„Wer Gerechtigkeit sät, wird Frieden ernten“
Pater Anselm Grün hebt in der Inselhalle die Bedeutung von Werten für ein erfülltes Leben hervor
- Die persönliche Ausstrahlung Pater Anselm Grüns hat auch durch die lange Abstinenz des Benediktinermönches, was aufgrund der Corona-Pandemie öffentliche Auftritte betrifft, nichts verloren – ganz im Gegenteil. Die Freude, wieder richtig vor Menschen sprechen zu können und nicht nur in einen Monitor hinein, war dem berühmten Mönch in der Lindauer Inselhalle in jeder Sekunde anzumerken. Er selbst machte da auch kein Hehl draus, was auch Grüns Geduld beim SelfieSchießen vieler Besucher belegte.
Pater Anselm Grün gastierte auf Einladung des Lions Clubs Lindau wieder in Lindau und fand eine mit rund 500 Gästen gut gefüllte Inselhalle vor. Die Sorge der Organisatoren um Präsident Michael Hankel, es könnte für solch eine Veranstaltung zu früh sein, hatte sich also schnell zerschlagen. So sammelten sich durch den Kartenverkauf rund 4000 Euro an, die nach Aufstockung durch den Club nun jeweils eine 3000Euro-Spende an die Tafel Lindau sowie den Treffpunkt Zech ergeben.
„Werte machen das Leben wertvoll – Werte in der heutigen Zeit“war das Thema, zu dem der Pater sprach. Dazu führte er sieben Grundsätze der griechischen Philosophie auf und erklärte sie, wie auch vier christliche Grundsätze, anhand von Beispielen aus seiner eigenen Arbeit als Seelsorger, als Trainer von Managern, aber auch aus Begegnungen mit Schülern, Studenten und anderen Seminargruppen.
Als erstes nannte er die Gerechtigkeit, zu der nach Platon auch die Gerechtigkeit sich selbst gehöre. „Wenn ich mir selbst gegenüber gerecht bin, kann ich auch anderen gegenüber Gerechtigkeit ausüben“, so der Pater. Sich selbst klein zu machen sei nicht gerecht. Auch soziale Gerechtigkeit gehört nach Auffassung des Benediktinermönchs unbedingt dazu: „Wer Gerechtigkeit sät, wird Frieden ernten“. Zur Gerechtigkeit gehöre auch die Ehrlichkeit, die in heutiger Zeit immer mehr infrage gestellt werde, und durch den Versuch, Falschmeldungen hoffähig zu machen, Vertrauen und Sicherheit kaputt mache.
Unter dem zweiten Punkt, der Tapferkeit, versteht Anselm Grün weniger die Tapferkeit des Soldaten, sondern wie die Philosophen die Tapferkeit für seine Überzeugung, für das Leben zu kämpfen. „Das Leben selbst in die Hand zu nehmen“benötige Tapferkeit. „Wer leben will, muss auch kämpfen, nicht nur Zuschauer sein“, sagte Grün.
Zum dritten Punkt, das „Rechte Maß“, nannte der Benediktinermönch ein Vielzahl von Deutungen. „Mäßigung ist die Mutter aller Tugenden“, zitierte er Benedikt, dazu gehöre die Nachhaltigkeit, Respekt vor der Schöpfung auch Maßhalten der eigenen Kräfte. Aber, um das erkennen zu können, müsse man auch einmal über die Grenze hinausgegangen sein.
Die Griechen kannten zweierlei Maß: zum einen Chronos, das Zeitmaß, „was uns auffrisst“, so Grün, andererseits Kairos, das für einen guten Rhythmus un das innere Zeitmaß stehe. Laut C.G. Jung könne effektiver arbeiten, wer im richtigen Zeitmaß arbeite, also auch verstehe Pausen einzulegen. Pater Anselm Grün nannte als Beispiel das Klosterleben, wo alles genau getaktet sei, auch seine wenige Stunden fürs Schreiben.
Aber nur dadruch habe er so effektiv arbeiten können, was die Vielzahl seiner Bücher belegt.
„Rituale sind ganz wichtig für einen guten Rhythmus“, ist der Mönch überzeugt, „Rituale öffnen eine Tür und schließen eine Tür“, was sehr wichtig für die Arbeit und das Privatleben sei. So habe die Arbeit nichts mehr im Kopf verloren, wenn man abends bei der Familie sei, „vor lauter hätte und könnte“käme man nicht zur Ruhe, die wiederum sehr wichtig sei, um die Kräfte für Familie und Arbeit bündeln zu können. Abends sei Dankbarkeit angesagt. Darüber, dass man sein Bestes gegeben habe und geben konnte. „Ich bin nicht dankbar, weil ich glücklich bin, sondern glücklich, weil ich dankbar bin“, zitierte Grün eine alte Weisheit.
Die Klugheit als letzte griechische Wertdefinition beinhalte die Fähigkeit, entscheiden zu können. „Es gibt keine absoluten Entscheidungen, aber kluge Entscheidungen“, so der Pater. Wobei: „Umwege erhöhen die Ortskenntnis“sei auch eine wichtige Erkenntnis, über Irrungen wüchse die Klugheit. Entscheidungen bräuchten auch Tapferkeit, denn sie machen angreifbar. Dem gegenüber stellte Anselm Grün die Gefahr, dass ein Nachtrauern über nicht getroffene Entscheidungen alle Energie entziehen würde.
Unter den christlichen Punkten Glaube, Hoffnung und Liebe fasst Pater Anslem Grün Aspekte zusammen, die kurz gefasst als Kraftquelle für das eigene Leben, für das eigene Tun dienten. Dazu gehöre auch Vertrauen. „Führungskräfte wollen auch Vertrauen erwecken, bei manchen kommt aber nur Misstrauen rüber“, so der Benediktinermönch, der jede Menge dieser Kräfte in Seminaren begleitet hatte und begleitet. „Das passiert dann, wenn sie sich selbst misstrauen“, erklärt er.
Mit diesem weitgespannten Bogen, gespickt mit Erfahrungen aus seiner eigenen Arbeit, zog Pater Anselm Grün sein Publikum geradezu in seinen Bann und folgten ihm bereitwillig zu einem 1600 Jahre alten Gebetsritual, welches das Gehörte noch einmal persönlich erlebbar machte.