Spannendes Klavierfinale
Der junge chinesische Pianist Xiaolu Zang belegt den ersten Platz beim ZF-Musikpreis 2022 in Friedrichshafen
- Zum zehnten Mal ist jetzt in Friedrichshafen der ZF-Musikpreis im Rahmen eines internationalen Klavierwettbewerbs der ZF-Kunststiftung vergeben worden. Von sechs Teilnehmern aus vier Ländern waren nach zwei Durchgängen in Langenargen und Lindau noch drei im Rennen geblieben. Xiaolu Zang aus China, Yeon-Min Park aus Südkorea und Till Hoffmann aus Deutschland machten es beim spannenden Abschlusskonzert im GrafZeppelin-Haus der Jury um den Organisator Peter Vogel nicht leicht. Nach langer Beratung ging der erste Preis an Zang, der zweite an seine nicht minder beeindruckende Kollegin Park. Den dritten Preis und den Publikumspreis erhielt Till Hoffmann.
Seit 23 Jahren arbeite man mit Peter Vogel als künstlerischem Leiter zusammen, um außergewöhnliche Musikprojekte in der Bodenseeregion zu etablieren, sagte Matthias Lenz vom Vorstand der ZF-Kunststiftung. Den Wettbewerb habe man zum ersten Mal 2001 ausgerichtet. Unter den seither preisgekrönten Teilnehmern finden sich mittlerweile international renommierte Stars wie Claire Huangci, Aaron Pilsan, Herbert Schuch, Alexej Gorlatch und Raúl da Costa.
Zum Jubiläum des Wettbewerbs hatte Vogel bereits vor zwei Jahren sechs Kandidaten eingeladen. Corona verhinderte jedoch zunächst die Durchführung. Erst jetzt konnten Aurelius Braun aus München, der Südkoreaner Youngha Park und die Ukrainerin Veronika Voloshyna neben den drei oben genannten Finalisten antreten, um sich der Jury zu stellen. Ihr gehörten diesmal neben Vogel die finnische Pianistin Ritva
Sjöstedt und die japanische Klavierprofessorin Yuka Imamine an. In einer ersten Runde waren Werke von Johann Sebastian Bach und Ludwig van Beethoven zu spielen. Wer weiterkam, konnte im zweiten Durchgang mit Klaviermusik der deutschen Romantik und einem zeitgenössischen Stück punkten.
Braun erhielt beim Auftaktkonzert den Publikumspreis, schied aber ebenso wie Voloshyna aus. Im Lindauer Forum am See begeisterte Yeon-Min Park das Publikum mit einer Etüde der in Berlin lebenden südkoreanischen Komponistin Unsuk Chin und Franz Liszts anspruchsvoller Sonate h-Moll, während ihr Landsmann Yougho Park auf der Strecke blieb. Die Auftrittsfolge der drei verbliebenen Preisanwärter beim Abschlusskonzert wurde im Losverfahren bestimmt. Zu interpretieren waren hier zwei Konzertetüden
und ein repräsentatives Werk des 19. Oder 20. Jahrhunderts.
Den Anfang machte Zang (Jahrgang 1999). Leos Janáceks Sonate mit dem Titel „1.X.1905“ist als Reaktion auf den Tod eines tschechischen Arbeiters bei einer Demonstration in Brünn entstanden. Zang arbeitete thematische Verläufe auch in Nebenstimmen plastisch heraus und beeindruckte mit einer dramatischen Wiedergabe des technisch fordernden Stücks. Frédéric Chopins Etüde op. 10/10 litt etwas unter übermäßigem Pedalgebrauch, was freilich dem besonders im hohen Register sehr hart intonierten Steinway und der halligen Raumakustik geschuldet war. Mit diesem Problem hatten auch die anderen Interpreten des Abends zu kämpfen.
Bei Sergej Rachmaninows Etüde op. 39/9 ging Zang attackierend auf‘s Ganze. Geradezu spektakulär gelang ihm anschließend Maurice Ravels berüchtigte Klavierfassung von „La Valse“, ein pianistischer Hexenritt auf dem Vulkan. Walzerfetzen lösten sich aus unstetem Raunen und entwickelten über unheilvollem Brodeln der Bässe einen Sog, der unwiderstehlich in die Drehbewegung des Tanzes hineinzog. Zang steigerte den Taumel bis zum Delirium und ließ auf dessen Höhepunkt knallharte Fortissimo-Akzente explodieren, als schlügen dicht neben einem Tanzsaal Granaten ein. Schockierender kann man an den Tasten nicht darstellen, wie eine Welt aus den Fugen gerät.
Yeon-Min Park (Jahrgang 1990) erwies sich als konzerterprobte Künstlerin. Nach souverän dargebotenen Etüden von Chopin und Claude Debussy bewältigte sie Rachmaninows horrend schwierige zweite Klaviersonate mit Bravour. Zauberhaft
verträumt geriet der Lento-Teil, fulminant der Schluss – eine rundum reife Leistung. Auch sie hätte einen ersten Preis durchaus verdient.
Dasselbe ließe sich von Till Hoffmanns packenden Beiträgen sagen. Dynamisch fein tönte der 1996 in Freiburg geborene Klangpoet seine Rachmaninow-Etüde ab, um dann bei Chopin und bei György Ligetis „Zauberlehrling“-Etüde furios zur Sache zu gehen. Tiefes Verständnis für kompositorische Struktur, delikat modellierte Stimmverläufe und subtile Anschlagsnuancen zeichneten sein Spiel bei den Variationen über ein Schumann-Thema von Johannes Brahms aus. Besonders im Bereich intimer Seelenregungen zeigte Hoffmann überragende gestalterische Fähigkeiten. Nach der Verleihung der Preise bedankte sich Xiaolu Zang mit der betörend zelebrierten „Aria“von Friedrich Gulda.