Nato ringt bei Norderweiterung um Geschlossenheit
Finnland will nun offiziell den Bündnisbeitritt beantragen – Wie bei Schweden bremst aber auch hier die Türkei
(dpa) - Die Türkei knüpft ihr Ja zu einem Nato-Beitritt Finnlands und Schwedens an Bedingungen und bedroht damit die Geschlossenheit des Bündnisses im Auftreten gegenüber Russland. Die Aussagen überschatteten am Sonntag auch die offizielle Ankündigung Finnlands, einen Antrag auf Nato-Mitgliedschaft zu stellen. Bei einem Treffen der Außenminister der 30 Bündnisstaaten in Berlin forderte die Türkei am Wochenende Unterstützung im Kampf gegen die verbotene kurdische Arbeiterpartei PKK und die Kurdenmiliz YPG in Syrien. Zudem kritisierte Ankara, dass mehrere Länder wegen des türkischen Kampfes gegen diese Gruppierungen die Lieferung von Rüstungsgütern an die Türkei eingeschränkt haben.
Außenminister Mevlüt Cavusoglu bezeichnete die Beschränkungen am Sonntag in Berlin als „inakzeptabel“und forderte deren Aufhebung. Zuvor hatte er bereits gesagt, die Mehrheit der türkischen Bevölkerung sei wegen der Restriktionen gegen eine Aufnahme von Schweden und Finnland in die Nato, „und sie rufen uns dazu auf, diese zu blockieren“. Präsident Recep Tayyip Erdogan hatte skandinavische Länder als „Gasthäuser für Terrororganisationen“bezeichnet.
Die Entscheidung Finnlands gilt als historisch, da das Nachbarland Russlands jahrzehntelang großen
Wert auf seine Neutralität legte. Kremlchef Präsident Wladimir Putin hatte bis zuletzt noch versucht, Finnland von dem Schritt abzuhalten. Auch Schweden machte am Sonntag einen Schritt in Richtung Nato: Die regierenden Sozialdemokraten rückten von ihrem langjährigen Standpunkt gegen eine Mitgliedschaft ab und sprachen sich für einen Beitritt ihres Landes aus.
Unter den Nato-Partnern sorgten die indirekten Vetodrohungen der Türkei deswegen für erheblichen Unmut. Deutschland und die meisten anderen Alliierten begrüßen es, dass Finnland und Schweden in Reaktion auf Russlands Angriff auf die Ukraine mit Vorbereitungen für einen Nato-Beitritt begonnen haben. Ihre Aufnahme würde die Nato als Verteidigungs-, aber auch als Wertebündnis stärken, betonte Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne) am Sonntag.
Ähnlich äußerte sich auch NatoGeneralsekretär Jens Stoltenberg. Der Norweger sagte mit Blick auf Finnland und Schweden: „Wenn sie sich für einen Antrag entscheiden, wäre das ein historischer Moment.“US-Außenminister Antony Blinken zeigte sich zuversichtlich: „Ich habe fast ausnahmslos sehr starke Unterstützung für den Beitritt Finnlands zur Nato gehört, wenn (das Land) sich dafür entscheidet“, sagte er. Es gebe einen „starken Konsens“in puncto Finnland und Schweden. Wie die Türkei von einem Veto gegen einen Nato-Beitritt von Schweden und Finnland abgehalten werden kann, blieb zunächst unklar. Nach Angaben von Diplomaten könnten neben Erklärungen der beiden Nordländer zum Kampf gegen den Terrorismus auch Zugeständnisse der USA eine Rolle spielen. So will die Regierung in Ankara F-16-Kampfjets von den Amerikanern kaufen und hofft auf eine Ende des Streits um die Anschaffung des russischen S-400-Raketenabwehrsystems.
Die Türkei hatte das S-400-System 2017 trotz starker Proteste der USA und der Nato bestellt. Die USA schlossen dann nach der Lieferung die Türkei aus dem F-35-KampfjetProgramm aus und verhängten Sanktionen. Aus Washingtoner Sicht würde der Einsatz des Systems die Sicherheit von US-Soldaten und von amerikanischer Militärtechnologie gefährden.
Finnlands Außenminister Pekka Haavisto und dessen schwedische Amtskollegin Ann Linde nahmen am Samstagabend als Gäste an den Beratungen in Berlin teil. Haavisto sagte: „Ich bin mir sicher, dass wir für diese Sache eine Lösung finden werden.“Er räumte allerdings ein, dass es noch etwas dauern könne. In NatoKreisen wird es für denkbar gehalten, dass es nach Gesprächen des türkischen Außenministers in Washington einen Durchbruch geben könnte. Diese sind für Mitte der Woche geplant.