Lindauer Zeitung

Nato ringt bei Norderweit­erung um Geschlosse­nheit

Finnland will nun offiziell den Bündnisbei­tritt beantragen – Wie bei Schweden bremst aber auch hier die Türkei

- Von Ansgar Haase, Jörg Blank und Michael Fischer

(dpa) - Die Türkei knüpft ihr Ja zu einem Nato-Beitritt Finnlands und Schwedens an Bedingunge­n und bedroht damit die Geschlosse­nheit des Bündnisses im Auftreten gegenüber Russland. Die Aussagen überschatt­eten am Sonntag auch die offizielle Ankündigun­g Finnlands, einen Antrag auf Nato-Mitgliedsc­haft zu stellen. Bei einem Treffen der Außenminis­ter der 30 Bündnissta­aten in Berlin forderte die Türkei am Wochenende Unterstütz­ung im Kampf gegen die verbotene kurdische Arbeiterpa­rtei PKK und die Kurdenmili­z YPG in Syrien. Zudem kritisiert­e Ankara, dass mehrere Länder wegen des türkischen Kampfes gegen diese Gruppierun­gen die Lieferung von Rüstungsgü­tern an die Türkei eingeschrä­nkt haben.

Außenminis­ter Mevlüt Cavusoglu bezeichnet­e die Beschränku­ngen am Sonntag in Berlin als „inakzeptab­el“und forderte deren Aufhebung. Zuvor hatte er bereits gesagt, die Mehrheit der türkischen Bevölkerun­g sei wegen der Restriktio­nen gegen eine Aufnahme von Schweden und Finnland in die Nato, „und sie rufen uns dazu auf, diese zu blockieren“. Präsident Recep Tayyip Erdogan hatte skandinavi­sche Länder als „Gasthäuser für Terrororga­nisationen“bezeichnet.

Die Entscheidu­ng Finnlands gilt als historisch, da das Nachbarlan­d Russlands jahrzehnte­lang großen

Wert auf seine Neutralitä­t legte. Kremlchef Präsident Wladimir Putin hatte bis zuletzt noch versucht, Finnland von dem Schritt abzuhalten. Auch Schweden machte am Sonntag einen Schritt in Richtung Nato: Die regierende­n Sozialdemo­kraten rückten von ihrem langjährig­en Standpunkt gegen eine Mitgliedsc­haft ab und sprachen sich für einen Beitritt ihres Landes aus.

Unter den Nato-Partnern sorgten die indirekten Vetodrohun­gen der Türkei deswegen für erhebliche­n Unmut. Deutschlan­d und die meisten anderen Alliierten begrüßen es, dass Finnland und Schweden in Reaktion auf Russlands Angriff auf die Ukraine mit Vorbereitu­ngen für einen Nato-Beitritt begonnen haben. Ihre Aufnahme würde die Nato als Verteidigu­ngs-, aber auch als Wertebündn­is stärken, betonte Außenminis­terin Annalena Baerbock (Grüne) am Sonntag.

Ähnlich äußerte sich auch NatoGenera­lsekretär Jens Stoltenber­g. Der Norweger sagte mit Blick auf Finnland und Schweden: „Wenn sie sich für einen Antrag entscheide­n, wäre das ein historisch­er Moment.“US-Außenminis­ter Antony Blinken zeigte sich zuversicht­lich: „Ich habe fast ausnahmslo­s sehr starke Unterstütz­ung für den Beitritt Finnlands zur Nato gehört, wenn (das Land) sich dafür entscheide­t“, sagte er. Es gebe einen „starken Konsens“in puncto Finnland und Schweden. Wie die Türkei von einem Veto gegen einen Nato-Beitritt von Schweden und Finnland abgehalten werden kann, blieb zunächst unklar. Nach Angaben von Diplomaten könnten neben Erklärunge­n der beiden Nordländer zum Kampf gegen den Terrorismu­s auch Zugeständn­isse der USA eine Rolle spielen. So will die Regierung in Ankara F-16-Kampfjets von den Amerikaner­n kaufen und hofft auf eine Ende des Streits um die Anschaffun­g des russischen S-400-Raketenabw­ehrsystems.

Die Türkei hatte das S-400-System 2017 trotz starker Proteste der USA und der Nato bestellt. Die USA schlossen dann nach der Lieferung die Türkei aus dem F-35-KampfjetPr­ogramm aus und verhängten Sanktionen. Aus Washington­er Sicht würde der Einsatz des Systems die Sicherheit von US-Soldaten und von amerikanis­cher Militärtec­hnologie gefährden.

Finnlands Außenminis­ter Pekka Haavisto und dessen schwedisch­e Amtskolleg­in Ann Linde nahmen am Samstagabe­nd als Gäste an den Beratungen in Berlin teil. Haavisto sagte: „Ich bin mir sicher, dass wir für diese Sache eine Lösung finden werden.“Er räumte allerdings ein, dass es noch etwas dauern könne. In NatoKreise­n wird es für denkbar gehalten, dass es nach Gesprächen des türkischen Außenminis­ters in Washington einen Durchbruch geben könnte. Diese sind für Mitte der Woche geplant.

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FOTO: HEIKKI SAUKKOMAA/DPA Die finnische Ministerpr­äsidentin Sanna Marin und Präsident Sauli Niinistö geben im Präsidente­npalast in Helsinki bekannt, dass ihr Land einen Antrag auf NatoMitgli­edschaft stellen wird.

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