Superspeicher soll endlich speichern
Gazprom-Töchter befüllen zweitgrößte Anlage Europas nicht mehr mit Gas – Das soll nun per Zwang geschehen
- Der zweitgrößte Erdgasspeicher Europas befindet sich 30 Kilometer nordöstlich von Salzburg in dem kleinen Ortsteil Haidach auf österreichischem Territorium. Das heißt, er liegt in 1600 Metern Tiefe unter dem Gemeindegebiet und kann mit seiner gigantischen Ausdehnung von 3,5 mal fünf Kilometern 2,64 Milliarden Kubikmeter Erdgas fassen. Der Gasspeicher Haidach ist ein ausgebeutetes Gasfeld und ein Unikum, weil er nur an das deutsche Gasnetz angebunden ist. Die österreichischen Bundesländer Tirol und Vorarlberg werden daraus über Deutschland teilweise mitversorgt.
Besser gesagt: Sie wurden es. Denn seit Längerem tut sich nichts am Füllstand des Riesenspeichers, der zur Zeit bei knapp 30 Prozent stagniert. Der Grund: Die Vermarktung und Befüllung liegen zu 55 Prozent in der Hand der Tochterfirmen des russischen Energieriesen Gazprom, Wingas und Gazprom Germania. Seit der russisch-ukrainische Konflikt ins Rollen kam, tut sich dort nichts mehr: Es gibt weder Zuströme noch Abflüsse.
Ein Umstand, der für Nervosität bei den Regierungen in Wien, Berlin und München sorgt. Österreichs Bundesregierung machte jetzt Nägel mit Köpfen. Das Kabinett von Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP) will im Eilverfahren eine Novelle des Gaswirtschaftsgesetzes vom Parlament verabschieden lassen, das die untätigen Eigentümer des Gasspeichers Haidach praktisch enteignet, sofern sie weiter die Hände in den Schoß legen. Nach dem Prinzip „use it or lose it“(Mach' davon Gebrauch
ANZEIGE oder lass' die Finger davon) sollen die Unternehmen den Zugriff auf den Speicher verlieren, die untätig bleiben.
Österreichs Energieministerin Leonore Gewessler (Grüne) redete Klartext: „Wenn sich die Gazprom weiterhin weigert, den Speicher in Haidach zu befüllen, bekommen andere Unternehmen Zugriff darauf. Wir werden dafür sorgen, dass in alle Speicher in Österreich eingespeichert wird. Und wer das blockiert, muss mit Konsequenzen rechnen.“
Die klare Ansage aus Wien hört man in München mehr als gerne. Schließlich kann in Haidach mehr Gas gespeichert werden als in allen fünf bayerischen Speicherstätten zusammen. Allerdings ist anzunehmen, dass der Nachbar Österreich aus seinen Bemühungen, Gazprom den Zugriff zu verwehren, auch selbst Profit schlagen will. Gleichzeitig mit der Novelle des Gaswirtschaftsgesetzes beschloss das Nehammer-Kabinett, den Speicher Haidach an alle österreichischen Gasspeicher anzuschließen. „Nur so stellen wir sicher, dass das benötigte Gas im Krisenfall auch rasch für die Kunden in Österreich zur Verfügung steht“, heißt es in einer Pressemitteilung.
Bayerns Wirtschaftsminister Hubert Aiwanger (Freie Wähler) macht gegenüber Wien auf gut Freund: „Aufbauend auf der guten und engen Partnerschaft mit Österreich wird Bayern die Gespräche weiterhin entschlossen begleiten“, ließ er auf Anfrage mitteilen. Am Mittwoch allerdings forderte Bayerns Verkehrsminister
Christian Bernreiter (CSU) die EUKommission auf, gegen den Nachbarstaat ein Vertragsverletzungsverfahren wegen Behindern des Transitgüterverkehrs einzuleiten.
Auch in Deutschland gibt es ein Gasspeichergesetz. Das sieht vor, dass alle Gasdepots bis Anfang November zu 90 Prozent gefüllt sein müssen. Das gilt aber nicht für den Speicher Haidach, weil der auf österreichischem Gebiet liegt. Aber auch in Österreich hat man sich das Ziel verordnet, die Speicher bis zum Beginn der Heizsaison zu mindestens 80 Prozent zu befüllen. Derzeit meldet Deutschland für alle seine Speicher einen Füllstand von 41,9 Prozent, Österreich von 25,45 Prozent.
Noch fließt das Gas aus Russland durch die Pipelines und die Speicher in beiden Ländern – mit Ausnahme von Haidach – füllen sich langsam. Wenn die Mega-Anlage im Bundesland Salzburg gut gefüllt wäre, wäre dies für die Energiepolitiker beider Länder eine große Beruhigung. Schnell aber kann das schon aus technischen Gründen nicht gehen. Der Speicher Haidach lässt sich nicht in ganz kurzer Zeit wie ein Luftballon mit Gas befüllen, sondern benötigt bei maximalem Zufluss fast vier Monate vom Leer- bis zum Maximalstand.
In Österreich verlässt man sich dabei nicht mehr auf Gazprom. Die Regierung in Wien will in den nächsten Monaten verstärkt Gaslieferungen aus anderen Ländern bestellen. Der jährliche Gas-Primärenergieverbrauch von 98 Terawattstunden (TWh) ist freilich leichter zu befriedigen als der deutsche mit etwa dem Zehnfachen. Allein in Bayern wird der jährliche Verbrauch an Gas auf 120 TWh beziffert.