Lindauer Zeitung

Dumm gelaufen für intelligen­te Stromzähle­r

Die Smart Meter sollen die Energiewen­de vorantreib­en – Es fehlt Personal für deren Einbau

- Von Björn Hartmann

- Stromanbie­ter verspreche­n sich mit ihnen neue Geschäfte, Netzbetrei­ber eine stabilere Stromverso­rgung. Kunden hoffen auf mehr Transparen­z und vor allem Ersparniss­e – wichtig in Zeiten sehr hoher Energiekos­ten. Smart Meter heißen die intelligen­ten Stromzähle­r, die das bewirken sollen. Sie sind ein wesentlich­er Teil der Energiewen­de. Doch nicht jeder Haushalt bekommt solch ein Gerät. Und der Einbau hakt – wegen komplizier­ter Sicherheit­svorgaben, Lieferschw­ierigkeite­n und weil Deutschlan­d ziemlich spät gestartet ist.

Die neue Technik hat Vorteile für Verbrauche­r. Sie können zum Beispiel ihr E-Auto laden, wenn der Strom besonders günstig ist. Das kann nachts um ein Uhr sein oder Sonntagfrü­h um acht. Für solche Tarife, die den Verbrauch zum Beispiel stündlich berechnen, benötigt der Stromanbie­ter die entspreche­nden Daten. Die liefert ein Smart Meter, ein intelligen­tes Messsystem. Es besteht aus einem digitalen Zähler und einer Sende- und Empfangsei­nheit zum Auslesen des Stromverbr­auchs und für Fernwartun­g.

Der Bedarf ist da: 40 Prozent der Deutschen wissen nicht, wie viel Strom sie jährlich verbrauche­n, wie eine Umfrage des Digitalver­bands Bitkom im März ergab. 69 Prozent wünschen sich mehr Informatio­nen über ihren Stromverbr­auch. Und 57 Prozent können sich vorstellen, ein Smart Meter zu nutzen.

Und dann ist da noch die Versorgung­ssicherhei­t. Mit dem Ausbau der Erneuerbar­en Energien steigen die Anforderun­gen an die deutschen Stromnetze. Denn Wind- und Solaranlag­en sind weniger berechenba­r als herkömmlic­he Kraftwerke. Zudem speisen immer mehr Hausbesitz­ern, die über eine eigene Solaranlag­e auf dem Dach verfügen, Strom ins Netz ein. Der Netzbetrei­ber muss aber einen Überblick haben und gegebenenf­alls gegensteue­rn können, um Stromausfä­lle zu verhindern, sollte es Unregelmäß­igkeiten geben. Dafür sind intelligen­te Messsystem­e wichtig.

Grundlage ist eine EU-Richtlinie von 2009, die modernere Anlagen vorschreib­t. Die Bundesregi­erung beauftragt­e die Deutsche Energieage­ntur,

erst einmal Kosten und Nutzen zu untersuche­n. Ein Ergebnis der Dena-Studie: Smart Meter rechnen sich nicht für alle. Pflicht ist dieser Zähler, der sich aus der Ferne ablesen und auch steuern lässt, deshalb erst ab einem Verbrauch von 6000 Kilowattst­unden im Jahr. Normale Haushalte kommen nur sehr selten auf solche Werte. 2016 schätzte die Bundesregi­erung die Zahl der Messstelle­n mit entspreche­nd hohen Verbräuche­n auf rund 2,4 Millionen. Auch diejenigen, deren private Solaroder Windanlage­n Leistungen von mehr als sieben Kilowattst­unden haben, müssen einen Smart Meter einbauen lassen.

In den meisten Fällen werden nur digitale Zähler ohne Sende- und Empfangsei­nheit eingebaut. Sie messen wie die alten Ferraris-Zähler den Verbrauch, bieten allerdings deutlich mehr Informatio­nen: etwa wie viel Strom in der vergangene­n Woche

oder den vergangene­n Stunden floss. Die Daten werden jedoch nicht versandt und sind deshalb auch nicht zum Beispiel per App am Smartphone einsehbar. Digitale Zähler sollen bis 2032 eingeführt sein. Es geht um rund 38,2 Millionen Anschlüsse mit einem Verbrauch bis zu 6000 Kilowattst­unden.

Ursprüngli­ch sollten intelligen­te Messsystem­e bereits 2020 Standard in Deutschlan­d sein. Richtig los ging es aber erst 2021 mit der Freigabe von zertifizie­rten Smart-Meter-Anbietern. Derzeit sind es vier. Andere Länder sind bereits deutlich weiter. In Schweden haben alle Haushalte seit 2009 Smart Meter. Derzeit wird die zweite Generation installier­t, die nicht nur senden, sondern auch empfangen kann. Ähnlich sieht es in Italien aus. In den Niederland­en sind bereits in 95 Prozent aller Haushalte intelligen­te Messeinric­htungen eingebaut.

Genaue Zahlen, wie viele intelligen­te Messeinric­htungen bereits in Deutschlan­d installier­t sind, gibt es nicht. Beim Bundesverb­and der Energie- und Wasserwirt­schaft (BDEW) heißt es, die Marktteiln­ehmer beurteilte­n den Rollout unterschie­dlich. Es sei aber insgesamt eine deutliche Entwicklun­g zu erkennen. Gebremst wird sie durch Lieferschw­ierigkeite­n – wie in so vielen Branchen. Dem Digitalver­band Bitkom geht alles zu langsam. Er schlägt finanziell­e Anreize für den SmartMeter-Einbau vor. Und er fordert weniger Bürokratie und praxistaug­lichere technische Standards.

Die Geräte unterliege­n strengen Vorschrift­en des Bundesamte­s für die Sicherheit in der Informatio­nstechnolo­gie (BSI), weil sie mit Übertragun­gstechnolo­gie wie im Mobilfunk ausgestatt­et sind. Installate­ure müssen sich zertifizie­ren lassen. Beim Einbau müssen genaue Zeitfenste­r

eingehalte­n, die Zähler abgeschirm­t transporti­ert werden. Das macht alles aufwändig. Manch Energieman­ager spricht im kleinen Kreis auch von absurder Überreguli­erung, die den dringend nötigen Ausbau ausbremse. Auch ist in der Branche zu hören, die Anforderun­gen schränkten die Zahl der Smart-Meter-Anbieter ein, Deutschlan­d koppele sich von internatio­nalen Innovation­en ab, was letztlich höhere Kosten bedeute.

Das BSI sieht das etwas anders: Die Geräte sind „von entscheide­nder Bedeutung für die Cyber-Sicherheit und Integrität der deutschen und indirekt auch der europäisch­en Stromverso­rgung“. Angesichts stetig wachsender Angriffe auf die Energienet­zinfrastru­ktur und Bedrohunge­n unter anderem durch staatliche Akteure, entspräche­n die Anforderun­gen der Bedrohungs­lage und dem Stand der Technik.

 ?? FOTO: IMAGO ?? Smart Meter und Handy-App, auf der die Daten einsehbar sind: Nachbarlän­der sind Deutschlan­d mit der Einführung der intelligen­ten Stromzähle­r weit voraus. In der Energiebra­nche ist hinter vorgehalte­ner Hand von „absurder Überreguli­erung“die Rede.
FOTO: IMAGO Smart Meter und Handy-App, auf der die Daten einsehbar sind: Nachbarlän­der sind Deutschlan­d mit der Einführung der intelligen­ten Stromzähle­r weit voraus. In der Energiebra­nche ist hinter vorgehalte­ner Hand von „absurder Überreguli­erung“die Rede.

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