Auch Scholz hat verloren
Das sozialdemokratische Jahrzehnt, das die SPD prägen wollte, könnte kurz werden. Ministerpräsident Hendrik Wüst hat die Wahl in Nordrhein-Westfalen für die CDU klar gewonnen. Die Wechselstimmung war eben nicht groß genug, um den SPD-Kandidaten Thomas Kutschaty auf Platz eins zu befördern. Das sollte er akzeptieren. Die großen Gewinner dieses Sonntags sind die Grünen. In der Rolle als Königsmacher können sie mitentscheiden, wer neuer Regierungschef wird, an ihnen kommt keiner vorbei. Bitter ist dieser Tag für die FDP. Die Liberalen wurden im prognostizierten Kopf-an-Kopf-Rennen von CDU und SPD zerrieben und mussten, gleichauf mit der AfD, um den Wiedereinzug ins Parlament fürchten.
Die Wahlen im bevölkerungsreichsten Land der Bundesrepublik werden oft als „kleine Bundestagswahl“bezeichnet – dieses Mal zu Recht. Im Wahlkampf dominierten die Themen, die derzeit ganz Deutschland umtreiben – natürlich der Krieg in der Ukraine, die Energiepreise und die Folgen für Wirtschaft und Bevölkerung. Landesthemen wie die Schulpolitik traten an die zweite Stelle. Zudem setzte der weitgehend unbekannte Kutschaty in den vergangenen Wochen so offensiv auf den Kanzlerbonus von Olaf Scholz, dass die Wahlen auch zur Abstimmung über dessen Regierungsarbeit wurden. Das hat nicht so funktioniert, wie Kutschaty sich das gewünscht hat.
Für die SPD ist die NRW-Wahl ein klares Signal: Einmal hü und einmal hott zu sagen, so wie Scholz in der Frage von Waffenlieferungen, kommt beim Wähler nicht gut an. Das erklärt auf der anderen Seite den Höhenflug der Grünen. Die Partei profitierte auch vom Rückenwind aus Berlin, von der klaren Krisenkommunikation von Ministern wie Robert Habeck und Annalena Baerbock.
Hendrik Wüst ist über den Tag hinaus Gewinner dieser Wahl, sollte eine Koalition mit den Grünen gelingen. Mit diesem Ergebnis könnte er 2025 zum Herausforderer von Scholz werden. Der CDU-Vorsitzende Friedrich Merz sollte sich mit dem Gedanken anfreunden, ein Mann des Übergangs zu sein.