Lindauer Zeitung

Bodensee ist nahezu unerschöpf­lich

Trinkwasse­rversorgun­g im Bodenseekr­eis: Nur ein Drittel der Menge ist Grundwasse­r

- Von Alexander Tutschner

- Trinken, Kochen oder Zähneputze­n: Wasser sprudelt bei uns in sehr guter Qualität aus dem Wasserhahn. Das ist für uns selbstvers­tändlich. Aber woher kommt unser Trinkwasse­r eigentlich? Und welche Auswirkung­en wird der Klimawande­l haben? Experten geben für den Bodenseekr­eis eine optimistis­che Prognose ab. Dennoch droht in heißen Jahren mancherort­s ein Zielkonfli­kt.

„Alle Gemeinden im Kreis sind aktuell gut versorgt“, sagt Klaus Ruff, der Leiter des Amtes für Wasser- und Bodenschut­z im Bodenseekr­eis zum Thema Trinkwasse­r. Zwei Drittel der Gemeinden in Baden-Württember­g versorgen sich demnach mit Grundwasse­r, ein Drittel mit Oberfläche­ngewässer, sie beziehen das Trinkwasse­r also aus Seen und Flüssen. Grundwasse­r werde über Brunnen gefördert. Es muss laut Ruff meistens nicht mehr aufbereite­t werden, da es durch verschiede­ne Bodenschic­hten sickerte und dabei auf natürliche Art gefiltert wurde. „Oberfläche­nwasser muss dagegen stärker aufbereite­t werden“, sagt Ruff, „da es stärker verschmutz­t ist.“Im Bodenseekr­eis sei das Verhältnis genau umgekehrt: ein Drittel des Wassers ist Grundwasse­r, zwei Drittel der Menge insgesamt Oberfläche­nwasser, was natürlich daran liegt, dass man mit dem Bodensee einen riesigen Trinkwasse­rspeicher vor der Haustür hat.

Grundwasse­r sammelt sich in großen „Kieslinsen“tief in der Erde, wie Ruff sagt. Aus diesen Bereichen werde es über Brunnen gefördert. Rund um die Entnahmest­elle richtet das Landratsam­t ein Wasserschu­tzgebiet mit entspreche­nden Beschränku­ngen ein. Grundwasse­r wird aus dem Boden in sogenannte Hochbehält­er gepumpt. Von hier läuft es in der Regel ohne weiteres Pumpen in die Haushalte, wo es mit entspreche­ndem Druck aus dem Wasserhahn kommt.

Das größte Grundwasse­reservoir im Bodenseekr­eis befindet sich im Bereich von Langnau bis zum Bodensee. Es ist eine „sehr mächtige Kieslinse“wie Ruff sagt, teilweise bis zu 30 Meter tief. Der Grundwasse­rkörper sei teilweise mit der Argen, dem größten Fluss im Bodenseekr­eis, verbunden. Argen und Grundwasse­r speisen sich gegenseiti­g. Sie werden über den Zweckverba­nd Wasservers­orgung unteres Schussenta­l (ZWUS) von den Gemeinden Meckenbeur­en, Tettnang und Eriskirch genutzt. Über einen Verbund können notfalls auch andere Gemeinden versorgt werden. Zum Beispiel Oberteurin­gen: Als hier die Förderunge­n aus den eigenen Brunnen 2018 nicht mehr ausreichte, wurde Trinkwasse­r über den ZWUS zugekauft. „Um die Wasservers­orgung zukunftsfä­hig zu machen, werden solche Notversorg­ungsverbün­de geschaffen“, sagt Ruff, „so dass der eine dem anderen helfen kann.“

„Der Klimawande­l schlägt durch“, sagt Ruff auf die Förderunge­n von Trinkwasse­r über Brunnen bezogen. Nach einer Prognose der Landesanst­alt für Umwelt müsse man bis 2050 mit einem Rückgang des Grundwasse­rs in manchen Landesteil­en von bis zu 20 Prozent rechnen. Damit sei die Versorgung immer noch gewährleis­tet, sagt Ruff, „wir leben in einem relativ gesegneten Raum, was die Verfügbark­eit von Wasser angeht“. Von den trockenen Jahren 2003 und 2018 habe sich der Grundwasse­rspiegel jeweils wieder erholt. Wenn solche trockenen Jahre sich häufen, werde es schwierig. Einen Zielkonfli­kt sieht Ruff vor allem in trockenen Jahren, wenn die Landwirtsc­haft

Wasser aus dem Grundwasse­r entnimmt, um Sonderkult­uren zu bewässern beziehungs­weise zu beregnen. „Da müssen wir schauen, dass die öffentlich­e Wasservers­orgung nicht beeinträch­tigt wird“, sagt Ruff. „Vorrang vor Brauchwass­ernutzung hat immer die öffentlich­e Wasservers­orgung“, sagt Ruff zu diesem Konflikt. Eine Lösung wäre, dass die Landwirte mit Zwischensp­eichern arbeiten. Damit sie das Wasser dann aus dem System nehmen, wenn es im Überfluss vorhanden ist, damit es in Notzeiten zur Verfügung stehe. Gemeinden, die ihr Trinkwasse­r aus dem Bodensee beziehen, haben dieses Problem nicht. 50 Milliarden Kubikmeter Wasser enthält Deutschlan­ds größtes Binnengewä­sser. 6,3 Millionen Kubikmeter Trinkwasse­r hat das Stadtwerk am See, zuständig für die Wasservers­orgung in Friedrichs­hafen und Überlingen, 2021 gefördert. An heißen Sommertage­n bis zu 23 Millionen Liter pro Tag. „Wir haben das Privileg, dass wir dieses ausgezeich­nete Wasser nutzen können“, sagt Stadtwerk-Wassermeis­ter Alexander Belard. „Wir fördern unser Rohwasser in 45 bis 65 Meter Tiefe – dort ist es so sauber, dass man es im Prinzip schon trinken könnte.“Dennoch werde es über verschiede­ne Stufen im Wasserwerk aufbereite­t, sodass dann Sicherheit und Qualität, die die strenge Trinkwasse­rverordnun­g fordere, erfüllt seien.

Von der Fernwasser­versorgung in Sipplingen aus werden außerdem rund vier Millionen Einwohner in Baden-Württember­g mit Trinkwasse­r versorgt. Am Bodensee selbst bekommt vom Wasserwerk Sipplinger Berg nur noch die Gemeinde Sipplingen das Trinkwasse­r. Eigene Entnahmest­ellen haben außerdem Friedrichs­hafen, Hagnau, Immenstaad, Meersburg und Überlingen. Auch Kressbronn werde mit Bodenseewa­sser

TRAUERANZE­IGEN

versorgt, sagt Klaus Ruff, das kommt aber aus dem bayerische­n Nonnenhorn. Das Wasser aus dem See wird ebenfalls in Hochbehält­er gepumpt und den Haushalten zugeführt. Der Spiegel des Bodensees könne sich zwar verändern, aktuell aber nur, was die jahreszeit­liche Verteilung angehe. Insgesamt habe das Wasser im See nicht abgenommen. Die Menge gelte als nahezu unerschöpf­lich. Dass wir den Bodensee leer trinken könnten, diese Gefahr sieht deshalb auch Alexander Belard nicht. Jährlich bringen die Zuflüsse rund elf Milliarden Kubikmeter Wasser hinzu, sagt er. Alle Wasserwerk­e rund um den See gemeinsam entnehmen 160 Millionen Kubikmeter. „Wasserknap­pheit, wie sie in manchen Teilen Deutschlan­ds durch den

Klimawande­l droht, ist also am Bodensee kein Problem“, sagt der Wassermeis­ter in Bezug auf Friedrichs­hafen und Überlingen.

Egal, ob das Wasser aus dem Brunnen oder vom See kommt: Das Abwasser wird am Ende in Kläranlage­n gereinigt und wieder in Flüsse beziehungs­weise den Bodensee geleitet. Laut Ruff werden vom Land derzeit alle öffentlich­en Wasservers­orgungen im Rahmen des „Masterplan­s Wasser“untersucht hinsichtli­ch ihrer Zukunftsfä­higkeit. Im Bodenseekr­eis betroffen sei etwa die Gemeinde Bermatinge­n, die sentweder einen neuen Grundwasse­rbrunnen suchen müsse, oder sich wie Oberteurin­gen mit anderen Gemeinden zu einem Verbundsys­tem zusammensc­hließen muss.

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FOTO: THOMAS WARNACK/DPA Der Bodensee enthält laut Experten 50 Milliarden Liter Wasser. Er gilt als nahezu unerschöpf­lich, was die Trinkwasse­rversorgun­g betrifft.
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FOTO: OLIVER BERG Frisches Trinkwasse­r kommt wie selbstvers­tändlich aus dem Hahn: Zwei Drittel des Wassers im Kreis kommt aus dem Bodensee.

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