Heikles Resultat für Scholz und Lindner
Derzeit scheinen nur die Grünen von der Ampel-Koalition in Berlin zu profitieren
- Das Ergebnis der Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen wird die Koalition in Berlin erschüttern. Während die SPD von Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) in der sogenannten Herzkammer der Sozialdemokratie das schlechteste Ergebnis aller Zeiten erzielte, musste die FDP von Finanzminister Christian Lindner den größten Teil des Abends fürchten, nicht wieder in den Landtag einzuziehen. Die Grünen hingegen durften sich – auch wegen der guten Arbeit im Bund – als große Sieger sehen. CDU-Parteichef Friedrich Merz hingegen dürfte nach dem Sieg der Union in NRW als gefestigt gelten.
SPD
Scholz’ rätselhaft unentschiedene Kommunikation im Ukraine-Krieg, die mäßige Leistung von Verteidigungsministerin Christine Lambrecht (SPD), die Corona-Richtungswechsel von Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) – all das hat in Nordrhein-Westfalen offenbar geschadet. Denn die „kleine Bundestagswahl“war eben doch von bundespolitischen Themen gekennzeichnet. Der Beifall bei den Sozialdemokraten war nach Verkündung der ersten Zahlen eher trotzig. Das Ergebnis ist erst einmal eher ernüchternd, was Generalsekretär Kevin Kühnert nicht daran hinderte zu sagen: „Wir sind nicht unzufrieden.“Er ging im Willy-Brandt-Haus von Mikrofon zu Mikrofon der Fernsehsender und erklärte, dass auf dem Weg zu einem Regierungswechsel in Düsseldorf schon einmal das erste Ziel erreicht sei. „Die schwarz-gelbe-Regierung ist abgewählt.“
Nun gebe es mehrere Möglichkeiten, eine neue Regierung in NRW zu bilden, und die SPD werde „selbstverständlich“dabei sein, wenn es um die Debatte über künftige Machtoptionen gehe. Vergessen sind die Worte nach der Bundestagswahl, als die Union kurzzeitig einen Anspruch auf die Kanzlerschaft anmeldete – als Zweitplatzierte. Das fand die SPD seinerzeit empörend.
Grüne
Die Grünen sind der überragende Gewinner des Abends. An der einstigen Öko-Partei kommt bei der Regierungsbildung keiner vorbei. Nach ihrem Absturz 2017 holten sie wie schon vor einer Woche in SchleswigHolstein ein Rekordergebnis. Damit sind sie als Koalitionspartner für CDU und SPD unentbehrlich. Nach den Umfragen haben für die Wahlentscheidung in Nordrhein-Westfalen vor allem bundespolitische Themen eine Rolle gespielt: Preissteigerungen, Klimawandel, Energieversorgung und Krieg in der Ukraine. Die Fragen der Zeit spielen den Grünen offenbar in die Hände.
„Wir haben gezeigt, dass wir Antworten auf der Höhe der Zeit haben“, freute sich die Parteivorsitzende Ricarda Lang. Den Grünen im Bund dürfte das Ergebnis Auftrieb geben und sie breitbeiniger auftreten lassen. Schon jetzt gelten Vizekanzler Robert Habeck und Außenministerin Annalena Baerbock als erfolgreichste Minister der Koalition – obwohl die Grünen sehr oft klagen, dass die FDP die meisten Themen in der Ampel-Koalition für sich entscheide.
FDP
Für den aus Wermelskirchen in Nordrhein-Westfalen stammenden
FDP-Chef Lindner ist das Ergebnis aus den gleichen Gründen ein Desaster. Er war mit Abstand der letzte Parteichef, der sich der Presse stellte, zu lange war unklar, ob die Liberalen nicht nur aus der Regierung, sondern gleich aus dem Parlament gewählt würden. Das Zittern dauerte bis in den Abend. Angesichts ihres Ergebnisses muss sich die FDP die Frage stellen, ob sie ihre Beiträge für die Ampel-Koalition im Bund nicht stärker hervorheben muss. Als Organisator der vielen Milliarden Euro sieht sich Lindner gerne als derjenige, der die Ampel-Poltik möglich macht. Doch damit dringt er offenkundig nicht durch.
CDU
Nein, deutlich über 40 Prozent wie vor einer Woche sind es bei der CDU diesmal nicht geworden. Dennoch zählten die rund 35 Prozent in Nordrhein-Westfalen für die Christdemokraten quasi doppelt und dreifach: Zum einen, weil dort rund zehn Millionen Wähler mehr leben als in Schleswig-Holstein. Und zum anderen, weil bundespolitisch betrachtet und aller Geographie zum Trotz Düsseldorf diesmal deutlich näher an Berlin lag als Kiel.
Das schlechte Ergebnis von Sozialdemokraten und FDP hängte nicht nur Generalsekretär Mario Czaja umgehend der Ampel im Bund um den Hals. In eigener Sache konnten die Christdemokraten zudem aufatmen: Der immer noch ziemlich neue Chef Friedrich Merz hat nun eine verlorene und zwei gewonnene Landtagswahlen auf seinem Vorsitzendenkonto.
In die zufriedene Stimmung in der CDU mischte sich aber eine unüberhörbare Sorge, die schon zuletzt immer häufiger zu hören gewesen war: Dass nämlich die SPD versuchen würde, ihr mittels einer rot-grünen Koalition doch noch den Wahlsieg wegzunehmen. Von CDU und Grünen als „Wahlsieger“sprach daher Ex-Gesundheitsminister Jens Spahn schon um kurz nach sechs und vom „klaren Regierungsauftrag“gleich darauf Generalsekretär Mario Czaja. Und seine herzliche Gratulation an die Grünen klang schon sehr nach Partnerwerbung.