Aussichten für die Wirtschaft in Europa trüben sich ein
Die EU-Kommission muss nicht nur ihre Vorhersage für das Wachstum nachbessern, sondern auch die Erwartungen an der Preisfront
(dpa) - Die EU-Kommission hat ihre Wachstumsprognose für die europäische Wirtschaft wegen des Krieges in der Ukraine drastisch nach unten korrigiert. Die Wirtschaft der EU sowie der Euro-Länder wird in diesem Jahr nur um 2,7 Prozent wachsen statt wie bisher erwartet um vier Prozent, wie aus der am Montag in Brüssel vorgelegten Frühjahrsprognose der Behörde hervorgeht. Für Deutschland wird nur noch ein Wachstum von 1,6 statt 3,6 Prozent erwartet. Gleichzeitig geht die Kommission davon aus, dass die Inflationsrate noch länger hoch bleiben dürfte. In den Euro-Ländern werde sich die Teuerungsrate in diesem Jahr auf 6,1 Prozent fast verdoppeln.
„Die Wachstumsprognose für die EU in diesem und nächsten Jahr wurden nach unten korrigiert unter dem schweren Einfluss der russischen Invasion in die Ukraine“, sagte Wirtschaftskommissar Paolo Gentiloni. Es handele sich um eine der deutlichsten
Korrekturen einer solchen Prognose. Das weiterhin positive Wachstum sei vor allem wegen eines Polsters durch die Erholung von der Corona-Pandemie letztes Jahr möglich.
Schon in ihrer Winterprognose im Februar, noch vor dem Einmarsch Russlands in der Ukraine, hatte die
Brüsseler Behörde ihre Vorhersagen unter anderem wegen der hohen Energiepreise und der Omikron-Welle der Corona-Pandemie anpassen müssen. Der Krieg in der Ukraine und vor allem die weiterhin hohen Preise für Energie und andere Rohstoffe übten weiter Druck aus, teilte die Kommission
mit. Dazu kämen kriegsbedingte Störungen der Lieferketten. Für kommendes Jahr geht die EUKommission von 2,3 Prozent Wachstum in der EU und im Euroraum aus.
Die mit zwei Prozentpunkten weniger Wachstum ebenfalls deutlich nach unten korrigierte Prognose für die deutsche Wirtschaft begründete Gentiloni vor allem mit den Auswirkungen des Krieges und coronabedingten Lockdowns in Industriezentren Chinas. Nach verhaltenem Wachstum Anfang des Jahres werde das deutsche Bruttoinlandsprodukt (BIP) im zweiten Quartal leicht schrumpfen, hieß es. Ab Juli werde die deutsche Wirtschaft wieder zulegen, sagte Gentiloni. Im nächsten Jahr wird Europas größte Volkswirtschaft der Prognose zufolge um 2,4 Prozent wachsen statt der bislang prognostizierten 2,6 Prozent.
Bei der Teuerung im Euroraum hat sich die Prognose für die Inflationsrate in den Euro-Ländern in diesem Jahr fast verdoppelt, von bisher vorhergesehenen 3,5 auf 6,1 Prozent im Jahresschnitt.
Das liege vor allem an den hohen Energiepreisen. Die Teuerungsrate soll im zweiten Quartal dieses Jahr einen Höhepunkt von 6,9 Prozent erreichen und dann langsam sinken – auf einen Jahresdurchschnitt von 2,7 für 2023 – also immer noch oberhalb der von der Europäischen Zentralbank (EZB) angestrebten zwei Prozent. In der gesamten EU geht die Kommission sogar von einer durchschnittlichen Teuerung von 6,8 Prozent dieses Jahr und 3,2 Prozent im nächsten Jahr aus.
Gentiloni warnte, dass die wirtschaftlichen Aussichten vor allem von der Dauer des Kriegs in der Ukraine abhingen. „Unsere Prognose ist mit sehr großer Unsicherheit und Risiken behaftet“, sagte er. Andere Szenarien seien denkbar, bei denen das Wachstum niedriger und die Inflation höher ausfallen könne. Besonders ein russischer Gas-Lieferstopp hätte demnach erhebliche Folgen. In dem Fall könnte das Wachstum dieses Jahr um ganze 2,5 Prozentpunkte niedriger ausfallen und im nächsten um einen.