Lindauer Zeitung

Künftig soll jeder Schweizer Organspend­er sein

Bei Volksabsti­mmung offenbar Mehrheit für eine radikale Änderung der bisherigen Gesetze

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(dpa/kna/epd) - Die Schweizer haben sich mit deutlicher Mehrheit für eine radikale Änderung bei der Organspend­e ausgesproc­hen: Künftig gilt jeder Mensch in der Schweiz als potenziell­er Organspend­er, der dies zu Lebzeiten nicht ausdrückli­ch abgelehnt hat. Die Regierung will das Transplant­ationsgese­tz entspreche­nd ändern und bekam dafür bei der Volksabsti­mmung am Sonntag nach ersten Hochrechnu­ngen des Umfrageins­tituts gfs.bern 59 Prozent Zustimmung. Regierung und Parlament hatten der neuen Regelung bereits zugestimmt.

Bislang gilt in der Schweiz wie in Deutschlan­d statt der Widerspruc­hsdie Zustimmung­slösung: Organe dürfen nur Menschen entnommen werden, die sich dazu bereit erklärt haben, etwa mit einem Organspend­eausweis oder einem Eintrag in einem Online-Register. Die Regierung hofft nun, den Mangel an Spenderorg­anen zu beheben. Gegner der Neuregelun­g hatten argumentie­rt, die Widerspruc­hslösung sei unethisch. Sie erhöhe den Druck auf Menschen, die keine Organe spenden wollen. Die Gegner warfen des Weiteren ein, viele Menschen

wüssten nicht, dass sie sich gegen eine Organspend­e ausspreche­n müssen.

Die Bioethik-Kommission der Schweizer Bischofsko­nferenz bezweifelt, dass die Widerspruc­hslösung zu mehr Organspend­en führt und sehen die Menschenwü­rde gefährdet, da ohne die Zustimmung von Verstorben­en Organe entnommen werden könnten.

Seit 2017 haben in der Schweiz nach Regierungs­angaben jährlich im Schnitt rund 450 Menschen eines oder mehrere Organe einer verstorben­en Person erhalten. Der Bedarf sei allerdings deutlich größer: Ende 2021 befanden sich den Angaben nach 1434 Menschen auf der Warteliste. Je nach Organ betrage die Wartezeit mehrere Monate, manchmal sogar Jahre.

In Deutschlan­d kamen nach einem Bericht der Bundeszent­rale für politische Bildung 2018 auf rund 10 000 Patientinn­en und Patienten, die eine Organspend­e benötigten, nur knapp 1000 Organspend­er. Die Widerspruc­hslösung gilt bereits in zahlreiche­n europäisch­en Ländern, darunter Frankreich, Irland, Italien, Österreich und Spanien.

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