„Eine ziemlich dumme Strategie“
Linken-Politikerin Sahra Wagenknecht über den Umgang mit dem Ukraine-Krieg
- Die Linke erlebt schwere Zeiten. Fast wäre sie aus dem Bundestag geflogen und die Umfragewerte sind tief im Keller. Das liegt auch daran, dass die Friedenspartei in diesen Kriegszeiten uneinheitlich auftritt. Eine der wichtigsten Stimmen ist nach wie vor die von Sahra Wagenknecht. Die Bundestagsabgeordnete ohne Parteifunktion über Waffenlieferungen an die Ukraine und Sanktionen gegen Russland.
Jewgeni Jewtuschenko fragt in einem Gedicht: Meinst Du, die Russen wollen Krieg? Muss diese Frage heute anders als mit Nein beantwortet werden?
Ich glaube, dass auch heute die meisten Menschen keinen Krieg wollen. Ob es nun Deutsche, Ukrainer oder Russen sind. Trotzdem gibt es immer wieder Politiker, die auf Gewalt setzen, um geostrategische Ziele zu erreichen. So wie jetzt Russland in der Ukraine. Ich verurteile diesen Krieg. Aber ich bin der Meinung, dass er durch eine klügere Politik im Vorfeld verhinderbar gewesen wäre.
Sie meinen die Nato?
Ja. Und vor allem die USA.
Die USA hätten den Krieg verhindern können?
Trotz des Vetos von Frankreich und Deutschland gegen die baldige Aufnahme der Ukraine haben die USA die Integration der Ukraine in die militärischen Strukturen der Nato systematisch vorangetrieben. 2000
US-Soldaten waren vor dem Krieg in der Ukraine stationiert, 2021 fanden Nato-Manöver auf ukrainischem Territorium statt. Der Kreml hat immer wieder signalisiert, dass Russland das als Provokation empfindet.
Die Ukraine ist ein souveränes Land.
Es geht nicht darum, ob Russland das Recht dazu hatte, sondern womit
Sahra Wagenknecht war von 1991 bis 1995 und 2000 bis 2007 Mitglied des Parteivorstandes der PDS beziehungsweise der Linkspartei. Von 2007 bis 2014 war sie Mitglied im Vorstand der Partei Die Linke, von 2004 bis 2009 Mitglied des Europaparlaments. Seit 2009 ist Wagenknecht Mitglied des Bundestages. Von 2015 bis 2019 leitete sie zusammen mit Dietmar Bartsch die Fraktion. man rechnen muss, wenn eine Großmacht ihre Sicherheitsinteressen verletzt sieht. Was glauben Sie, was passiert, wenn Russland einen Militärstützpunkt in Venezuela oder Nicaragua einrichten wollte.
Putin hat aber zunächst seinen Krieg nicht so sehr mit der Nato begründet, sondern mit großrussischen Ansprüchen und der Leugnung des Existenzrechtes der Ukraine.
Der Konflikt um die Nato-Osterweiterung schwelte doch schon lange. Der jetzige CIA Chef, Wiliam J. Burns, der auch mal Botschafter in Moskau war, hat noch 2019 von einer „völlig unnötigen Provokation“gesprochen. Bei der Einordnung der nationalistischen Rede Putins sollten wir bedenken: Wenn Politiker ihr Volk auf Krieg einschwören, sagen sie selten, worum es wirklich geht.
Sie haben den russischen Angriffskrieg verurteilt, sind aber gegen Waffenlieferungen.
Je mehr Waffen wir liefern, desto brutalere Waffen wird auch Putin einsetzen und desto mehr Menschen werden sterben. Es kann niemand glauben, dass Russland sich irgendwann einfach geschlagen gibt, ohne vorher alle seine militärischen Optionen ausgereizt zu haben. Dazu gehört am Ende auch die nukleare.
Sind die Wirtschaftssanktionen richtig?
Schaden wir dadurch Putin oder in erster Linie uns selbst? Ich denke letzteres. Der durch die Sanktionsdebatte
in die Höhe geschossene Ölpreis füllt Putins Kassen und da sich der größte Teil der Welt nicht an den Sanktionen beteiligt, kann Russland seine Rohstoffe auch woanders verkaufen. Aber für uns bedeutet das: Wir tauschen billiges russisches Gas gegen teures Flüssiggas aus den USA und dem Nahen Osten. Eine ziemlich dumme Strategie, mit der wir die Inflation hochtreiben und die Abwanderung ganzer Industriebranchen riskieren.
Was hilft dann?
Wir brauchen Diplomatie. Verhandlungen. Die Bereitschaft zu Kompromissen.
Und die Ukraine muss kapitulieren?
Das wäre wohl kaum ein Kompromiss. Es geht darum, den Gesprächsfaden wieder aufzunehmen.
Was ist mit der Souveränität der Ukraine? Die Atommacht droht – und das schwächere Land muss Zugeständnisse machen?
Ich hätte auch lieber eine Welt, in der es gerecht und friedlich zugeht. Das ist aber nicht die Realität. Im Irak, in Afghanistan, in Libyen und anderswo haben die USA ihre Interessen mit militärischen Mitteln durchgesetzt. So wie jetzt Russland in der Ukraine. Die Frage ist: Rechtfertigt das Ziel einer Nato-Mitgliedschaft, dass man den Krieg auf unabsehbare Zeit verlängert und Hunderttausende weitere Tote in Kauf nimmt? Meines Erachtens wäre das unverantwortlich.