Drogenkurierfahrt nach Ungarn endet in Kißlegg
Ehemaliger Fußballprofi aus Rumänien wird an der A 96 erwischt, muss ins Gefängnis
- Mit über einem halben Kilogramm Kokain im Kofferraum des gemieteten BMW mit ungarischem Kennzeichen war am 16. November vergangenen Jahres ein knapp 40 Jahre alter rumänischer Staatsangehöriger an der A96-Anschlussstelle Kisslegg der Polizei ins Netz gegangen. Mit ihm Gepäck hatte er eine hohe Summe Bargeld und drei Handys. Vor der 1. Strafkammer des Landgerichts Ravensburg räumte der Angeklagte die Tat letztlich ein. Das Urteil: Drei Jahre und fünf Monate Freiheitsstrafe.
Seine Auftraggeber und Abnehmer wollte der Angeklagte vor der Kammer nicht nennen. Seine Erklärung zunächst: Er habe die Drogen bei einer Pizzeria in Friedrichshafen von einem ihm unbekannten Auftraggeber in Empfang genommen, um sie bei einem Fußballstadion in Augsburg einem ebenfalls Unbekannten zu übergeben. Für die Fahrten habe er insgesamt 2500 Euro erhalten.
Die Darstellung des Staatsanwalts war eine andere: Der Beschuldigte habe die Drogen aus der Schweiz eingeführt und sei mit dem Ziel Budapest unterwegs gewesen, ehe ihn schon an der Anschlussstelle Kisslegg der A96 die Polizei stoppte.
Nach sechs Stunden war die Verhandlung immer noch nicht zu Ende, stöhnte Vorsitzender Veit Böhm mehrfach über die „Räuberpistole“, die ihm, seinem Richterkollegen, Schöffen und dem Staatsanwalt aufgetischt worden sei. Ob das Ziel des Beschuldigten Augsburg oder Budapest war, konnte mit Hilfe des Navigationsgeräts im Auto nicht aufgeklärt werden. Es war nicht beansprucht worden. Der Angeklagte will auch so gewusst haben, wohin er steuern musste.
Doch zunächst zur Person des Beschuldigten: Der Enddreißiger galt in Rumänien als großes Fußballtalent. Nach der 8. Klasse wechselte er auf ein Sportgymnasium, machte das Abitur und spielte mit 16 Jahren in der rumänischen Jugend-Fußballnationalmannschaft
sowie später in der ersten und zweiten Liga seines Heimatlandes. Eine Knieverletzung bremste seine Fußballkarriere aus.
„Für eine bessere Zukunft“, so seine Einlassung, sei er 2011 nach Deutschland gekommen. Er baute als Subunternehmer einen Paketdienst und einen Kfz-Betrieb auf. Sein Einkommen habe sich aber in Grenzen gehalten, weshalb er 2015 den Paketdienst einstellte, so die Schilderung des Mannes. Anschließend habe er in der Schweiz sein Glück versucht, zog nach Kreuzlingen und meldete ein Gewerbe für Autoaufbereitung und erneut einen Paketdienst an.
Weil ihm die Schweiz zu teuer wurde, kam er zurück nach Deutschland und wollte nach Duisburg, um sich dort mit einem selbstständigen Autohandel gemeinsam mit einem rumänischen Freund zu versuchen, erklärte er weiter. Doch stattdessen wurde er wegen seiner Drogenkurierfahrt in Wangen verhaftet. Bedienen muss er noch einen Kredit über 30 000 Euro, den er für eine gemietete Halle für den Autohandel aufgenommen hatte.
Auch privat ist es für den jetzt Verurteilten nicht gut gelaufen. Mit 18 Jahren hatte er geheiratet. Nach wenigen Jahren stand die Scheidung an. Für die Tochter zahlte er nach seinen Worten bisher in Absprache mit seiner Ex-Frau monatlich 100 Euro. Inzwischen hat er zwei Kinder. Mehrere folgende Beziehungen gingen in die Brüche. Erstmals, berichtete der Mann der Kammer, sei er nach seiner Scheidung mit Drogen in Berührung gekommen. Drei bis vier Gramm habe er an drei bis vier Tagen der Woche konsumiert. Zuerst Kokain, danach Cannabis. Um seinen Drogenkonsum zu finanzieren, unternahm er nach eigenem Bekunden zehn Drogenkurierfahrten pro Monat. Zeitweise habe er dafür 1000 Euro pro Monat ausgegeben.
Die Rede im Gericht war auch davon, dass der Angeklagte mit erhaltenen Corona-Hilfen seinen Konsum finanziert habe. An drei bis vier Tagen
die Woche habe er jeweils eine Flasche Wodka getrunken, berichtete die Sachverständige, die bei ihrer Exploration mit ihm auf widersprüchliche Aussagen verwies. Wodka fand die Polizei auch bei seiner Festnahme im Kofferraum des BMW. Wer der oder die Auftraggeber für seine Drogenkurierfahrt waren, bei der er verhaftet wurde, wollte der der Angeklagte der Strafkammer nicht sagen. Allerdings habe er gewusst, dass es Kokain war, das er da mit sich führte. Nicht sehr glaubhaft waren seine Einlassungen zum gemieteten Auto mit ungarischem Kennzeichen. Angeblich habe er es angemietet, weil sich sein eigener Pkw in der Werkstatt in der Schweiz befand.
Ärgerlich für das Gericht: Der Mietvertrag war nicht (mehr) auffindbar. Ein Polizeibeamter im Zeugenstand glaubte aber, einen solchen gesehen zu haben. Allerdings sei darauf eine andere Person und ein anderer Zeitraum als Mieter eingetragen gewesen als der Angeklagte. Während die beiden Verteidiger für ihren Mandanten bei einer Verurteilung lediglich auf zwei Jahre und neun Monaten plädierten, forderte der Vertreter der Anklage bei einem Geständnis eine Freiheitsstrafe von drei Jahren und drei bis vier Monate. Das Gericht machte einen Verständigungsvorschlag und stellte einen Strafrahmen zwischen drei Jahren und vier bis acht Monaten Freiheitsstrafe in Aussicht, sofern sich der seit November in Untersuchungshaft befindliche Angeklagte geständig zeige.
Das tat der schließlich. Das Urteil nach mehr als sechs Stunden des Verhandelns: Wegen der Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit dem Handel treiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge erkannte die Kammer auf eine Freiheitsstrafe von drei Jahren und fünf Monaten. Dem noch nicht rechtskräftigen Urteil lag die Verfahrensverständigung zugrunde.
Ziel der Drogenfahrt war nach Überzeugung des Gerichts übrigens nicht Augsburg, sondern Budapest.