Hohe Erwartungen in Dakar
Kanzler-Besuch im Senegal, im Niger und in Südafrika – Ukraine-Krieg wirft Schatten
- Fast sieben Stunden Flug sind es von Berlin bis an die westlichste Spitze Afrikas. In der Zeit könnte man es also gleich mehrfach von Deutschland nach beispielsweise Kiew schaffen. Doch nicht die ukrainische, sondern die senegalesische Hauptstadt ist das Ziel von Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) – und zugleich die erste Station einer am Sonntag begonnenen Tour, die ihn binnen drei Tagen in drei Länder des Kontinents führt. Olaf Scholz (SPD) bringt so einige Tausend Kilometer Abstand zwischen sich und die aktuelle Krise in Europa. Die Reise hat der Kanzler nach Angaben aus der Bundesregierung aber nicht trotz, sondern geradezu wegen des Kriegs in der Ukraine angetreten. Denn längst haben der russische Angriff und seine Folgen auch Afrika erreicht – und um die will Scholz sich vor Ort kümmern: Respekt des Völkerrechts, Kampf gegen Hunger, neue Energiequellen und Gegenhalten bei russischer Propaganda lauten die Stichwörter.
„Die internationale Ordnung sortiert sich gerade neu“, hieß es im Vorfeld aus der Bundesregierung. Im Präsidentenpalast in Dakar betont Scholz, er sei „sehr bewusst“als Erstes genau hierher gereist: „Deutschland zählt auf Senegal.“Das Land gilt als eine Art afrikanischer Musterstaat mit gefestigter Demokratie, Meinungsfreiheit und religiöser Toleranz. Auch weil Russland insbesondere in der Sahel-Region derzeit viel dafür tut, neue Unordnung zu schaffen, ist Unterstützung genau solcher Länder für ihn und die Bundesregierung wichtig.
Und als genau solche Unterstützung zählt ein Besuch des deutschen Kanzlers; das ist in Dakar nicht anders als in Kiew. In Dakar nach seinen Reiseplänen für die Ukraine gefragt, antwortet Scholz übrigens, seine Gespräche mit der Regierung dort würden „auf geeignete Weise fortgesetzt“.
Wie konkret die deutsche Hilfe im Senegal werden soll, blieb zunächst offen. „Es wäre nicht respektvoll wie ein Weihnachtsmann mit Geschenken im Gepäck zu kommen“, hieß es schon im Vorfeld. Aber die Hoffnungen sind groß. So wünscht sich Präsident Macky Sall beispielsweise die
Finanzierung eines Gasförderprojekts. Deutschland und Europa allerdings wollen weg von den fossilen Brennstoffen – und sie eigentlich auch nicht anderswo fördern. Sall wiederum warnt vor „Dogmatismus“und „Fanatismus“und davor, dem Land Entwicklungschancen vorzuenthalten: Die Hälfte der Bevölkerung ist unter 18 Jahre alt und die jungen Menschen wollen Arbeit – und Strom.
Scholz zeigt sich offen: Die Zusammenarbeit werde sich nicht auf erneuerbare Energien beschränken, sagt er zu, auch in Hinblick auf Flüssiggas und Gasförderung „werden wir die Gespräche sehr intensiv auf Sachebene fortsetzen“. Gemeinsam besuchten Sall und Scholz nach ihrem Gespräch dann aber weder das vor dem Palast ankernde LNG-Schiff noch ein Gasfeld – sondern eine Photovoltaikanlage. Scholz besucht den
Nachbarkontinent relativ früh. Seine Vorgängerin Angela Merkel (CDU) war erst knapp zwei Jahre nach ihrem Amtsantritt zu ihrer ersten längeren Afrikareise aufgebrochen. Bisher hat der Kanzler außerhalb Europas nur engste Verbündete besucht: die USA, Israel und Japan.
Bei Hilfsorganisationen sind die Erwartungen hoch. World Vision beklagt, dass Merkel ab 2015 den Fokus zu stark auf „Migrationsabwehr“gelegt habe. „Das muss aufhören“, fordert Ekkehard Forberg, der bei der Organisation für humanitäre Krisen zuständig ist. „Von Kanzler Scholz erwarten wir eine Politik der Augenhöhe.“Deutschland sollte dem Kontinent keine „paternalistischen Lösungen“aufzwingen, sondern die Länder selbst Konzepte entwickeln lassen und die dann unterstützen.
„Statt so viel in die Partnerschaft mit der Wirtschaft zu investieren, sollte mehr in die staatlichen Systeme für Gesundheit, Bildung und soziale Sicherung gesteckt werden“, sagt Tobias Hauschild von Oxfam. „Außerdem sollte mehr Geld für die einkommensschwächsten Länder zur Verfügung gestellt werden und Geschlechtergerechtigkeit stärker gefördert werden.“
Scholz wird auf seiner Reise auch ansprechen, warum viele afrikanische Länder bisher auf eine klare Verurteilung des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine verzichtet haben. Bei der Abstimmung in der UN-Vollversammlung über die Verurteilung des russischen Angriffskriegs stimmten 141 der 193 UNMitgliedstaaten dafür, fünf dagegen, darunter das afrikanische Eritrea. Unter den 35 Enthaltungen waren neben China, Indien und Brasilien auch 17 afrikanische Staaten, darunter Südafrika und der Senegal.