder und Gemeinden 2022 erhalten.
Auf den Bund entfällt dieses Jahr ein Plus von 16 Milliarden Euro, auf die Länder eines von 19 Milliarden. Bis 2026 prognostiziert der Arbeitskreis Steuerschätzung dem Bund im Vergleich zur Herbst-Berechnung 90 Milliarden Euro mehr, den Ländern 96 Milliarden mehr. Insgesamt betragen die Mehreinnahmen der kommenden fünf Jahre im Vergleich zur vergangenen Schätzung 220 Milliarden Euro.
Die Erwartungen der Ökonomen liegen damit für dieses Jahr über dem Niveau von 2019. Nach zweieinhalb Jahren scheint die Corona-Krise überwunden, zumindest für die Staatsfinanzen. 2026 sollen die Steuererträge sogar erstmals mehr als eine Billion Euro erreichen (1032 Milliarden). Zum Teil allerdings dürfte dieser Effekt auf die Inflation zurückzuführen sein, nicht auf reales Wachstum.
Die Schätzung fußt aber auch auf aktuellen Problemen. Die Wirtschaft erholt sich langsamer als erwartet von Corona, Containerschiffe stauen sich vor Shanghai und anderen Häfen, der russische Krieg kostet Wachstum und Geld. Die Perspektiven sind unsicher. Wie sich Krieg und Inflation weiterentwickeln, weiß man nicht.
Außerdem steht der Zuwachs in diesem Jahr wohl zum guten Teil nur auf dem Papier. Denn die Steuerschätzer konnten das Entlastungspaket der Bundesregierung in der Größenordnung von 20 Milliarden Euro bisher nicht einkalkulieren. Es ist noch in der parlamentarischen Beratung. Die milliardenteuren Entlastungen werden die Staatseinnahmen verringern.
Kritisch sieht es im Bundeshaushalt 2023 aus, den der Bundestag in diesem Sommer berät. Die Bundesregierung will ihre Ausgaben von 484 Milliarden Euro (2022) auf 413 Milliarden senken. Die Neuverschuldung soll von knapp 140 Milliarden Euro auf nur noch 7,5 Milliarden in 2023 abnehmen, damit die Schuldenbremse im Grundgesetz wieder gilt. Zudem verspricht der Finanzminister gewisse Steuersenkungen, um inflationsbedingt höhere Abgaben der Privathaushalte und Firmen auszugleichen. Das forderte auch Christian Haase, haushaltspolitischer Sprecher der Union im Bundestag: „Die Inflationsgewinne sollte der Staat zurückgeben.“Grünen-Haushaltspolitiker Sven-Christian Kindler sagte dagegen: „Die Steuerschätzung ist kein Anlass für Diskussionen über Steuersenkungen.“Die Regierung müsse mehr für soziale Gerechtigkeit tun.
Wie Wünsche und Realität 2023 zusammenpassen sollen, ist vorläufig ein Rätsel. Der Krieg und seine Folgen werden wohl weiterhin zu spüren bleiben, die Energiewende kostet große Summen. Immerhin können SPD, Grüne und FDP auf die Rücklagen von gut 60 Milliarden Euro im Klima- und Transformationsfonds zurückgreifen und wahrscheinlich auch auf den neuen 100-Milliarden-Euro-Sonderetat für die Bundeswehr.