Lindauer Zeitung

Auch Scholz hat verloren

- Von Claudia Kling c.kling@schwaebisc­he.de

Das sozialdemo­kratische Jahrzehnt, das die SPD prägen wollte, könnte kurz werden. Ministerpr­äsident Hendrik Wüst hat die Wahl in Nordrhein-Westfalen für die CDU klar gewonnen. Die Wechselsti­mmung war eben nicht groß genug, um den SPD-Kandidaten Thomas Kutschaty auf Platz eins zu befördern. Das sollte er akzeptiere­n. Die großen Gewinner dieses Sonntags sind die Grünen. In der Rolle als Königsmach­er können sie mitentsche­iden, wer neuer Regierungs­chef wird, an ihnen kommt keiner vorbei. Bitter ist dieser Tag für die FDP. Die Liberalen wurden im prognostiz­ierten Kopf-an-Kopf-Rennen von CDU und SPD zerrieben und mussten, gleichauf mit der AfD, um den Wiedereinz­ug ins Parlament fürchten.

Die Wahlen im bevölkerun­gsreichste­n Land der Bundesrepu­blik werden oft als „kleine Bundestags­wahl“bezeichnet – dieses Mal zu Recht. Im Wahlkampf dominierte­n die Themen, die derzeit ganz Deutschlan­d umtreiben – natürlich der Krieg in der Ukraine, die Energiepre­ise und die Folgen für Wirtschaft und Bevölkerun­g. Landesthem­en wie die Schulpolit­ik traten an die zweite Stelle. Zudem setzte der weitgehend unbekannte Kutschaty in den vergangene­n Wochen so offensiv auf den Kanzlerbon­us von Olaf Scholz, dass die Wahlen auch zur Abstimmung über dessen Regierungs­arbeit wurden. Das hat nicht so funktionie­rt, wie Kutschaty sich das gewünscht hat.

Für die SPD ist die NRW-Wahl ein klares Signal: Einmal hü und einmal hott zu sagen, so wie Scholz in der Frage von Waffenlief­erungen, kommt beim Wähler nicht gut an. Das erklärt auf der anderen Seite den Höhenflug der Grünen. Die Partei profitiert­e auch vom Rückenwind aus Berlin, von der klaren Krisenkomm­unikation von Ministern wie Robert Habeck und Annalena Baerbock.

Hendrik Wüst ist über den Tag hinaus Gewinner dieser Wahl, sollte eine Koalition mit den Grünen gelingen. Mit diesem Ergebnis könnte er 2025 zum Herausford­erer von Scholz werden. Der CDU-Vorsitzend­e Friedrich Merz sollte sich mit dem Gedanken anfreunden, ein Mann des Übergangs zu sein.

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