PEN ringt nach Yücels Rücktritt um Neuanfang
(dpa) - Nach dem Gothaer PEN-Beben, das in dem Abgang des Präsidenten Deniz Yücel (Foto: dpa) gipfelte, steht die Schriftstellervereinigung vor einem
Scherbenhaufen – und vor einem
Neubeginn. Über den Showdown auf der Mitgliederversammlung des deutschen
PEN-Zentrums am Wochenende in der thüringischen Residenzstadt waren viele Mitglieder entsetzt. Als beschämend, unwürdig und schäbig empfanden sie die Grabenkämpfe zwischen Yücel-Kritikern und Unterstützern. Zugleich wurden aus den PEN-Reihen Forderungen nach Erneuerung und Verjüngung des Vereins laut.
In der Aussprache am Samstag war von „toxischer Männlichkeit“und „einer Riege alter westdeutscher Herren“die Rede, die persönliche Eitelkeiten vor die politische Wirksamkeit des Vereins stellten. Einige PEN-Mitglieder dachten laut über einen Austritt nach. Die Schriftstellerin Julia Franck sprach von einem „Höllenspektakel“in Gotha und Gefechten, an denen sie sich nicht beteiligen wolle. Ihre Kollegin Thea Dorn sagte, für sie mache ein Verbleib im PEN nur Sinn, wenn sich die Vereinigung radikal neu aufstelle.
Was war passiert? Erst im vergangenen Oktober hatte der PEN die Führungsriege mit dem Journalisten Yücel an der Spitze gewählt. Keine sieben Monate später hatte sich das Präsidium im Streit selbst zerlegt. Im Kern ging es um den Führungsstil, Mobbingvorwürfe, Beleidigungen und Umgangston. Stein des Anstoßes war ein an Dritte weitergeleiteter umfassender interner Mailverkehr.
Der 48-Jährige Yücel entging daraufhin am Freitagabend in Gotha nur knapp einer Abwahl, schmiss danach aber dennoch zornig hin, weil er keine „prominente Galionsfigur einer Bratwurstbude“sein wolle. Zugleich verkündete der Journalist, der ein Jahr wegen angeblicher Terrorpropaganda in türkischer Untersuchungshaft saß, seinen Austritt aus der Schriftstellervereinigung.
Um den Weg für einen Neuanfang frei zu machen, war am Samstag in Gotha dann das komplette noch verbliebene Präsidium zurückgetreten. Als Übergangspräsident wurde mit großer Mehrheit der österreichische Schriftsteller Josef Haslinger gewählt. Er soll bis zur Wahl einer neuen Führungsriege auf einer außerordentlichen Mitgliederversammlung spätestens im Herbst die Schriftstellervereinigung führen. Haslinger war bereits einmal von 2013 bis 2017 PEN-Präsident. Ambitionen auf eine erneute, reguläre Amtszeit hegt er jedoch nicht: „Ich stehe nur übergangsweise zur Verfügung.“