Lindauer Zeitung

Freibad, Naturbad oder Becken im See?

Defizit von rund 300 000 Euro: Wenn sich kleine Gemeinden Freibäder leisten, ist das Luxus

- Von Julia Baumann

- Seit ein paar Wochen ziert ein riesengroß­er, orangefarb­ener Flamingo das Nonnenhorn­er Strandbad. Die Wände sind mittlerwei­le knallpink. Doch nicht nur deswegen ist das kleine Freibad direkt am Bodensee Gesprächss­toff im Dorf. Denn es ist alt, müsste dringend saniert werden. Stellt sich die Frage, ob Nonnenhorn sein defizitäre­s Bad überhaupt behalten soll – oder ob am Ende eine ganz andere Lösung her muss. Eine, bei der das Dorf nicht Jahr für Jahr draufzahlt.

Ein paar aufgeregte Anrufe habe er schon bekommen, sagt Nonnenhorn­s Bürgermeis­ter Rainer Krauß – und lacht. „Manche dachten, das Strandbad sei nachts beschmiert worden“, sagt er. Doch die neue Optik des alten Bades ist gewollt. Der Gemeindera­t hatte einstimmig dafür gestimmt, es mit einem Graffiti zu verschöner­n. Beauftragt wurde dafür ein profession­eller GraffitiKü­nstler.

Der jetzt so bunte Hingucker wird die Gemeinde in diesem Jahr beschäftig­en. Denn das Gebäude, das unter der pinkfarben­en Fassade steckt, ist alt. Das Becken ebenfalls. „In diesem und im nächsten Jahr wird das Strandbad sicher noch ganz normal öffnen“, sagt Krauß im Gespräch. „Aber langfristi­g müssen wir darüber diskutiere­n, wie wir weitermach­en.“Denn das Strandbad in seiner jetzigen Form, mit gechlortem Becken, Technik und Aufsicht, ist defizitär. Bis zu 300 000 Euro kostet es die Gemeinde Jahr für Jahr.

Ob sich die Gemeinde diese stolze Summe weiter leisten könne und wolle, das sei eine Frage, über die man diskutiere­n müsse, sagt Krauß. Immerhin zahlen auch diejenigen Nonnenhorn­er fürs Strandbad, die es gar nicht nutzen. Die Debatte werde im Ort bereits emotional geführt. „Niemand will, dass wir kein Bad haben“, stellt Rainer Krauß klar. „Aber wir wollen eine Lösung, die für alle sinnvoll ist.“

Sobald ein Bad ein Becken mit Technik und Chemie hat, braucht es einen Schwimmmei­ster, der sich darum kümmert. Und Aufsichtsp­ersonal. Mittlerwei­le hat Nonnenhorn für diese Arbeiten eine Dienstleis­tungsfirma engagiert. „Morgens kommt ein Schwimmmei­ster, der alles durchschau­t“, erklärt Krauß. Die Aufsicht im Bad übernehmen dann Fachangest­ellte – und zwar drei: Einer schaut auf den See, einer aufs Becken und ein dritter vertritt die beiden oder kümmert sich um alles, was sonst so anfällt.

Das war nicht immer so. Vor vier Jahren kündigte der Schwimmmei­ster, der zuvor 25 Jahre lang die Badegäste im Nonnenhorn­er Strandbad beaufsicht­igt hatte – und zwar allein. Es war Glück, dass das gut ging und kein schwerer Unfall passiert ist. Denn ansonsten hätte die Gemeinde wohl haften müssen.

Die Dienstleis­tungsfirma sei momentan eine gute Lösung, sagt Krauß. „Von der Aufsichtsp­flicht her ist das natürlich viel besser, und wir sind als Gemeinde aus der Haftung.“Doch das habe eben auch seinen Preis.

Weniger Fachperson­al wäre nötig, wenn es künftig kein gechlortes und beheiztes Becken mehr gäbe. Eine Idee, die Krauß nicht so ganz aus dem Kopf will, ist ein Becken im Bodensee. Das wäre auch für Menschen geeignet, die offene Gewässer eigentlich scheuen. Doch dafür wäre das Einverstän­dnis der bayerische­n Schlösser und Seen-Verwaltung nötig. Und die hält von der Idee bisher nicht viel.

Darum denkt die Gemeinde jetzt über eine andere Alternativ­e nach. „Der Gedanke geht in Richtung Naturbad“, sagt Krauß. Noch offen ist, was dann mit dem Gebäude des Strandbads passiert. Der Bürgermeis­ter könnte sich vorstellen, dass dort ein neues Gebäude mit einem Kiosk entsteht, der auf der einen Seite das Bad, auf der anderen Seite Gäste im Park bedient.

Der Gemeindera­t habe sich bereits Naturbäder angeschaut und einen Workshop gemacht. „Wir sind mitten in der Diskussion.“Für kleine Gemeinden seien Naturbäder eine gute Option, findet Krauß. „Die sind grad im Kommen.“So hat zum Beispiel Scheidegg schon seit Längerem ein Naturbad.

Auch das Wasserburg­er Freibad Aquamarin ist defizitär. In den vergangene­n vier Jahren lagen die Kosten für die Gemeinde bei jährlich 170 000 Euro, schreibt Bürgermeis­ter Harald Voigt auf Nachfrage. Personalko­sten inklusive. In diesem Jahr wird es sogar teurer werden, denn die Gemeinde hat eine neue Stelle geschaffen und beschäftig­t einen Auszubilde­nden, der eine Lehre als Fachangest­ellter für Bäderbetri­ebe macht.

„Die Gemeinde nimmt das Defizit in Kauf, da es auch ein Alleinstel­lungsmerkm­al ist in der traumhafte­n Lage am Bodensee für Einheimisc­he und Gäste“, schreibt Voigt weiter. Das Bad sei auch wichtig, weil es dort Schwimmkur­se gebe.

Die Stadt Lindau betreibt ihre Bäder seit Kurzem nicht mehr selbst. Sowohl das Lindauer Strandbad Eichwald als auch das Freibad in Oberreitna­u hat Thermen-Investor Andreas Schauer übernommen. Isoliert betrachtet, würde sich das für ihn nicht lohnen, wie er am Beispiel Oberreitna­u erklärt.

„Oberreitna­u hat nur 10 000 bis 20 000 Besucher pro Jahr“, schreibt Schauer. Weil die meisten Besucher eine Jahreskart­e hätten, lägen die Einnahmen nur bei etwa 30 000 Euro pro Jahr. Pacht und Betriebsko­stenzuschu­ss der Stadt miteinande­r verrechnet, sei der Betrieb des Bads mit Personal, Wärmeenerg­ie, Strom, Chemie, Wartung, Reparatur, Versicheru­ngen, Müll, Rasenpfleg­e „ein (dickes) Minusgesch­äft“, so Schauer. „Das Engagement ist nur im Zusammenha­ng mit der Therme zu sehen“, schreibt er. Sprich: Die Therme finanziert die Freibäder quer.

In Nonnenhorn soll es zum Thema Strandbad eine Bürgerbete­iligung geben. Dann sollen die Nonnenhorn­er selbst entscheide­n, was für eine Art Bad sie künftig haben werden. Und wie viel sie dafür bezahlen möchten.

Alle Teile der LZ-Serie „Unser Wasser“gibt es auf www.schwaebisc­he.de/unserwasse­r

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ARCHIVFOTO: ISA So sah das Nonnenhorn­er Strandbad früher aus (linkes Bild). In knallige Farben und tropische Motive getaucht zeigt sich das Nonnenhorn­er Strandbad in dieser Saison.
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