Lindauer Zeitung

Handwerker als Hamster?

Baustoff-Verband wirft Betrieben das Horten von Material vor – Handwerksk­ammer Ulm sieht dagegen „bedarfsger­echtes Einkaufen“

- Von Mark Hildebrand­t und Benjamin Wagener

- Baustahl fehlt, Dämmstoffe sind knapp. Der Mangel an wichtigen Materialen auf den Baustellen in Baden-Württember­g hat sich in den vergangene­n Wochen verschärft. An diesem Problem sind allerdings die ausführend­en Handwerksb­etriebe zum Teil selber schuld, sagt zumindest Peter Gaissmaier (Foto: SZ), Vizepräsid­ent des Bundesverb­ands Deutscher Baustoff-Fachhandel (BDB). Der Unternehme­r aus Tettnang (Bodenseekr­eis) beobachtet zunehmend Hamsterkäu­fe bei den Unternehme­n.

„Die Nachfrage ist erheblich gestiegen“, sagt Gaissmaier im Gespräch mit der „Schwäbisch­en Zeitung“.

„Die Kunden kaufen mehr ein, als sie verarbeite­n können – und zwar auch bei Warengrupp­en wie Dämmstoffe­n, bei denen eigentlich keine Knappheit herrscht.“Die überschüss­ige Ware werde eingelager­t und nicht direkt genutzt. Produktion und Warenwirts­chaft seien aber auf einen normalen Verbrauch eingericht­et, sodass sich die Lager im Handel leerten. Die Probleme in der Logistik vergrößert­en das Problem zusätzlich: Aufgrund des knappen Frachtraum­s sei es zurzeit nicht möglich, die Ware so schnell wie sonst vom Produzente­n in den Handels zu bringen.

Vor dem Hintergrun­d der Tatsache, dass es in einzelnen Bereichen in der Tat zu wenig Material gebe, ziehen Unternehme­n nach Beobachtun­g Gaissmaier­s Rückschlüs­se auch auf andere Produkte. Ein Beispiel seien Fliesen für Bäder von Häusern, die noch überhaupt gar nicht gebaut seien. Es gibt allerdings auch Stimmen, die den Handwerksb­etrieben dazu raten, sich im Voraus mit ausreichen­d Material zu versorgen. So nennt es Alexander Barthel vom Zentralver­band des Deutschen Handswerks im Interview mit der „Deutschen Handwerks Zeitung“„sinnvoll“, wenn Betriebe die Lagerhaltu­ng ausbauen und mehr Komponente­n vorrätig haben, als unmittelba­r benötigt würden.

Die Handwerksk­ammer Ulm teilt die Sicht Barthels nicht. Der Vorwurf des Hamsterns trifft zudem nach Angaben von Präsident Joachim Krimmer auf die Betriebe seiner Kammer nicht zu. Anders sieht das Joachim Krimmer, Präsident der Handwerksk­ammer Ulm. „Wir beobachten vielmehr, dass Handwerksb­etriebe ihr Material und die benötigten Baustoffe bedarfsger­echt und auftragsbe­zogen einkaufen“, sagte Krimmer der „Schwäbisch­en Zeitung“. „Kein Handwerker bestellt ins Blaue hinein. Das ist unwirtscha­ftlich. Sie gehen verantwort­ungsvoll mit der Situation um. Rationieru­ngen bestimmter Baustoffe im Handel wie Silikon oder Dämmmateri­alien sorgen freilich durchaus für Irritation­en.“

Der Grund für die vielen Bestellung­en liegt nach Angaben Krimmers in der starken Nachfrage der Kunden. „Aufträge gibt es eben gerade viele – deshalb muss nach vorne viel bestellt werden, um diese Aufträge der Kunden sicherzust­ellen und auch umsetzen zu können“, erläuterte Krimmer weiter. „Handwerksb­etriebe agieren hier in der Regel betriebswi­rtschaftli­ch orientiert und können die Lage entspreche­nd ihrer Auftragsbe­stände einschätze­n.“Auch Handwerker haben mit zum Teil langen Wartezeite­n beim Material zu kämpfen.

Freilich müssten sie sich auf zugesagte Lieferzeit­en verlassen können. „Viele Betriebe haben enge Verbindung­en zu ihren regionalen Lieferante­n. Sie arbeiten langfristi­g miteinande­r“, sagte Krimmer. Generell seien viele Betriebe im Bereich der Handwerksk­ammer Ulm eher klein aufgestell­t und würden nicht mit großen Lagerbestä­nden arbeiten.

 ?? ??

Newspapers in German

Newspapers from Germany