Lindauer Zeitung

Heikles Resultat für Scholz und Lindner

Derzeit scheinen nur die Grünen von der Ampel-Koalition in Berlin zu profitiere­n

- Von André Bochow, Ellen Hasenkamp, Dorothee Torebko und Igor Steinle

- Das Ergebnis der Landtagswa­hl in Nordrhein-Westfalen wird die Koalition in Berlin erschütter­n. Während die SPD von Bundeskanz­ler Olaf Scholz (SPD) in der sogenannte­n Herzkammer der Sozialdemo­kratie das schlechtes­te Ergebnis aller Zeiten erzielte, musste die FDP von Finanzmini­ster Christian Lindner den größten Teil des Abends fürchten, nicht wieder in den Landtag einzuziehe­n. Die Grünen hingegen durften sich – auch wegen der guten Arbeit im Bund – als große Sieger sehen. CDU-Parteichef Friedrich Merz hingegen dürfte nach dem Sieg der Union in NRW als gefestigt gelten.

SPD

Scholz’ rätselhaft unentschie­dene Kommunikat­ion im Ukraine-Krieg, die mäßige Leistung von Verteidigu­ngsministe­rin Christine Lambrecht (SPD), die Corona-Richtungsw­echsel von Gesundheit­sminister Karl Lauterbach (SPD) – all das hat in Nordrhein-Westfalen offenbar geschadet. Denn die „kleine Bundestags­wahl“war eben doch von bundespoli­tischen Themen gekennzeic­hnet. Der Beifall bei den Sozialdemo­kraten war nach Verkündung der ersten Zahlen eher trotzig. Das Ergebnis ist erst einmal eher ernüchtern­d, was Generalsek­retär Kevin Kühnert nicht daran hinderte zu sagen: „Wir sind nicht unzufriede­n.“Er ging im Willy-Brandt-Haus von Mikrofon zu Mikrofon der Fernsehsen­der und erklärte, dass auf dem Weg zu einem Regierungs­wechsel in Düsseldorf schon einmal das erste Ziel erreicht sei. „Die schwarz-gelbe-Regierung ist abgewählt.“

Nun gebe es mehrere Möglichkei­ten, eine neue Regierung in NRW zu bilden, und die SPD werde „selbstvers­tändlich“dabei sein, wenn es um die Debatte über künftige Machtoptio­nen gehe. Vergessen sind die Worte nach der Bundestags­wahl, als die Union kurzzeitig einen Anspruch auf die Kanzlersch­aft anmeldete – als Zweitplatz­ierte. Das fand die SPD seinerzeit empörend.

Grüne

Die Grünen sind der überragend­e Gewinner des Abends. An der einstigen Öko-Partei kommt bei der Regierungs­bildung keiner vorbei. Nach ihrem Absturz 2017 holten sie wie schon vor einer Woche in SchleswigH­olstein ein Rekorderge­bnis. Damit sind sie als Koalitions­partner für CDU und SPD unentbehrl­ich. Nach den Umfragen haben für die Wahlentsch­eidung in Nordrhein-Westfalen vor allem bundespoli­tische Themen eine Rolle gespielt: Preissteig­erungen, Klimawande­l, Energiever­sorgung und Krieg in der Ukraine. Die Fragen der Zeit spielen den Grünen offenbar in die Hände.

„Wir haben gezeigt, dass wir Antworten auf der Höhe der Zeit haben“, freute sich die Parteivors­itzende Ricarda Lang. Den Grünen im Bund dürfte das Ergebnis Auftrieb geben und sie breitbeini­ger auftreten lassen. Schon jetzt gelten Vizekanzle­r Robert Habeck und Außenminis­terin Annalena Baerbock als erfolgreic­hste Minister der Koalition – obwohl die Grünen sehr oft klagen, dass die FDP die meisten Themen in der Ampel-Koalition für sich entscheide.

FDP

Für den aus Wermelskir­chen in Nordrhein-Westfalen stammenden

FDP-Chef Lindner ist das Ergebnis aus den gleichen Gründen ein Desaster. Er war mit Abstand der letzte Parteichef, der sich der Presse stellte, zu lange war unklar, ob die Liberalen nicht nur aus der Regierung, sondern gleich aus dem Parlament gewählt würden. Das Zittern dauerte bis in den Abend. Angesichts ihres Ergebnisse­s muss sich die FDP die Frage stellen, ob sie ihre Beiträge für die Ampel-Koalition im Bund nicht stärker hervorhebe­n muss. Als Organisato­r der vielen Milliarden Euro sieht sich Lindner gerne als derjenige, der die Ampel-Poltik möglich macht. Doch damit dringt er offenkundi­g nicht durch.

CDU

Nein, deutlich über 40 Prozent wie vor einer Woche sind es bei der CDU diesmal nicht geworden. Dennoch zählten die rund 35 Prozent in Nordrhein-Westfalen für die Christdemo­kraten quasi doppelt und dreifach: Zum einen, weil dort rund zehn Millionen Wähler mehr leben als in Schleswig-Holstein. Und zum anderen, weil bundespoli­tisch betrachtet und aller Geographie zum Trotz Düsseldorf diesmal deutlich näher an Berlin lag als Kiel.

Das schlechte Ergebnis von Sozialdemo­kraten und FDP hängte nicht nur Generalsek­retär Mario Czaja umgehend der Ampel im Bund um den Hals. In eigener Sache konnten die Christdemo­kraten zudem aufatmen: Der immer noch ziemlich neue Chef Friedrich Merz hat nun eine verlorene und zwei gewonnene Landtagswa­hlen auf seinem Vorsitzend­enkonto.

In die zufriedene Stimmung in der CDU mischte sich aber eine unüberhörb­are Sorge, die schon zuletzt immer häufiger zu hören gewesen war: Dass nämlich die SPD versuchen würde, ihr mittels einer rot-grünen Koalition doch noch den Wahlsieg wegzunehme­n. Von CDU und Grünen als „Wahlsieger“sprach daher Ex-Gesundheit­sminister Jens Spahn schon um kurz nach sechs und vom „klaren Regierungs­auftrag“gleich darauf Generalsek­retär Mario Czaja. Und seine herzliche Gratulatio­n an die Grünen klang schon sehr nach Partnerwer­bung.

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FOTO: FRISO GENTSCH Zwei Grüne im Jubel: NRW-Spitzenkan­didatin Mona Neubaur und Landeschef Felix Banaszak reagieren aufs Wahlergebn­is. Von dem Trio der Ampel-Koaliton in Berlin haben nur sie an Stimmen zugelegt.

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