Freibad, Naturbad oder Becken im See?
Defizit von rund 300 000 Euro: Wenn sich kleine Gemeinden Freibäder leisten, ist das Luxus
- Seit ein paar Wochen ziert ein riesengroßer, orangefarbener Flamingo das Nonnenhorner Strandbad. Die Wände sind mittlerweile knallpink. Doch nicht nur deswegen ist das kleine Freibad direkt am Bodensee Gesprächsstoff im Dorf. Denn es ist alt, müsste dringend saniert werden. Stellt sich die Frage, ob Nonnenhorn sein defizitäres Bad überhaupt behalten soll – oder ob am Ende eine ganz andere Lösung her muss. Eine, bei der das Dorf nicht Jahr für Jahr draufzahlt.
Ein paar aufgeregte Anrufe habe er schon bekommen, sagt Nonnenhorns Bürgermeister Rainer Krauß – und lacht. „Manche dachten, das Strandbad sei nachts beschmiert worden“, sagt er. Doch die neue Optik des alten Bades ist gewollt. Der Gemeinderat hatte einstimmig dafür gestimmt, es mit einem Graffiti zu verschönern. Beauftragt wurde dafür ein professioneller GraffitiKünstler.
Der jetzt so bunte Hingucker wird die Gemeinde in diesem Jahr beschäftigen. Denn das Gebäude, das unter der pinkfarbenen Fassade steckt, ist alt. Das Becken ebenfalls. „In diesem und im nächsten Jahr wird das Strandbad sicher noch ganz normal öffnen“, sagt Krauß im Gespräch. „Aber langfristig müssen wir darüber diskutieren, wie wir weitermachen.“Denn das Strandbad in seiner jetzigen Form, mit gechlortem Becken, Technik und Aufsicht, ist defizitär. Bis zu 300 000 Euro kostet es die Gemeinde Jahr für Jahr.
Ob sich die Gemeinde diese stolze Summe weiter leisten könne und wolle, das sei eine Frage, über die man diskutieren müsse, sagt Krauß. Immerhin zahlen auch diejenigen Nonnenhorner fürs Strandbad, die es gar nicht nutzen. Die Debatte werde im Ort bereits emotional geführt. „Niemand will, dass wir kein Bad haben“, stellt Rainer Krauß klar. „Aber wir wollen eine Lösung, die für alle sinnvoll ist.“
Sobald ein Bad ein Becken mit Technik und Chemie hat, braucht es einen Schwimmmeister, der sich darum kümmert. Und Aufsichtspersonal. Mittlerweile hat Nonnenhorn für diese Arbeiten eine Dienstleistungsfirma engagiert. „Morgens kommt ein Schwimmmeister, der alles durchschaut“, erklärt Krauß. Die Aufsicht im Bad übernehmen dann Fachangestellte – und zwar drei: Einer schaut auf den See, einer aufs Becken und ein dritter vertritt die beiden oder kümmert sich um alles, was sonst so anfällt.
Das war nicht immer so. Vor vier Jahren kündigte der Schwimmmeister, der zuvor 25 Jahre lang die Badegäste im Nonnenhorner Strandbad beaufsichtigt hatte – und zwar allein. Es war Glück, dass das gut ging und kein schwerer Unfall passiert ist. Denn ansonsten hätte die Gemeinde wohl haften müssen.
Die Dienstleistungsfirma sei momentan eine gute Lösung, sagt Krauß. „Von der Aufsichtspflicht her ist das natürlich viel besser, und wir sind als Gemeinde aus der Haftung.“Doch das habe eben auch seinen Preis.
Weniger Fachpersonal wäre nötig, wenn es künftig kein gechlortes und beheiztes Becken mehr gäbe. Eine Idee, die Krauß nicht so ganz aus dem Kopf will, ist ein Becken im Bodensee. Das wäre auch für Menschen geeignet, die offene Gewässer eigentlich scheuen. Doch dafür wäre das Einverständnis der bayerischen Schlösser und Seen-Verwaltung nötig. Und die hält von der Idee bisher nicht viel.
Darum denkt die Gemeinde jetzt über eine andere Alternative nach. „Der Gedanke geht in Richtung Naturbad“, sagt Krauß. Noch offen ist, was dann mit dem Gebäude des Strandbads passiert. Der Bürgermeister könnte sich vorstellen, dass dort ein neues Gebäude mit einem Kiosk entsteht, der auf der einen Seite das Bad, auf der anderen Seite Gäste im Park bedient.
Der Gemeinderat habe sich bereits Naturbäder angeschaut und einen Workshop gemacht. „Wir sind mitten in der Diskussion.“Für kleine Gemeinden seien Naturbäder eine gute Option, findet Krauß. „Die sind grad im Kommen.“So hat zum Beispiel Scheidegg schon seit Längerem ein Naturbad.
Auch das Wasserburger Freibad Aquamarin ist defizitär. In den vergangenen vier Jahren lagen die Kosten für die Gemeinde bei jährlich 170 000 Euro, schreibt Bürgermeister Harald Voigt auf Nachfrage. Personalkosten inklusive. In diesem Jahr wird es sogar teurer werden, denn die Gemeinde hat eine neue Stelle geschaffen und beschäftigt einen Auszubildenden, der eine Lehre als Fachangestellter für Bäderbetriebe macht.
„Die Gemeinde nimmt das Defizit in Kauf, da es auch ein Alleinstellungsmerkmal ist in der traumhaften Lage am Bodensee für Einheimische und Gäste“, schreibt Voigt weiter. Das Bad sei auch wichtig, weil es dort Schwimmkurse gebe.
Die Stadt Lindau betreibt ihre Bäder seit Kurzem nicht mehr selbst. Sowohl das Lindauer Strandbad Eichwald als auch das Freibad in Oberreitnau hat Thermen-Investor Andreas Schauer übernommen. Isoliert betrachtet, würde sich das für ihn nicht lohnen, wie er am Beispiel Oberreitnau erklärt.
„Oberreitnau hat nur 10 000 bis 20 000 Besucher pro Jahr“, schreibt Schauer. Weil die meisten Besucher eine Jahreskarte hätten, lägen die Einnahmen nur bei etwa 30 000 Euro pro Jahr. Pacht und Betriebskostenzuschuss der Stadt miteinander verrechnet, sei der Betrieb des Bads mit Personal, Wärmeenergie, Strom, Chemie, Wartung, Reparatur, Versicherungen, Müll, Rasenpflege „ein (dickes) Minusgeschäft“, so Schauer. „Das Engagement ist nur im Zusammenhang mit der Therme zu sehen“, schreibt er. Sprich: Die Therme finanziert die Freibäder quer.
In Nonnenhorn soll es zum Thema Strandbad eine Bürgerbeteiligung geben. Dann sollen die Nonnenhorner selbst entscheiden, was für eine Art Bad sie künftig haben werden. Und wie viel sie dafür bezahlen möchten.
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