Handwerker als Hamster?
Baustoff-Verband wirft Betrieben das Horten von Material vor – Handwerkskammer Ulm sieht dagegen „bedarfsgerechtes Einkaufen“
- Baustahl fehlt, Dämmstoffe sind knapp. Der Mangel an wichtigen Materialen auf den Baustellen in Baden-Württemberg hat sich in den vergangenen Wochen verschärft. An diesem Problem sind allerdings die ausführenden Handwerksbetriebe zum Teil selber schuld, sagt zumindest Peter Gaissmaier (Foto: SZ), Vizepräsident des Bundesverbands Deutscher Baustoff-Fachhandel (BDB). Der Unternehmer aus Tettnang (Bodenseekreis) beobachtet zunehmend Hamsterkäufe bei den Unternehmen.
„Die Nachfrage ist erheblich gestiegen“, sagt Gaissmaier im Gespräch mit der „Schwäbischen Zeitung“.
„Die Kunden kaufen mehr ein, als sie verarbeiten können – und zwar auch bei Warengruppen wie Dämmstoffen, bei denen eigentlich keine Knappheit herrscht.“Die überschüssige Ware werde eingelagert und nicht direkt genutzt. Produktion und Warenwirtschaft seien aber auf einen normalen Verbrauch eingerichtet, sodass sich die Lager im Handel leerten. Die Probleme in der Logistik vergrößerten das Problem zusätzlich: Aufgrund des knappen Frachtraums sei es zurzeit nicht möglich, die Ware so schnell wie sonst vom Produzenten in den Handels zu bringen.
Vor dem Hintergrund der Tatsache, dass es in einzelnen Bereichen in der Tat zu wenig Material gebe, ziehen Unternehmen nach Beobachtung Gaissmaiers Rückschlüsse auch auf andere Produkte. Ein Beispiel seien Fliesen für Bäder von Häusern, die noch überhaupt gar nicht gebaut seien. Es gibt allerdings auch Stimmen, die den Handwerksbetrieben dazu raten, sich im Voraus mit ausreichend Material zu versorgen. So nennt es Alexander Barthel vom Zentralverband des Deutschen Handswerks im Interview mit der „Deutschen Handwerks Zeitung“„sinnvoll“, wenn Betriebe die Lagerhaltung ausbauen und mehr Komponenten vorrätig haben, als unmittelbar benötigt würden.
Die Handwerkskammer Ulm teilt die Sicht Barthels nicht. Der Vorwurf des Hamsterns trifft zudem nach Angaben von Präsident Joachim Krimmer auf die Betriebe seiner Kammer nicht zu. Anders sieht das Joachim Krimmer, Präsident der Handwerkskammer Ulm. „Wir beobachten vielmehr, dass Handwerksbetriebe ihr Material und die benötigten Baustoffe bedarfsgerecht und auftragsbezogen einkaufen“, sagte Krimmer der „Schwäbischen Zeitung“. „Kein Handwerker bestellt ins Blaue hinein. Das ist unwirtschaftlich. Sie gehen verantwortungsvoll mit der Situation um. Rationierungen bestimmter Baustoffe im Handel wie Silikon oder Dämmmaterialien sorgen freilich durchaus für Irritationen.“
Der Grund für die vielen Bestellungen liegt nach Angaben Krimmers in der starken Nachfrage der Kunden. „Aufträge gibt es eben gerade viele – deshalb muss nach vorne viel bestellt werden, um diese Aufträge der Kunden sicherzustellen und auch umsetzen zu können“, erläuterte Krimmer weiter. „Handwerksbetriebe agieren hier in der Regel betriebswirtschaftlich orientiert und können die Lage entsprechend ihrer Auftragsbestände einschätzen.“Auch Handwerker haben mit zum Teil langen Wartezeiten beim Material zu kämpfen.
Freilich müssten sie sich auf zugesagte Lieferzeiten verlassen können. „Viele Betriebe haben enge Verbindungen zu ihren regionalen Lieferanten. Sie arbeiten langfristig miteinander“, sagte Krimmer. Generell seien viele Betriebe im Bereich der Handwerkskammer Ulm eher klein aufgestellt und würden nicht mit großen Lagerbeständen arbeiten.