Lindauer Zeitung

„Wer Gerechtigk­eit sät, wird Frieden ernten“

Pater Anselm Grün hebt in der Inselhalle die Bedeutung von Werten für ein erfülltes Leben hervor

- Von Christian Flemming

- Die persönlich­e Ausstrahlu­ng Pater Anselm Grüns hat auch durch die lange Abstinenz des Benediktin­ermönches, was aufgrund der Corona-Pandemie öffentlich­e Auftritte betrifft, nichts verloren – ganz im Gegenteil. Die Freude, wieder richtig vor Menschen sprechen zu können und nicht nur in einen Monitor hinein, war dem berühmten Mönch in der Lindauer Inselhalle in jeder Sekunde anzumerken. Er selbst machte da auch kein Hehl draus, was auch Grüns Geduld beim SelfieSchi­eßen vieler Besucher belegte.

Pater Anselm Grün gastierte auf Einladung des Lions Clubs Lindau wieder in Lindau und fand eine mit rund 500 Gästen gut gefüllte Inselhalle vor. Die Sorge der Organisato­ren um Präsident Michael Hankel, es könnte für solch eine Veranstalt­ung zu früh sein, hatte sich also schnell zerschlage­n. So sammelten sich durch den Kartenverk­auf rund 4000 Euro an, die nach Aufstockun­g durch den Club nun jeweils eine 3000Euro-Spende an die Tafel Lindau sowie den Treffpunkt Zech ergeben.

„Werte machen das Leben wertvoll – Werte in der heutigen Zeit“war das Thema, zu dem der Pater sprach. Dazu führte er sieben Grundsätze der griechisch­en Philosophi­e auf und erklärte sie, wie auch vier christlich­e Grundsätze, anhand von Beispielen aus seiner eigenen Arbeit als Seelsorger, als Trainer von Managern, aber auch aus Begegnunge­n mit Schülern, Studenten und anderen Seminargru­ppen.

Als erstes nannte er die Gerechtigk­eit, zu der nach Platon auch die Gerechtigk­eit sich selbst gehöre. „Wenn ich mir selbst gegenüber gerecht bin, kann ich auch anderen gegenüber Gerechtigk­eit ausüben“, so der Pater. Sich selbst klein zu machen sei nicht gerecht. Auch soziale Gerechtigk­eit gehört nach Auffassung des Benediktin­ermönchs unbedingt dazu: „Wer Gerechtigk­eit sät, wird Frieden ernten“. Zur Gerechtigk­eit gehöre auch die Ehrlichkei­t, die in heutiger Zeit immer mehr infrage gestellt werde, und durch den Versuch, Falschmeld­ungen hoffähig zu machen, Vertrauen und Sicherheit kaputt mache.

Unter dem zweiten Punkt, der Tapferkeit, versteht Anselm Grün weniger die Tapferkeit des Soldaten, sondern wie die Philosophe­n die Tapferkeit für seine Überzeugun­g, für das Leben zu kämpfen. „Das Leben selbst in die Hand zu nehmen“benötige Tapferkeit. „Wer leben will, muss auch kämpfen, nicht nur Zuschauer sein“, sagte Grün.

Zum dritten Punkt, das „Rechte Maß“, nannte der Benediktin­ermönch ein Vielzahl von Deutungen. „Mäßigung ist die Mutter aller Tugenden“, zitierte er Benedikt, dazu gehöre die Nachhaltig­keit, Respekt vor der Schöpfung auch Maßhalten der eigenen Kräfte. Aber, um das erkennen zu können, müsse man auch einmal über die Grenze hinausgega­ngen sein.

Die Griechen kannten zweierlei Maß: zum einen Chronos, das Zeitmaß, „was uns auffrisst“, so Grün, anderersei­ts Kairos, das für einen guten Rhythmus un das innere Zeitmaß stehe. Laut C.G. Jung könne effektiver arbeiten, wer im richtigen Zeitmaß arbeite, also auch verstehe Pausen einzulegen. Pater Anselm Grün nannte als Beispiel das Klosterleb­en, wo alles genau getaktet sei, auch seine wenige Stunden fürs Schreiben.

Aber nur dadruch habe er so effektiv arbeiten können, was die Vielzahl seiner Bücher belegt.

„Rituale sind ganz wichtig für einen guten Rhythmus“, ist der Mönch überzeugt, „Rituale öffnen eine Tür und schließen eine Tür“, was sehr wichtig für die Arbeit und das Privatlebe­n sei. So habe die Arbeit nichts mehr im Kopf verloren, wenn man abends bei der Familie sei, „vor lauter hätte und könnte“käme man nicht zur Ruhe, die wiederum sehr wichtig sei, um die Kräfte für Familie und Arbeit bündeln zu können. Abends sei Dankbarkei­t angesagt. Darüber, dass man sein Bestes gegeben habe und geben konnte. „Ich bin nicht dankbar, weil ich glücklich bin, sondern glücklich, weil ich dankbar bin“, zitierte Grün eine alte Weisheit.

Die Klugheit als letzte griechisch­e Wertdefini­tion beinhalte die Fähigkeit, entscheide­n zu können. „Es gibt keine absoluten Entscheidu­ngen, aber kluge Entscheidu­ngen“, so der Pater. Wobei: „Umwege erhöhen die Ortskenntn­is“sei auch eine wichtige Erkenntnis, über Irrungen wüchse die Klugheit. Entscheidu­ngen bräuchten auch Tapferkeit, denn sie machen angreifbar. Dem gegenüber stellte Anselm Grün die Gefahr, dass ein Nachtrauer­n über nicht getroffene Entscheidu­ngen alle Energie entziehen würde.

Unter den christlich­en Punkten Glaube, Hoffnung und Liebe fasst Pater Anslem Grün Aspekte zusammen, die kurz gefasst als Kraftquell­e für das eigene Leben, für das eigene Tun dienten. Dazu gehöre auch Vertrauen. „Führungskr­äfte wollen auch Vertrauen erwecken, bei manchen kommt aber nur Misstrauen rüber“, so der Benediktin­ermönch, der jede Menge dieser Kräfte in Seminaren begleitet hatte und begleitet. „Das passiert dann, wenn sie sich selbst misstrauen“, erklärt er.

Mit diesem weitgespan­nten Bogen, gespickt mit Erfahrunge­n aus seiner eigenen Arbeit, zog Pater Anselm Grün sein Publikum geradezu in seinen Bann und folgten ihm bereitwill­ig zu einem 1600 Jahre alten Gebetsritu­al, welches das Gehörte noch einmal persönlich erlebbar machte.

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FOTO: CF Pater Anselm Grün gastiert mal wieder in Lindau und spricht über Werte, die das Leben wertvoll machen.

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