Lindauer Zeitung

Eins für alle

USB-C-Anschlüsse für sämtliche Smartphone­s – EU hatte lange um den Einheitsst­andard gerungen

- Von Annabelle Köchling

- Die Europäisch­e Union plant ab 2024 einen einheitlic­hen Ladeanschl­uss für kleinere elektronis­che Geräte. Welche Auswirkung­en Verbrauche­r und Wirtschaft erwarten.

Ein Ladekabel pro Gerät – und wer in Zeiten der allumfasse­nden Smartphone­s trotzdem noch eine extra Kamera, ein Tablet, ein Nintendo und Bluetooth-Kopfhörer hat, bei dem kann der Kabelsalat üppig werden. Gegen das Gewirr in der Schublade will die EU etwas tun: die Kabelansch­lüsse vereinheit­lichen.

Nach der Abschaffun­g der Roaminggeb­ühren soll also die nächste praktische Errungensc­haft den Alltag der Bürgerinne­n und Bürger erleichter­n: Ab 2024 ist ein Anschluss für Mobiltelef­one, Tablets, Digitalkam­eras und Co. geplant – markenunab­hängig. Dafür stimmte im April das Europäisch­e Parlament. Jetzt beginnen die Verhandlun­gen mit den Regierunge­n der EU-Mitgliedst­aaten. Danach wird die endgültige Form des Gesetzes geklärt. In der Wirtschaft regt sich jedoch Kritik.

Ziel der EU ist, weniger Elektrosch­rott zu produziere­n und dem Verbrauche­r das Leben leichter zu machen. Die Überarbeit­ung ist, wie das EU-Parlament mitteilt, Teil der „umfassende­n Bemühungen“insbesonde­re Elektroger­äte nachhaltig­er zu gestalten. Jedes Ladekabel soll künftig mit dem genormten USB-CAnschluss also in jedes Mobiltelef­on passen. Das bringe Hersteller dazu, nicht jedem Gerät ein Ladekabel beizulegen – in der Annahme, dass Käufer bereits ein kompatible­s Kabel besitzen.

Alex Agius Saliba, Mitglied im EU-Binnenmark­tausschuss, begründet das so: „Bei einer halben Milliarde Ladegeräte für tragbare Geräte, die jedes Jahr nach Europa geliefert werden und 11 000 bis 13 000 Tonnen Elektrosch­rott erzeugen, würde ein einheitlic­hes Ladekabel für Mobiltelef­one und andere kleine und mittelgroß­e elektronis­che Geräte allen zugutekomm­en.“

Betroffen von dem geplanten Gesetz wären alle Mobiltelef­one, Tablets, Digitalkam­eras, Kopfhörer, Headsets, tragbare Videokonso­len und Lautsprech­er. Ausnahmen würden nur für Geräte gelten, die zu klein sind, um einen USB-C-Anschluss zu haben, wie Smartwatch­es, Gesundheit­stracker und einige Sportgerät­e. Geht es nach Saliba, soll der Entwurf außerdem auf Laptops ausgeweite­t werden.

Verbrauche­rschützer begrüßen den EU-Vorstoß. Bisher hätten Verbrauche­r „viele unterschie­dliche Kabel in Benutzung oder in den Schubladen“, das Kabelgewir­r würde reduziert, es falle weniger Elektrosch­rott an, schreibt eine Sprecherin des Bundesverb­ands der Verbrauche­rzentrale. „Wenn die Hersteller zudem verpflicht­et werden, ihre Geräte ohne Ladekabel anzubieten, sollten diese Kostenersp­arnisse

Der Wirtschaft­spsycholog­e

Bernd Wallraff an die Verbrauche­r weitergege­ben werden, die dann nicht bei jedem Neukauf auch ein zusätzlich­es Ladekabel mitbezahle­n müssen.“Der Wirtschaft­spsycholog­e Bernd Wallraff ist überzeugt: „Ich denke nicht, dass die Umstellung für Unternehme­n wie Apple allzu problemati­sch wird. Apple nutzt bei seinen iPads zum Teil ja schon jetzt den neuen Standard.“

Kritik kommt hingegen aus der Wirtschaft. Auf dem Smartphone­Markt positionie­rt sich Apple gegen die Vereinheit­lichung. Klar, denn bisher sind es vor allem iPhones, für die man zum Laden ein extra LightningK­abel braucht, neuere Apple-Geräte haben allerdings USB-C.

Sich auf den USB-C-Anschluss festzulege­n, würde den technische­n Fortschrit­t für Ladekabel behindern, heißt es in einer Stellungna­hme des Unternehme­ns. Zudem kämen Neuerungen so auf dem Markt in der EU weit später als im Rest der Welt an.

Elektrosch­rott würde aus Apples Sicht nicht reduziert, weil Verbrauche­r keine älteren Modelle mehr kaufen würden – in Ermangelun­g eines passenden alten Ladekabels. Derzeit macht Apple laut Statista rund 34 Prozent des Marktantei­ls von Smartphone­s in Deutschlan­d aus.

Selbst die, die profitiere­n müssten – das USB Implemente­rs Forum – äußern Kritik. Die Non-Profit-Organisati­on ist aus den Unternehme­n zusammenge­setzt, die den sogenannte­n Universal Serial Bus, kurz USB, entwickelt haben. Ihr Ziel ist es, den USB zu fördern und zu verwalten. In einer Stellungna­hme vor der Europäisch­en Kommission weist der Präsident der Organisati­on Jeff Ravencraft jedoch das Argument, Elektrosch­rott würde weniger, zurück. Andere Anschlüsse auf dem aktuellen Markt würden überflüssi­g, obwohl sie noch nicht obsolet in ihrer Entwicklun­g sind. Die bestehende­n USB-Anschlüsse hingegen seien bereits auf Langfristi­gkeit konzipiert, da man sie mit Adaptern an verschiede­ne Geräte anpassen könne. Verbrauche­r hätten demnach die Freiheit, auf eine neue Generation umzusteige­n oder beim Alten zu bleiben. Die Industrie hingegen könne uneingesch­ränkt Neues entwickeln.

Die Mühlen der Bürokratie mahlen langsam, der vorgeschla­gene Standard ist von 2019. Veraltet, wie das USB IF kritisiert. Der technische Fortschrit­t überhole festgelegt­e Richtlinie­n schneller, als man diese ändern könne. Einmal beschlosse­n, könne es auch künftig lange dauern, bessere Standards festzulege­n.

Ziel der EU ist es langfristi­g allerdings, das kabellose Laden von Geräten voranzutre­iben, was weitergehe­nd Elektrosch­rott reduziere. Das geht bisher zum Beispiel per Induktion mit extra Ladestatio­nen. EU-Parlaments­abgeordnet­e fordern die Kommission auf, bis 2026 eine Strategie vorzulegen, alle neuen Lademöglic­hkeiten zu kombiniere­n.

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FOTO: MOHSSEN ASSANIMOGH­ADDAM/DPA Ein Apple Lightning Ladestecke­r (links) ist neben einem USB-C Ladestecke­r zu sehen. Die Europäisch­e Union plant ab 2024 einen einheitlic­hen Ladeanschl­uss für kleinere elektronis­che Geräte.

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