Nach 30 Jahren wieder eine Frau
Emmanuel Macron ernennt Élisabeth Borne zur Regierungschefin – Die Ingenieurin gilt als Arbeitstier
- Dass eine Frau die neue französische Regierung leiten würde, war schon nach der Wiederwahl von Emmanuel Macron klar. Doch auf wen die Entscheidung des Präsidenten fallen würde, war in den vergangenen drei Wochen lang ein beliebtes Thema für Spekulationen. Am Montag ernannte der Staatschef seine frühere Arbeitsministerin Élisabeth Borne zur Premierministerin. „Die soziale Karte“hatte die Zeitung „Journal du Dimanche“die stets braun gebrannte 61-Jährige genannt, die nach Édith Cresson 1992 erst die zweite Frau an der Spitze der französischen Regierung ist.
Nach zwei Premierministern, die von den Konservativen kamen, wählte Macron diesmal eine frühere Sozialistin. Borne hatte unter dem sozialistischen Präsidenten François Hollande 2014 ein Jahr lang das Büro von dessen früherer Lebensgefährtin, der Umweltministerin Ségolène Royal, geleitet. Das ökologische Profil, das der Präsident angekündigt hatte, erfüllt die gelernte Ingenieurin also durchaus. Aus dem Umweltministerium wechselte Borne an die Spitze der Pariser Verkehrsbetriebe RATP, wo Macron sie 2017 abwarb. Die Frau mit dem Kurzhaarschnitt übernahm zunächst das Verkehrsministerium, wo sie die Reform der Staatsbahn SNCF durchsetzte. Danach wechselte die Absolventin der Elitehochschule Polytechnique an die Spitze des Arbeitsministeriums. Dort musste sie die von den Gewerkschaften viel kritisierte Reform der Arbeitslosenversicherung umsetzen.
Für das große Reformprojekt der kommenden Jahre, die Rentenreform, ist sie damit also bestens vorbereitet. Borne bezeichnet sich selbst als „Frau der Linken“, die für soziale Gerechtigkeit und Chancengleichheit kämpfe. Die neue Regierungschefin gilt als Arbeitstier, das seine Dossiers beherrscht. Bei der RATP wurde die kühl wirkende Technokratin allerdings für ihr mangelndes Einführungsvermögen kritisiert. Ihr Spitzname lautete dort „Borne out“– ein Wortspiel zwischen ihrem Namen und „Burn out“.
Dass nun mit Borne eine ehemalige Sozialistin kommt, ist auch als Zeichen an die Union der Linken zu verstehen, die sich nach den Präsidentschaftswahlen gebildet hatte. Sozialisten, Grüne und Kommunisten schlossen sich mit der Linksaußenpartei La France Insoumise (LFI) zusammen, um so ihre Chancen für die Parlamentswahlen im Juni zu erhöhen. Der Motor dieser Union, LFIChef Jean-Luc Mélenchon, will im Falle eines Sieges Premierminister werden. Auf Twitter kritisierte der 71-Jährige Borne bereits – vor allem für die von ihr vorgenommene Senkung des Arbeitslosengeldes. „Vorwärts mit einer neuen Saison der sozialen Misshandlung“, schrieb Mélenchon schon vor der offiziellen Ernennung.